Tuesday, May 7, 2024

Jürgen Klinsmann: „Es war ein Fiasko für mich“ – Hertha-Protokolle, Tonnentritt, Träne

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Jürgen Klinsmann hat in seinem Fußballerleben einiges erlebt. WM-Titel 1990 in Rom, Europameister 1996 in Wembley, Erneuerer des deutschen Fußballs vor dem Sommermärchen 2006, wilde Abenteuer bei Bayern München oder Hertha BSC. Eine Karriere als Spieler und Trainer mit etlichen Höhen, aber auch einigen Tiefen.
Anlässlich seines näher rückenden 60. Geburtstages am 30. Juli blickte er im Interview mit transfermarkt.de (gehört wie WELT zur Axel Springer SE) auf einige Kapitel seiner schillerenden Laufbahn zurück.

… seinen kritischen Arbeitsbericht über Hertha BSC, der an die Öffentlichkeit kam: „Ich musste als Aufsichtsrat diesen professionellen Arbeitsbericht für Lars Windhorst (ehemaliger Hertha-Investor, die Redaktion) anfertigen. Der war so abgemacht und wurde wertgeschätzt. Der Bericht ist im Anschluss an die ‚SPORT BILD‘ gelangt und wurde scheibchenweise als Tagebuch veröffentlicht. Von wem auch immer das kam. Das weiß ich bis heute nicht. Da habe ich sehr viel Feuer bekommen. Dass das in die Medien kam, war ein Fiasko für mich. Obwohl ich in der Sache, mit jedem einzelnen Punkt, komplett recht hatte. Ich stehe dazu, was ich gesehen, erlebt und aufgeschrieben habe. Ich hatte mir natürlich auch alles noch einmal durchgelesen, bevor ich es per E-Mail rausgeschickt habe. Was lerne ich daraus? Dass ich einen solchen Arbeitsbericht wahrscheinlich nicht mehr schreiben werde. Sondern meine Erfahrungen nur noch in Gesprächen weitergebe und schaue, dass diese nicht aufgezeichnet werden.“ (lacht)

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… seine Hilfe für Hertha-Investor Lars Windhorst: „Ich mache meine Entscheidungen von meinen Gefühlen und Emotionen in der jeweiligen Situation abhängig. Vom Vertrauen in den Entscheidungsprozess. Bei Hertha BSC wollte ich Lars bei seinem Mega-Investment helfen, damit es keine Bauchlandung gibt. Ich sagte: ‚Pass auf, Lars, ich gehe da mal rein und schaue mir das an. Ich sage dir dann direkt ins Gesicht, wie ich es sehe.‘ Das habe ich auch niedergeschrieben.“

… die „Nacht-und-Nebel-Aktion“, die ihn zum Hertha-Trainer werden ließ: „Das war eine totale Nacht-und-Nebel-Aktion. Man hat mich gebeten, rüberzufliegen, als wir Drittletzter waren. Ich habe ein paar Trainer und Personen mit Weitsicht vorgeschlagen, die den Verein Schritt für Schritt mit einem richtigen Plan nach oben hätten bringen können. Nachts um drei Uhr, im Laufe dieser hektischen Diskussion, nachdem ich aus dem Flieger gestiegen war, war ich auf einmal selbst der Trainer. Ich glaube, wenn ich noch zwei, drei Nächte drüber geschlafen hätte, hätte ich gesagt: ‚Um Gottes Willen! Ich gebe euch gerne meine Ratschläge, aber ich lass‘ die Finger davon.‘ Danach habe ich in der Nacht meine Frau anrufen müssen und von meiner Zusage für die nächsten paar Wochen erzählt. (…) Ich hatte mit Hertha BSC nie einen schriftlichen Vertrag. Wir hatten uns die Hände geschüttelt und ich meinte: ‚Ich helfe euch jetzt mal.‘ Wir haben versucht, langfristig etwas aufzubauen, aber das wollten sie nicht. Dann habe ich nach zehn Wochen gesagt: Rutscht mir den Buckel runter!“

seinen aufsehenerregenden Abgang bei Hertha: „Ich habe kapiert, wo der Hase hinläuft. Deswegen bin ich heraus spaziert. Im Nachhinein hätte ich das ganz anders machen und kommunikativ steuern müssen. Aber so bin ich halt. Bei mir kam wieder dieser Impuls wie beim Tonnentritt. Es gab diesen einen Moment und es reichte mir – Kurzschluss. Am Abend war mir das durch den Kopf gegangen und am nächsten Morgen habe ich es umgesetzt. (lacht) Mit mir ging es nicht mehr. Ich hatte zum x-ten Mal bei Hertha gesagt, dass etwas getan werden muss.

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