Sportlich läuft es rund beim VfB Stuttgart. Trotz der 1:2-Niederlage bei Werder Bremen liegen die Schwaben vier Spieltage vor Schluss auf dem dritten Tabellenplatz weiter voll auf Kurs Champions League. Trotzdem ziehen seit einigen Wochen dunkle Rauchwolken über dem Traditionsverein auf. Und die kommen nicht nur aus der eigenen Fankurve, die ihren Unmut über den Machtkampf an der Vereinsspitze zuletzt mehrfach durch Stimmungsboykott und das Zünden schwarzer Pyrobomben zum Ausdruck brachte.
„Aufsichtsrat, Investoren, Präsidium: Es reicht“, stand auch beim Auswärtsspiel in Bremen am Sonntag wieder auf einem Banner der Ultras aus der Cannstatter Kurve. Die Fans fordern nicht den Rücktritt von Vereinspräsident Claus Vogt (54), sondern sehen auch das Wirken von Neu-Investor Porsche äußerst kritisch.
Auslöser für den Zoff war die Neubesetzung des Aufsichtsrats-Vorsitzenden. Vogt hatte sein Amt Mitte März an Tanja Gönner (54) verloren. Die Ultras fühlen sich verraten. Hintergrund: eine Zusage im Rahmen der Ausgliederung im Jahr 2017, dass der Vereinspräsident stets Vorsitzender des Kontrollorgans der AG ist. Der Vorwurf: Die Amtsenthebung Vogts, der mittlerweile das Vertrauen der Fans verloren hat, sei vor allem auf Druck von Porsche (hat zwei Mitglieder im Kontrollrat) zustande gekommen. Und jetzt hätte der Verein weniger Einfluss auf die Geschehnisse in der AG. Die Ultras werfen den Klub-Bossen und Aufsichtsrat-Mitgliedern vor, sich in erster Linie um den eigenen Machterhalt und nicht um das Wohl des Vereins zu kümmern.
Vize Adrion kein Fan von Wohlgemuth
Das Chaos in der Führungsebene wirkt sich auch auf sportliche Zukunftsentscheidungen aus. Vor knapp drei Wochen hatte der Aufsichtsrat beschlossen, Sportdirektor Fabian Wohlgemuth (45) zum Sportvorstand zu befördern. Eine schnelle Vertragsunterschrift ist aktuell aber dennoch nicht zu erwarten. Kein Geheimnis ist, dass Vizepräsident Rainer Adrion (70) lange Zeit kein Fan der Wohlgemuth-Beförderung war. Schon mit den Vorgängern Sven Mislintat (51) und Michael Reschke (66) hatte Adrion seine Probleme. Dieser hätte auf dem Sportvorstand-Posten lieber Joti Chatzialexiou (47) gesehen. Der gebürtige Frankfurter war zuletzt 20 Jahre in verschiedenen Funktionen beim DFB aktiv, Erfahrung auf Vereinsebene fehlt ihm aber gänzlich.
Bis zur Entscheidung pro Wohlgemuth zog sich die Suche nach einem neuen Sportvorstand fast ein ganzes Jahr. In der Öffentlichkeit gab der VfB dabei ein desolates Bild ab. Auch, weil sich im größtenteils aus Unternehmens-Chefs und CEOs bestehenden Aufsichtsrat zwar zahlreiche Wirtschafts-Fachleute tummeln, die aber nicht für überbordende Fußball-Kompetenz stehen.
Um genau die in den Verein zu bekommen, denkt der VfB darüber nach, Stuttgarts Meistertrainer von 2007, Armin Veh (63), in den Aufsichtsrat zu berufen. Nach WELT-Informationen hat der ehemalige Geschäftsführer des 1. FC Köln in Stuttgart sogar schon vorgesprochen, die Gremium-Chefs mit seinen Ausführungen und Argumentationen überzeugt. Der Plan: Spätestens im Zuge der kommenden Mitgliederversammlung am 28. Juli soll Veh dem Aufsichtsrat beitreten und sein fußballerisches Know-how gewinnbringend einsetzen. Damit der VfB neben seinem sportlichen Erfolg jetzt auch außerhalb des Platzes wieder in die Spur kommt.
Denn die Sensations-Saison des VfB ist eng mit den Namen Sebastian Hoeneß (41), aber auch mit Wohlgemuth verknüpft. Beide harmonieren hervorragend miteinander, müssen aber die Querelen in der Chef-Etage ertragen und moderieren. Bisher gelang ihnen das sehr gut – in Bremen gab es nun zuletzt den ersten sportlichen Dämpfer nach Wochen des Erfolgs.
Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) verfasst und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.