Thursday, May 9, 2024

Habeck: Demonstrativ gelassen weist Habeck die Vorwürfe zum Atomausstieg zurück – WELT

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Mehr Gelassenheit kann man nicht demonstrieren als Robert Habeck am Freitagmorgen im Bundestag: Um kurz vor acht schlendert der Wirtschaftsminister in das Paul-Löbe-Haus und schreckt die Kamerateams auf, die eigentlich damit gerechnet hatten, dass Habeck nur schnell vorbeihuschen würde, um sich den Fragen in der eilig einberufenen Sondersitzung des Energieausschusses zum Atomausstieg zu stellen.

Doch Habeck bleibt stehen. „Haben Sie Fragen?“, will er wissen und wartet, bis die Kameras laufen. Als das Licht über dem Objektiv eingeschaltet wird, scherzt der Minister: „Strom ist jedenfalls genug da.“

Die Botschaft des Wirtschaftsministers an diesem Morgen ist klar: Bitte weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen. Am Donnerstag hatte ein Bericht des Magazins „Cicero“ für Aufregung in Berlin gesorgt, weil Habeck ein Papier aus seinem Ministerium aus dem März 2022 nicht bekommen hatte, in dem die Frage diskutiert wurde, ob die drei letzten Atomkraftwerke wegen der Gaskrise länger laufen sollten.

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Der Mitarbeiter empfahl, längere Laufzeiten zumindest weiter zu prüfen. Habeck entschied damals trotzdem zunächst, die AKW nicht länger am Netz zu lassen. Ein Skandal?

Die Union hatte bereits mit einem Untersuchungsausschuss gedroht, auch vom Koalitionspartner FDP kam scharfe Kritik. Auch deshalb hat Habeck seine eigentlich für die gleiche Zeit geplante Pressekonferenz zur Energiewende verschoben und ist in den Bundestag gekommen. „Ein Jahr nach dem Atomausstieg müssen wir feststellen, dass sich alle Unkenrufe nicht bewahrheitet haben, die Energieversorgung ist komplett gesichert, die Strompreise im Handel sind runtergegangen“, sagt er.

Er freue sich auf die Ausschusssitzung, behauptet Habeck: „Das wird bestimmt eine spannende Stunde für alle.“ Man könne noch mal „zurückzoomen“ ins Frühjahr 2022. „Ich werde noch mal darlegen, dass am Anfang, im März, die Betreiber der Atomkraftwerke mitgeteilt haben, die Brennelemente sind ausgelutscht, da geht nichts mehr“, sagt Habeck.

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Tatsächlich liegen WELT Stellungnahmen und Mails der AKW-Betreiber von damals vor, in denen steht, dass ein Weiterbetrieb nur dann möglich sei, wenn die Leistung dafür in den Sommermonaten reduziert würde. Die Gesamtstrommenge, die in den Kernkraftwerken produziert worden wäre, hätte sich demnach nicht verändert.

Habeck betont, dass er und sein Ministerium aktiv bei den Atomkraftwerksbetreibern nachgefragt hätten, ob sie beim Gassparen helfen können – und das schon vor Ausbruch des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Bleibt die Frage, ob er das Papier seines Mitarbeiters vor seiner eigenen Entscheidung gern gekannt hätte.

„2400 Mitarbeiter, alle reden, und das sollen sie auch“

Schließlich erreichte das Dokument Habecks Schreibtisch nach Auskunft des Ministeriums nicht, sondern kam nur bis zu seinem früheren Staatssekretär Patrick Graichen (Grüne), der später wegen der Verwandten-Affäre entlassen wurde. „Nun mein Haus hat 2400 Mitarbeiter, alle reden, und das sollen sie auch, und diskutieren viel, gerade in so einer relevanten Frage“, sagt Habeck vor der Sitzung. Für ihn seien immer die Gespräche mit den Kraftwerksbetreibern ausschlaggebend gewesen.

„Insofern mag es E-Mail-Verkehre untereinander geben und Gespräche auf Fluren und Rücksprachen, die dann nicht eins zu eins wortprotokollmäßig bei mir ankommen, aber das geht auch gar nicht“, sagt Habeck. „Entscheidend ist, dass ich in den wirklich relevanten Runden und das sind die Runden mit den Versorgungsbetreibern, also RWE, EnBW und Eon, immer die richtigen Fragen stellen konnte und da bin ich sicher, dass die gestellt wurden.“

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Die Antwort der Betreiber sei gewesen, „die Atomkraftwerke haben keinen Saft mehr in den Brennelementen“, sagt Habeck. „Das hat sich dann später im Laufe des Jahres verändert, im Juni gab es dann andere Informationen der Betreiber und entsprechend haben wir ja dann die Debatte um die Laufzeitverlängerung noch mal aufgenommen und am Ende ja dann auch positiv beschieden.“ Tatsächlich blieben die letzten drei Atomkraftwerke dreieinhalb Monate länger bis Mitte April 2023 am Netz.

Die Sondersitzung verläuft dann deutlich weniger aufgeregt, als es die Debatte des Vortages hätte vermuten lassen. Die Abgeordneten entscheiden gleich zu Beginn doch öffentlich zu tagen und Journalisten in den Saal zu lassen. Habeck betont auch hier noch mal, dass alle Optionen in der Energiekrise geprüft worden seien.

Das Dokument sei nur ein „Vor-Papier“ gewesen, habe aber genau die richtigen Fragen aufgeworfen, die ohnehin im Ministerium diskutiert worden seien. Ansonsten wird die Debatte mit den bekannten Rollenverteilungen geführt: FDP und Union kritisieren den Atomausstieg insgesamt, den beide Parteien mitbeschlossen hatten; Grüne, SPD und Linke verteidigen den Ausstieg.

Fragen zu Atomausstieg – Fühlen Sie sich von Ihrem Ministerium getäuscht, Herr Habeck?