Gaston ist zurück. Als wäre nichts gewesen, schlappt er nach „langem Urlaub“ in die Redaktion des Carlsen Verlags (in dem er, alter Witz, natürlich selber erscheint). Gealtert ist er nicht, die ikonische Garderobe hat er erst recht nicht gewechselt: grüner Rolli und Jeans, blaue Espadrilles (trägt man die noch?) und rote Socken. Und gleich wird geschehen, was unweigerlich geschieht, wenn Gaston sich zur Arbeit bequemt: Er wird work und life so ausbalancieren, dass Leben ganz ohne Arbeit in die Bude kommt. Nicht selten und so auch diesmal geht Redaktionsleiter Demel dabei K.O.
„Rückkehr eines Chaoten“ halt und so heißt dann auch gleich das 22. Gaston-Album, das lange 27 Jahre nach dem Tod des Gaston-Schöpfers André Franquin erscheint. In Franquins Fußstapfen (Größe: riesig, letztlich nicht zu ermessen) tritt der kanadische Szenarist und Zeichner Marc Delafontaine alias Delaf und selbstredend ist (und war) das umstritten. Franquins Tochter Isabelle hat zwischenzeitlich sogar ein Brüsseler Gericht bemüht, das Erscheinen zu verhindern.
Die Sache endete mit einem Vergleich, also ein bisschen so, als kehrte, wie in Gaston-Comics üblich, der wutschnaubende Herr Bruchmüller doch noch zur Vertragsunterzeichnung in den Carlsen Verlag zurück – einer von ungezählten Running Gags in (fast) jedem „Gaston“. Es ist hier nämlich nicht der geringste Witz, dass etwas SCHON WIEDER geschieht. Was an sich sehr für eine posthume Fortsetzung spricht.
Alle seine Entchen
Delaf, der neue Mann, weiß das: In seinem See müssen deshalb alle Entchen schwimmen, die sich Franquin in Gastons vierzigjähriger Geschichte ausgedacht hat. Demel geht K.O. und Herr Bruchmüller zerreißt „die Verträge“ (siehe oben), Gaston packt den Chemiebaukasten aus und enttäuscht das verliebte Fräulein Trudel (was ja eigentlich arg 20. Jahrhundert ist).
Gaston fährt auch noch den spotzenden gelben Oldtimer (und fängt sich von Wachtmeister Knüsel den ein oder anderen Strafzettel ein), er traktiert weiterhin das Gastofon und treibt unter gelegentlicher Zuhilfenahme der Lachmöwe und des irren Katers Zeichner Krause, Buchhalter Bolte und sogar Demels abgewanderten Vorgänger Fantasio in die Verzweifelung.
Als wollte sich Delaf den ganzen Franquin einverleiben, macht er nicht mal vor Fantasios Co-Star Spirou und dem Marsupilami halt, die beide einen Gastauftritt bekommen: Die einen Fans werden es dem begnadeten Kopisten Delaf danken, die anderen werden es ihm niemals verzeihen.
Und apropos Kopist: Gaston ist zwar der Held der SCHON WIEDER, Franquins Kunst hat sich aber nie im SCHON WIEDER erschöpft. Gastons Universum ist über 21 Alben gewachsen: neue Figuren, neue Marotten kamen hinzu, in Maßen ist Gaston sogar mit der Zeit gegangen.
Einmal fällt sogar das Wort „Pandemie“
Delaf folgt auch hier dem Franquin’schen Rezept: Er fügt Gaston einen neuen Kumpel hinzu, der – weil Gaston ja am Ende ein einziger Meta-Witz ist – folgerichtig ein Delaf-Stellvertreter ist. Wie ein roter Faden zieht sich also die Geschichte eines schlechten Zeichners durch die Strips, der dem Carlsen Verlag seine Comics andrehen will, während Franquins Originale ein ums andere Mal verschwinden – Sie ahnen schon, wie und warum.
Weit zögerlicher ist Delaf allerdings, wenn es darum geht, mit der Zeit zu gehen. Er reißt den ein oder anderen Witz über Elektrobatterien und einen ziemlich guten über ein mobiles Telefon und einmal fällt sogar das Wort „Pandemie“, als wollte Delaf sagen, dass er die Chance sehr wohl gesehen hat, in einem Büro-Comic von der vielleicht größten aller Büro-Revolutionen zu erzählen. Dass er sie nicht ergriffen hat, bleibt aber schade: Wir hätten Gaston nämlich zu gern im Homeoffice und auf Zoom gesehen.
Aber so ist das eben mit den Comebacks: Es ist nie mehr dasselbe, aber (das ist die gute Nachricht) es ist auch nicht ganz vorbei.
Delaf nach Franquin: „Gaston. Die Rückkehr eines Chaoten“. Carlsen, 46 Seiten, 15 Euro.