Der ärgste Verfolger hat die Meisterschaft schon abgehakt. „Die Chancen sind nicht bei null, mathematisch gibt es noch eine, aber sie ist sehr klein“, sagte Welthandballer Mathias Gidsel von den Füchsen Berlin nach dem 32:32 gegen Kiel. Tabellenführer SC Magdeburg hat ein Spiel weniger absolviert, aber zwei Minuspunkte weniger auf dem Konto und die klar bessere Tordifferenz.
Die Meisterschaft ist dem Team von Bennet Wiegert eigentlich nicht mehr zu nehmen. Das liegt auch an Gisli Kristjansson, der eine überragende Saison spielt. Der 24-jährige Isländer ist eine der prägenden Figuren im Spiel der Magdeburger.
Frage: Herr Kristjansson, Ihr SC Magdeburg hat in dieser Saison mit der Klub-WM und dem DHB-Pokal schon zwei Titel geholt. Zwei weitere können mit Meisterschaft und Champions League folgen. Heißt das Ziel „Quadrupel“?
Gisli Kristjansson: Unser Ziel ist es, jedes Spiel zu gewinnen. Und wenn wir jedes Spiel gewinnen, dann wird das wahrscheinlich der Fall sein. Aber so weit gucken wir gerade nicht.
Frage: Mitten im Saisonendspurt kam der Doping-Fall von Torwart Nikola Portner. Können Sie sich vorstellen, dass er wissentlich Crystal Meth genommen hat?
Kristjansson: Ich glaube Niko und stehe an seiner Seite. Ich weiß, was für ein toller Mensch er ist. Niko ist ein richtig guter und geiler Typ. Wir als Mannschaft vermissen ihn. Es tut mir echt leid, dass er durch diesen ganzen Scheiß durchgehen muss.
Frage: Sechs Spiele vor Schluss steht Magdeburg zwei Minuspunkte besser als Berlin. Kann sich Ihr Team im Meisterrennen nur noch selbst schlagen?
Kristjansson: Ja, so ist es. Wir haben noch sechs Spiele. Wenn wir die durchziehen, dann werden wir Meister. Wenn wir es nicht schaffen, sind wir einfach selbst schuld.
Frage: Viele – auch die Berliner – sagen, dass der SCM aktuell die stärkste Mannschaft der Welt ist. Würden Sie ihnen recht geben?
Kristjansson: Ja. Ich würde nicht sagen, dass sie Unrecht haben (grinst). Aber Handball ist auch ein Tagesform-Sport. Wenn wir einen schlechten Tag erwischen, dann können wir auch gegen viele Mannschaften verlieren.
Frage: Anstelle von Portner hat Sergey Hernández beim Pokal-Final-Four überragend gehalten. Denken Sie, dass es reicht, ihn als Nummer eins zu haben? Mikael Aggefors ist nur im Notfall eingeplant.
Kristjansson: Wenn Sergey weiter so performt, dann reicht das auch. Sergey hat es in Köln überragend gemacht, und ich hoffe einfach, dass er weiterhin so stark ist. Am Ende ist es egal, wer im Tor steht. Hauptsache, derjenige hält.
Frage: Berlins Mathias Gidsel ist zum Welthandballer gewählt worden. Ist das auch eines ihrer Ziele?
Kristjansson: Klar möchte ich auch mal Welthandballer werden. Ich weiß, dass ich noch mehr kann und mein Entwicklungsweg noch nicht zu Ende ist.
Frage: Beim Pokal-Final-Four hatten Sie Kratzspuren am Hals. Wie ist es, wenn man ständig Ellenbogen ins Gesicht kriegt oder einem in den Wurfarm gegriffen wird? Mögen Sie diese Härte im Handball?
Kristjansson: Ja. Ich hatte jetzt nie den Gedanken, dass ich lieber Tennisprofi oder Volleyballer geworden wäre (lacht). Ich finde die Härte schon geil. Die gehört einfach zum Handball dazu.
Frage: Sie spielten von 2018 bis 2020 in Kiel. Hat man es beim THW als junger Spieler schwerer als bei einem anderen Klub, den Durchbruch zu schaffen?
Kristjansson: Ja, ich hatte natürlich Probleme mit meiner rechten Schulter. Und dann habe ich einfach nicht die Spielanteile bekommen, die ich mir gewünscht hätte.
Frage: Vergangenes Jahr beim Sieg im Champions-League-Finale haben Sie mit einer Verletzung gespielt und sind danach wegen einer Schulter-OP bis zum Dezember ausgefallen. War es im Nachhinein ein Fehler, verletzt zu spielen, oder würden Sie das immer wieder so machen?
Kristjansson: Ich würde immer wieder verletzt spielen. Wenn ich mir das Finalspiel gegen Kielce anschaue und den Moment sehe, wo wir das Ding gewinnen, dann kommen mir immer noch Tränen, weil das so unglaublich war. Das erweckt so viele gute Erinnerungen. Es war mein erster Champions-League-Sieg, und was wir da als Mannschaft abgeliefert haben, war einfach genial, und das würde ich um nichts in der Welt missen wollen.
Frage: An diesem Mittwoch (18.45 Uhr, live bei Dyn) geht es jetzt im Champions-League-Viertelfinale wieder gegen Kielce…
Kristjansson: Kielce ist, wie jeder weiß, auch eine unglaublich starke Mannschaft, und die können uns auch schlagen. Aber wir müssen einfach unser Spiel durchziehen, und dann werden wir auch dort gewinnen.
Das Interview wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) geführt und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.