In den Tagen nach dem 18. Mai wird für Christian Streich ein ganz anderer Lebensabschnitt mit viel Neuem beginnen. Zumindest am Anfang. Nach der Partie beim 1. FC Union Berlin am letzten Spieltag der Bundesliga ist die beinahe zwölfeinhalb Jahre währende Ära des Südbadeners als Cheftrainer des SC Freiburg definitiv vorbei. In dieser Woche sprach er erstmals öffentlich über seine Entscheidung, die er per Videobotschaft verkündet hatte.
„Am Montagmorgen habe ich gewusst, wo ich hin muss. Und am Sonntagmorgen auch“, beschrieb Streich seinen bisherigen Alltag. „Aufstehen, Zähne putzen, duschen, anziehen und dann ins Stadion arbeiten. Das ist Struktur. Es geht um Struktur und Arbeit.“
So sei das bisher gewesen, erklärte der 58-Jährige zehn Tage, nachdem er seinen selbst gewählten Abschied bekannt gegeben hatte. „Jetzt habe ich dann erst mal keine Arbeit mehr und Struktur habe ich auch nicht mehr“, so Streich. Wahrscheinlich werde seine Familie schon bald zu ihm sagen: „Könntest Du mal schauen, dass Du aus dem Haus herauskommst, damit wieder eine gewisse Normalität eintritt.“
Noch keine Sentimentalitäten in Freiburg
Bis dieses neue Normal beginnt, dauert es aber noch sieben Wochen. Am Ende wird es vermutlich sehr emotional werden. Doch auf seiner Abschiedstour möchte Streich die Gefühle erst einmal hinten anstellen. „Jetzt bist Du natürlich hoch motiviert und musst probieren, alles auszublenden. Alle Sentimentalitäten“, sagte er.
Daher wolle er auch nicht zu viel nachdenken über die Vergangenheit und was er mit dem Verein und der Mannschaft alles erlebt hat. „Damit Du noch voll fokussiert bist, um gute Spiele zu machen.“
So wie an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) bei Borussia Mönchengladbach, wo Streich auf den am Sprunggelenk verletzten Offensivspieler Noah Weißhaupt und wahrscheinlich auch die angeschlagenen Innenverteidiger Matthias Ginter und Philipp Lienhart verzichten muss. Auch der Einsatz von Offensivspieler Roland Sallai ist nicht sicher. Es ist die erste von acht Partien, bei denen Streich noch vor der Freiburger Bank am Spielfeldrand stehen wird.
Was bringt Christian Streichs Zukunft?
Was er dann nach den vielen Jahren als SC-Trainer machen werde, wisse er nicht. „Ich habe keine Ahnung“, sagte Streich, der zuvor schon viele Jahre als Jugendtrainer für die Breisgauer gearbeitet hatte. Momentan freue er sich erst einmal darauf, es bald ruhiger angehen lassen zu können.
Die aktuelle und die vergangene Saison, in denen Freiburg jeweils bis ins Achtelfinale der Europa League vorstieß, seien bis jetzt „außergewöhnlich toll“ gewesen, „aber energetisch brutal intensiv“. Besonders wegen der vielen englischen Wochen mit Spielen im Dreitage-Rhythmus. Jetzt möchte er sich erholen und Kraft tanken.
Die Entscheidung aufzuhören, sei richtig, sagte der Badener. Und sie werde richtig bleiben. „Jetzt ist es fast perfekt, so wie es ist. Dafür bin ich dankbar und zufrieden.“ Immerhin habe er die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wann Schluss sei. „Das haben ja nur ganz wenige Trainer.“
Nach den sportlich zuletzt durchwachsenen Wochen wird Streich alles daran setzen, den Tabellenneunten zum Abschied noch einmal in den Europapokal zu führen. Danach beginnt für ihn eine neue Zeit. „Dann ist alles anders – und dieses Anders wird hoch spannend sein“, so Streich.
Die Profis habe die Ankündigung der baldigen Trennung emotional getroffen, berichtete Offensivspieler Vincenzo Grifo bei Sky. „Er hat jeden Spieler besser gemacht, menschlich und persönlich entwickelt. Er hat diesen Verein geprägt“, so der Profi. „Wir haben uns vorgenommen, mit Vollgas und mit voller Kraft in die letzten Spiele zu gehen, um die Dankbarkeit für ihn dann auch auszustrahlen.“ Das Team wolle in den nächsten Wochen noch vieles erreichen.
Von Sommer an wird Julian Schuster, der bisher Verbindungstrainer zwischen Nachwuchs und Profis des Sport-Clubs war und früher Kapitän der Breisgauer, von Streich übernehmen. Der traut ihm als neuem Cheftrainer viel zu.
Auch Grifo, der noch mit Schuster zusammen spielte, findet die Entscheidung des Vereins überzeugend. „Er ist ein junger, hungriger Trainer, der sehr viel von Fußball versteht. Es ist natürlich auch seine erste Trainerstation, aber ich traue ihm das sehr gut zu.“