War das ein Willkommensgruß aus Moskau? Als der EU-Ukraine-Gipfel am Freitagmorgen in Kiew begann, wurde plötzlich ein landesweiter Luftalarm ausgelöst. Russische Kampfflugzeuge waren im Luftraum über Belarus, nahe der ukrainischen Grenze, gesichtet worden. Von dort aus werden regelmäßig Raketen in Richtung Ukraine abgefeuert. Aber während des Treffens zwischen den EU-Spitzen und der ukrainischen Regierung unter Führung von Präsident Wolodymyr Selenskyj blieb dann alles ruhig.
EU-Ratspräsident Charles Michel und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hatten ein paar Zusagen aus Brüssel mitgebracht. „Wir werden in unserer Entschlossenheit nicht nachlassen“, sagte Michel. Im Rahmen der militärischen EU-Ausbildungsmission für die Ukraine sollen künftig 30.000 statt 15.000 ukrainische Soldaten und Soldatinnen in Europa ausgebildet werden. Außerdem sollen der Ukraine 35 Millionen Energiesparbirnen zur Verfügung gestellt werden.
Die Ukrainer könnten ihre alten Glühbirnen gegen die LED-Lampen „bei der Post umtauschen“, erklärte von der Leyen. „Jedes eingesparte Kilowatt Energie ist wertvoll, um Russlands Energiekrieg zu kontern“, betonte sie. Wesentliche Teile der Stromversorgung in der Ukraine funktionieren nur noch eingeschränkt, da Moskau immer wieder gezielt kritische Infrastruktur bombardiert. EU-Vertreter erklärten auch, dass sich die Hilfen aus Brüssel für Kiew mittlerweile auf fast 50 Milliarden Euro beliefen.
Gute Nachrichten aus Deutschland
Gute Nachrichten für Kiew kamen während des Gipfels auch aus Deutschland. Die Lieferung deutscher Kampfpanzer an die Ukraine könnte deutlich umfangreicher ausfallen als bisher erwartet. Die Bundesregierung hat nun der Industrie die Ausfuhr älterer Leopard-1-Exemplare genehmigt, die von der Bundeswehr vor 20 Jahren ausgemustert wurden, teilte ein Regierungssprecher mit, ohne weitere Einzelheiten zu nennen. Bisher hatte die Bundesregierung nur die Lieferung der moderneren Leopard-2-Panzer aus Bundeswehrbeständen in die von Russland angegriffene Ukraine angekündigt. Das Unternehmen Rheinmetall soll über 88 Panzer vom Typ Leopard 1 verfügen.
Wenig Bewegung gab es bei den Gesprächen mit Blick auf einen EU-Beitritt der Ukraine. Das Land ist seit Juni 2022 offiziell Beitrittskandidat. Kiew fordert nun einen schnellen Beitritt innerhalb der kommenden zwei Jahre. Selenskyj hatte erst am Donnerstag gesagt, sein Land habe einen Beginn der Verhandlungen noch in diesem Jahr „verdient“. EU-Ratspräsident Michel sagte dazu lediglich: „Wir werden Sie bei Ihrem Weg in die EU bei jedem Schritt unterstützen.“ Klar ist aber mittlerweile, dass sich die Ukrainer mehr Hoffnungen als berechtigt machen. Möglicherweise haben Michel und von der Leyen in der Vergangenheit auch übertrieben positive Signale in Richtung Kiew gesendet.
Ein hoher Brüsseler Beamter, der nicht genannt werden wollte, sagte kürzlich, momentan sei in Wahrheit Moldawien Beitrittskandidat Nummer eins. In vielen EU-Mitgliedstaaten ist zudem die Skepsis gegenüber einem Turbo-Beitritt der Ukraine groß. „Es ist sehr klar, was noch zu tun ist“, sagte EU-Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi bereits vor einigen Monaten. Bis zum Jahresende will seine Behörde einen Bericht zu den Reformen in der Ukraine vorlegen.
Der Chef des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), erklärte, ein Beitritt in fünf oder sechs Jahren wäre angemessen. Es sei kaum vorstellbar ein Land aufzunehmen, in dem momentan Krieg herrsche. Zudem müsse die Ukraine bei der Bekämpfung von Korruption und der Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien noch viel besser werden.
Der stellvertretende ukrainische Außenminister Andrij Melnyk hat unterdessen Deutschland gelobt. Die „psychologisch wichtige“ EU-Beitrittsperspektive sei auch ein Verdienst Deutschlands, sagt der frühere ukrainische Botschafter in Berlin dem Nachrichtensender WELT.