Friday, May 3, 2024

Puccini: Die Geschichte eines schwindelerregenden weltweiten Erfolgs

- Advertisement -
- Advertisement -

210 Millionen Euro. Das war – nach heutiger Kaufkraft – das Vermögen von Giacomo Puccini beim Zeitpunkt seines Ablebens am 29. November 1924 in einem Brüsseler Krankenhaus nach einer fehlgeschlagenen Bestrahlungstherapie gegen seinen Kehlkopfkrebs. Für das Geld mögen Tylor Swift oder Lady Gaga vielleicht kaum mal aus dem Bett steigen, aber vor 100 Jahren war der Italiener der reichste Musiker seiner Zeit.

Und das hatte er mit nur drei, weltweit gespielten, aber eben auch als Noten im Original oder in Bearbeitungen vervielfältigten, auch für das Grammophon aufgenommenen und selbst in der Stummfilmära bereits vor die Kamera gebrachten Opern geschafft: „La Bohème“ (1896), die das Leben armer Künstler im Pariser Quartier Latin beschreibt; „Tosca“ (1900) über eine eifersüchtige Operndiva, an deren Ende alle Protagonisten tot sind; „Madama Butterfly“ (1904), heute als kulturelle Aneignung geschmäht, damals auf der Exotismus-Erfolgswelle surfend, über eine minderjährige Japanerin, die glaubt, eine Scheinhochzeit binde sie und ihr Kind an einen herzlosen amerikanischen Flottenoffizier.

Lesen Sie auch
Carmen am Royal Opera House in London

Musiktheater

Die beiden Frühwerke „Le Villi“ (1894) und „Edgar“ (1889) waren damals schon vergessen, sein Durchbruchsstück, „Manon Lescaut“ (1893) wurde erst vor etwa 50 Jahren langsam zum Repertoirewerk. Die eigentlich sehr modernen für die New Yorker Metropolitan Opera konzipierten Titel „La fanciulla del West“ (1910) als Vorwegnahme des Western im Kino und der experimentelle „Il trittico“ (1918) als Sammlung dreier, höchst unterschiedlicher Einakter waren zu neu und nicht populär genug, beide Titel sind eigentlich ebenfalls erst seit etwa 30 Jahren regelmäßig zu sehen.

Die 1917, ursprünglich für Wien bestellte, dann in Monte-Carlo uraufgeführte „La rondine“ gilt gleichwohl bis heute als fehlgeschlagene Operette mit einer dünnen Aufführungsgeschichte. Und die zur Triumphtrias sofort aufschließende „Turandot“, neuerlich ein fernöstlicher Opern(alb)traum aus dem märchenhaften China, wurde erst 1926 mit einem Schluss von fremder Hand posthum uraufgeführt.

Drei Opern, so melodienselig wie tränenreich – 210 Millionen Euro. Da wäre auch Puccinis größter, in der Oper, mit Orchesterwerken wie Liedern ungleich produktivere Konkurrent Richard Strauss neidisch geworden. Der Bayer war zwar mindestens so geschäftstüchtig wie der Italiener. Doch Puccini hatte einen noch geschäftstüchtigeren Verleger: Giulio Ricordi. Beide Männer wollten mit Musik vor allem eines – Geld verdienen. Das ist ihnen gelungen.

Akt vorbildlichem Unternehmertums

Gelungen ist auch die konzentrierte, in ihrer virtuellen Fülle allerdings überbordernde Ausstellung „Opera Meets New Media“, die von Bertelsmann für eine wohl bis 2026 laufende Tournee konzipiert wurde und nun an seinem Berliner Sitz Unter den Linden als erste Station gezeigt wird. Das Thema vepflichtete gewissermaßen: Schließlich will der Mediengigant ebenfalls für die Gründerfamilie wie die Aktienbesitzer deren Vermögen mehren. Bisweilen auch mit Musik.

Die traditionsreiche Casa Ricordi wurde 1956 verkauft, zwischen 1994 bis 2006 gehörte sie Bertelsmann. Doch während die Verlagsrechte inzwischen bei der Universal mitlaufen, besitzen die Bertelsmänner immer noch das historische, im Mailänder Brera-Palast beheimatete Archiv, das als italienisches Kulturerbe höchster Bedeutung nicht außer Landes darf.

In einem Akt vorbildlichen Unternehmertums hat man diese 200 Jahre zurückreichende Musiksammlung, eine der bedeutendsten der Welt, mit mehr als 5.000 Originalpartituren und 15.000 Briefen, digital aufbereitet und stellt sie seither immer wieder thematisch der Öffentlichkeit vor. Hier liegt quasi das Gedächtnis der italienischen Oper. Und was Giuseppe Verdi für Giulio Ricordis Vater Tito bedeutete, das wurde – nach mühseligen, auch kostspieligen Anfängen – Puccini für dessen Nachfolger: ein enger Freund, aber eben auch eine Geldquelle, die man gemeinsam optimierte.

Jonas Kaufmann singt Puccini

An dieser Stelle finden Sie Inhalte aus YouTube
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

Puccini war ein Mann seiner Zeit, interessiert an schnellen Autos und technischen Spielzeugen. Und darauf bedacht, seine geistigen Erzeugnisse nicht nur dem Opernpublikum vorbehalten zu sehen, sondern sie auch als Klavierauszüge, Bearbeitungen, Arienplatten, Postkarten und sonstige Werbemittel unter die Völker als kaufende Kunden zu bringen.

Er kümmerte sich ebenso sorgfältig um seine Librettisten, die Motive für seine Musik, die dramatische Effektivität (nicht nur die „Butterfly“ wurde erst als Überarbeitung wirklich ein Erfolg), wie er auch die Bilanzen und Tantiemen beobachtete, sich um Verwertungsrechte und ihren Schutz (in den USA damals ziemlich unzulänglich) sorgte und prozessierte, wenn etwa in Lichtspielhäusern widerrechtlich seine Hits zur Begleitung von Stummfilmen gespielt wurden.

Und so wurden nicht nur zu seinen Lebzeiten zwanzig Opernbearbeitungen seiner Werke legal in die Kinos gebracht, allein achtmal die „Tosca“, die ja wiederum geschickt kalkuliert auf einem Bühnenbesteller Victorien Sardous für die Theaterdiva Sarah Bernhardt basierte. Es gab ein von berühmten Graphikern wie Adolfo Hohenstein oft im pointierten Jugendstil-Look (in Italien „Liberty“ genannt) nach den Originalvorlagen der wie heute bei Musical-Blockbustern vom Verlag vorgeschriebenen Bühnenausstattung gestaltetes Merchandise – Kalender, Farbbänder, Bonbons, ja ganze Porzellansammelsets. Theaterfiguren wurden Marken, bekamen ein Branding.

Ein Raum der „Opera Meets New Media“

Ein Raum der „Opera Meets New Media“
Quelle: Bertelsmann

Giacomo Puccinis Opernschaffen war, darüber waren sich alle klar, ein perfektes Beispiel für das Kunstwerk im Zeitalter seiner beginnenden technischen Reproduzierbarkeit. Und es wurde auch als solches ausgeschlachtet. Und es ist es, auch wenn die Autorenrechte 70 Jahre nach Puccinis Tod abgelaufen sind, bis heute: „Tosca“-Parfüm und „Nessun‘ dorma“ als tenorschweißtreibender Fußballstadionhit mit Hohes-B-Klimax, „La Bohème“ als „Moulin Rouge“-Mutation vom Kinofilm bis zum Musical.

Vor einiger Zeit sind die Puccini-Opernlogos sogar als Mantelschmuck einer glamourösen Dolce & Gabbana-Alta-Moda-Show in die Mailänder Scala zurückgekehrt. Schade, das davon nichts in der klugen wie kompakten Schau zu sehen ist. Dafür spielt sie schon zu Anfang mit einem 3D-Kopf Puccinis, der uns sehr direkt-nachdenklich anblickt. KI hat „Turandot“-Szenenbilder in vermeintlich echte Veduten aus dem alten China verwandelt: Da raucht es in den Tempeln, fallen die Blätter, flattern die Vögel und schwingen die Papierlaternen im Wind. Puccini – der letzte Opernkaiser.

Und im finalen Raum ist zu sehen, wie Franco Alfano aus den heute in einer roten Ledermappe mit Seidenschleife aufbewahrten allerletzten, teilweise in ihrem übereinanderschraffierten Ideenringen wie moderne Kunst aussehenden 23 Skizzenblättern des sterbenden Maestros einen „Turandot“-Schluss erfand. Denn die Opern-Show musste weitergehen. Und das eben nicht als Torso. Die erste komplette Opernübertragung im neuen Radio war eine „Turandot“ aus der Berliner Staatsoper, ebenfalls die erste Operngesamtaufnahme 1938 auf 16 Schellackplatten.

Lesen Sie auch
Jonas Kaufmann als Calaf in einer Probe zu „Turandot“

Startenor Jonas Kaufmann

Schon 1912 war Giulio Ricordi gestorben, sein Sohn Tito (der nur sieben Jahre das Haus leitete) wusste aber wie es ging. Er schickte „Madama Butterfly“ auf sechsmonatige USA-Tournee und organisierte erfolgreiche Reisen Giacomo Puccinis nach Buenos Aires und New York.

Und auch dessen Nachfolger heizten den „Turandot“-Hype an. Als dessen Gallionsfigur selbst der tote Schöpfer in allen Medien inszeniert wurde. Mit Moustache, weißem Anzug und Strohhut im schnellen Auto ist auch er eine Ikone. Bis heute. Während die Verkäuferinnen weiter um das Schicksal der der kleinen Frau Schmetterling weinen.

Opera Meets New Media – Puccini, Ricordi und der Aufstieg der modernen Unterhaltungsindustrie; Unter den Linden 1, bis 16. Mai 2024

Weiterlesen…….

- Advertisement -
Latest news

AfD: Krah sagt Wahlkampfauftritte in Hessen ab

Der umstrittene AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah, hat seine Teilnahme am Wahlkampfauftakt der AfD in Hessen am Freitagabend abgesagt. Dies sei schon vor...
- Advertisement -

Ruf nach dem Kalifat: „Unsere liberale Demokratie bietet auch den Feinden die größtmögliche Bühne“ – Video

Nach der von Islamisten organisierten Demo in Hamburg, auf der es Plakate mit der Aufschrift „Kalifat ist die Lösung“ gab, wird über Konsequenzen...

Bundesfinanzministerium: „Unser Zollamt hat sicherlich den traurigen Titel als marodeste Zollstelle Deutschlands verdient“

Die Behörde, die Finanzminister Christian Lindner (FDP) untersteht, soll den Drogenschmuggel, Geldwäsche und Schwarzarbeit bekämpfen. Doch die Missstände bei der Ausstattung des Zolls...

Faeser zu Cyberangriff: „Wir werden uns keinesfalls vom russischen Regime einschüchtern lassen“ – Video

Die Bundesregierung macht Russland für eine Hackerattacke auf die E-Mail-Konten der SPD im vergangenen Jahr verantwortlich. Innenministerin Faeser verurteilte den Angriff in einem...
Related news

AfD: Krah sagt Wahlkampfauftritte in Hessen ab

Der umstrittene AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah, hat seine Teilnahme am Wahlkampfauftakt der AfD in Hessen am Freitagabend abgesagt. Dies sei schon vor...

Ruf nach dem Kalifat: „Unsere liberale Demokratie bietet auch den Feinden die größtmögliche Bühne“ – Video

Nach der von Islamisten organisierten Demo in Hamburg, auf der es Plakate mit der Aufschrift „Kalifat ist die Lösung“ gab, wird über Konsequenzen...

Bundesfinanzministerium: „Unser Zollamt hat sicherlich den traurigen Titel als marodeste Zollstelle Deutschlands verdient“

Die Behörde, die Finanzminister Christian Lindner (FDP) untersteht, soll den Drogenschmuggel, Geldwäsche und Schwarzarbeit bekämpfen. Doch die Missstände bei der Ausstattung des Zolls...

Faeser zu Cyberangriff: „Wir werden uns keinesfalls vom russischen Regime einschüchtern lassen“ – Video

Die Bundesregierung macht Russland für eine Hackerattacke auf die E-Mail-Konten der SPD im vergangenen Jahr verantwortlich. Innenministerin Faeser verurteilte den Angriff in einem...
- Advertisement -