Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die EU-Staaten aufgefordert, mehr Waffen an die Ukraine zu liefern. „Wir wissen, dass wir mehr tun müssen, als wir bisher machen, um die Ukraine zu unterstützen“, sagte Scholz am Mittwochabend zu Beginn eines EU-Gipfels in Brüssel. Neben Munition und Artillerie benötigten die ukrainischen Streitkräfte insbesondere Luftverteidigung.
Scholz verwies darauf, dass die Bundesregierung ein weiteres Patriot-Luftabwehrsystem liefern werde. „Das ist unmittelbar nützlich für die Ukraine, aber wir wollen auch andere ermutigen, das Gleiche zu tun.“ Die „furchtbaren“ russischen Luftangriffe zeigten, „dass das notwendig ist, genau da etwas zu machen“, sagte der Kanzler. „Für mich wird das hier bei diesem Gipfel auch darauf ankommen, viele davon zu überzeugen, dass sie noch mal nach Hause fahren und gucken: Was geht da.“ Es müsse jetzt schnell gehandelt werden.
Auch auf Ebene der Außen- und Verteidigungsminister macht sie die Bundesregierung für eine stärkere Unterstützung der Ukraine mit Luftabwehrsystemen stark. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) schickten dringliche Schreiben an ihre Amtskollegen. Die Beiträge für den Abwehrkampf gegen die russische Aggression „müssen schnell kommen“, heißt es in den gemeinsamen Briefen, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen. „Angesichts der Lage, der sich die Ukraine gegenübersieht, sind sie von großer Dringlichkeit.“
Ein weiteres Thema beim Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs ist die Lage im Nahen Osten nach dem Angriff des Irans auf Israel. „Für uns ist wichtig, dass dieser Moment jetzt auch genutzt wird, für eine weitere Deeskaltation“, sagte Scholz. Israel soll die erfolgreiche Abwehr der Raketen und Drohnen nutzen, um seine Position in der Region zu stärken.
Außenministerin Baerbock und ihr britischer Amtskollege David Cameron hatten diese Botschaft am Mittwoch bereits in Tel Aviv vorgetragen, waren aber von Regierungschef Benjamin Netanjahu zurechtgewiesen worden. „Sie haben auch alle möglichen Vorschläge und Ratschläge“, Netanjahu. „Ich schätze das, aber ich möchte klarstellen, dass wir unsere Entscheidungen selbst treffen werden.“
Revolutionsgarden als Terrororganisation? Scholz verweist auf rechtliche Fragen
Die EU könnte Israel unterstützen, indem die iranischen Revolutionsgarden auf eine Liste von Terrororganisationen gesetzt und sanktioniert werden. Diesen Schritt forderte etwa der belgische Premier Alexander De Croo. Die USA stuften die Organisation bereits 2019 als Terrororganisation ein.
Scholz verwies darauf, dass es bereits weitreichende Sanktionen gegen den Iran gebe und eine rechtliche Prüfung der Einstufung der Revolutionsgarden als Terrororganisation derzeit in der EU-Kommission laufe. Er erklärte weiter, dass er in einem kürzlich gefälltem Gerichtsurteil zu den Aktivitäten der Organisation einen Ansatzpunkt für eine Sanktionierung sehe.
Im vergangenen Dezember hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf ein Urteil wegen eines versuchten Anschlags auf eine Synagoge in Bochum gefällt, auf das sich Scholz nun wohl bezogen hat. Damals war ein Deutsch-Iraner wegen Verabredens einer schweren Brandstiftung und versuchter Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden (Aktenzeichen III-6 StS 1/23).
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wiederum hat iranische Drohnenproduzenten im Visier. Eine Ausweitung der Sanktionen „ist unsere Pflicht“, betonte Macron. Dabei sei eine Verknüpfung des Ukraine- und des Nahost-Konflikts denkbar: Die EU müsse all jene sanktionieren, die an der Herstellung von Raketen und Drohnen beteiligt sind, die für Angriffe sowohl auf die Ukraine als auch auf Israel verwendet werden, sagte der französische Staatschef.
Der Iran hatte in der Nacht zum Sonntag erstmals von seinem Staatsgebiet aus Israel direkt angegriffen. Nach israelischen Angaben wurden fast alle der mehr als 300 vom Iran abgefeuerten Drohnen und Raketen abgewehrt, unter Mithilfe unter anderem der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Jordaniens.