Herrenberg hat das nicht verdient. So ein idyllischer Ort – Fachwerkhäuser, das Korngäu ist nicht weit, der älteste Musikverein Deutschlands spielt auf. Alle, die in Deutschland für eine der mehr als 930 Musikschulen und deren Finanzierung verantwortlich sind, denken allerdings nicht an Idylle, sondern an Horror, wenn der Name Herrenberg fällt.
Das „Herrenberg“-Urteil des Bundessozialgerichts verpflichtet sie nämlich, bisherige Honorarkräfte (die bis zu 70 Prozent aller Unterrichtsstunden bestreiten) sozialversichert anzustellen. Und eigentlich ist das natürlich gut so: Lehrkräfte sind abgesichert, die Gefahr der Altersarmut unter Musikpädagogen wird geringer, Gemeinden müssen nicht irgendwann Millionen in die Sozialkassen nachzahlen, was sie – wie Herrenberg nach dem Sozialgerichtsurteil – tun müssten.
Davor, dass aus der deutschen Musikschullandschaft kein idyllischer Ort werden würde, hatten Beteiligte gleich nach dem Urteil gewarnt. Die Nachzahlungen der Sozialbeiträge bringt die ohnehin klammen Gemeinden in Bedrängnis (Musikschulen finanzieren sich in der Regel zu einem Drittel aus Beiträgen und aus Zuschüssen von Gemeinde und Land). Die meisten können es sich nicht leisten, Honorarkräfte ohne Beitragserhöhungen festanzustellen.
Welche Folgen das haben kann, zeichnet sich beispielhaft am Heinrich-Schütz-Konservatorium in Dresden ab. Da müssten, um das Angebot nach dem Abwickeln von Honorarkräften halten zu können, 50 feste Stellen geschaffen werden. Die Stadt ist allerdings nur zur Schaffung von 26 Stellen bereit.
Damit würden – wenn von den Kulturverantwortlichen auf allen Ebenen nicht ganz schnell über neue Strukturen nachgedacht wird – alle verlieren: Das Lehrpersonal, das seinen Lebensunterhalt verliert, die Schüler, die mit einem ausgedünnten Angebot auskommen müssen.
Und das in einer Zeit, in der Musikunterricht auch an allgemeinbildenden Schulen zunehmend bedroht ist. Die vom Ausland bewunderte (Schein-)Idylle wird die deutsche Musiklandschaft so nicht lange bleiben.