Friday, May 3, 2024

Kunstmetropole Berlin: Die Geschichte hinter dem Gallery Weekend

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Was wäre Berlin ohne das Gallery Weekend? Höchstwahrscheinlich das: eine Kunststadt ohne Kunstevent, ein Irrgarten aus kilometerweit voneinander entfernten und diffus angesiedelten Galerien, über die kein Mensch einen Überblick hätte und ein freudloser Ort, in dessen Museen Kämpfe mit Boykottaufrufen, Antisemitismus und Identitätspolitik statt mit Kunst ausgefochten werden.

Mit dem Gallery Weekend ist Berlin das: eine Metropole, die ein großartiges Kunstfestival erfunden hat, bei dem aus aller Welt anreisende Kuratoren und Sammler, Touristen und Einheimische gemeinsam mit der hiesigen Kunstszene bei Frühlingslaune etwas feiern, das Berlin auszeichnet, Ausstellungen von herausragenden internationalen Künstlern in Galerien, die so etwas sind wie die versteckten Diamanten dieser Stadt.

Wer das Gallery Weekend erfand

Dabei war die Idee so einfach: Im Jahr 2005 saßen die Galeristen Max Hetzler, Tim Neuger und Esther Schipper zusammen. Und sie überlegten, wie man die damals noch uneingeschränkt enthusiastisch gefeierte Kunstszene der Hauptstadt im Aufbruch global wahrnehmbarer machen und internationale Akteure gebündelt an die Spree locken könnte.

Heraus kam ein langes Wochenende, zu dem die wichtigsten Galerien viele Sammler, Kunstberater und Ausstellungsmacher aus aller Welt einladen, um ihnen eine sorgsam kuratierte Galerienszene auf eine Weise nahezubringen, wie sie sie bisher noch nie erlebt hatten – und sie in Räume zu bitten, wie man sie in Paris, London oder New York nicht findet.

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Damals waren es nur 21; heute sind es 55 Galerien, die für eine stattliche Summe Gäste einfliegen, zu eleganten Empfängen und zu einem großen Gala-Dinner einladen, das jedes Jahr an anderen, oft spektakulären Orten stattfindet: Man speiste bereits in der Abflughalle des stillgelegten Flughafens Tempelhof, im Technoclub Tresor im ehemaligen Heizkraftwerk Berlin-Mitte und auf der Terrasse der Neuen Nationalgalerie.

Champagnertrunken in die Fahrbereitschaft

Ein Shuttle-Service chauffiert champagnertrunkene Kunst-Charmeure zu Ausstellungen von Lichtenberg bis Dahlem, wo über die Jahre immer mehr Locations für die Kunst entstanden sind – denn nicht nur die Galerien, sondern auch die nach Berlin gezogenen Sammler legen sich für den beliebten Frühjahrstermin ins Zeug. Wo sonst auf der Welt kann man Konzeptkunst in der früheren Stasi-Fahrbereitschaft oder Videoinstallationen in einem marmornen Nazi-Palais sehen?

Kunst an ungewöhnlichen Orten: Skulptur von Gil Shachar in der Berliner Elisabethkirche

Kunst an ungewöhnlichen Orten: Skulptur von Gil Shachar in der Berliner Elisabethkirche
Quelle: picture alliance / Jörg Carstensen

Obwohl das Gallery Weekend Berlin – weil es die teilnehmenden Kunsthändler sehr viel Geld kostet – als exklusives Event geplant ist, haben sich inzwischen praktisch alle Galerien und Kunstorte der Stadt daran angedockt. Sie tragen viel dazu bei, Kunstgängern die Schwellenangst zu nehmen, ihnen auf ganz natürliche Weise entgegenzukommen.

Und so hat das Gallery Weekend hat Schule gemacht. Inzwischen gibt es ähnliche Modelle von Warschau über Brüssel bis London. Kostenlos Kunst anschauen und dabei eine Stadt erkunden ist offenbar ein Erfolgsrezept.

Legendäre Ausstellungen

Denkt man zurück, erinnert man sich an einige der besten Galerieausstellungen, die Berlin je gesehen hat – auch weil sie mit schwer verkäuflichen Werken Wagnisse eingegangen sind, die im Alltagsgeschäft nicht immer vorkommen. Beispielsweise die raumfüllende Videoinstallation „After the Riot“ von Erik van Lieshout bei Guido W. Baudach im Jahr 2015, mit Bauzaungehege und 200 Quadratmeter großem Bühnenpodest.

Scheinbar „schier unmöglich zu verkaufen“, so erinnert sich Baudach, dessen Galerie ursprünglich aus seinem Projektraum „Maschenmode“ mit angrenzender Künstlerbar namens „Dirt“ hervorging. „Es ist jedoch eine der magischen Eigenschaften des Gallery Weekends, dass man hier Kunstwerke vermitteln kann, mit deren Verkauf man unter normalen Umständen nie rechnen würde – und das an Sammlungen, deren Protagonisten leibhaftig in der Galerie waren, weil sie für das Kunstwochenende nur zu gern nach Berlin kommen. So erging es uns damals mit der Arbeit von Erik.“

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Ähnliches galt im Jahr 2023 für die – für Berliner Verhältnisse – enorm hochpreisigen Werke der Postminimal-Ikone Sheila Hicks, deren raumerobernde Wollknäuel in der Galerie Meyer Riegger erstmals seit 50 Jahren in Deutschland gezeigt und erstaunlicherweise prompt an eine Berliner Sammlung verkauft wurden.

Bei all den Messen sei es wichtig, dass Sammler, die man sonst nur von Messen kenne, das „natürliche“ Umfeld der Galerie vor Ort erleben. „Und dafür bietet das Gallery Weekend die beste Gelegenheit“, sagt der Galerist Jochen Meyer. Doch nicht nur teure Werke stehen dabei im Fokus.

Und dann verschwand Ai Weiwei

Die Galerie BQ zeigte 2018 genähte Bilder von Leda Bourgogne, die damals erst 29 Jahre alt war und gerade ihren Abschluss an der Frankfurter Städelschule gemacht hatte: Die Ausstellung war ein Riesenerfolg und womöglich auch beispielhaft für andere Galerien, zum wichtigsten Termin im Jahr Neuzugänge zu zeigen.

So wie 2021 die Galerie Isabella Bortolozzi den 1935 geborenen Neapolitaner Giuseppe Desiato auf das Publikum losließ: mit auf ritualistischen Performances basierenden Fotografien, die Frauen wie Göttinnen zwischen Madonna, Braut und Hure vorbei an jedem Klischee abbilden.

Ausstellung von Ai Weiwei im Jahr 2011 in der Galerie Neugerriemschneider

Ausstellung von Ai Weiwei im Jahr 2011 in der Galerie Neugerriemschneider
Quelle: © Ai Weiwei. Courtesy of the artist and neugerriemschneider, Berlin. Photo: Jens Ziehe, Berlin

Unvergessen ist auch das Jahr 2011, als Ai Weiwei seinen „Tree“ in der Galerie Neugerriemschneider zeigte – der Künstler selbst war vier Wochen zuvor verschwunden, verhaftet von der chinesischen Polizei, ohne, dass jemand seinen Aufenthaltsort wusste. Die knorrige, aus Wurzeln toter Bäume kombinierte Skulptur, die wie ein großer Geist ebendieser Bäume wirkte, schaffte es nur dank Ais Assistenten nach Berlin.

Überhaupt, Geister: Man muss bei einem Rückblick auch der Galerien gedenken, die hervorragende Arbeit leisteten, aber die es aus verschiedenen Gründen trotz Gallery Weekend nicht mehr gibt. Etwa die von Martin Klosterfelde, in dessen Altbauwohnung an der Potsdamer Straße John Bock gespenstisch Türen auf- und zuschlagen ließ. Oder die auf Konzeptkunst spezialisierte Galerie Zak Branicka, die 2013 die Videokunst-Pionierin Valie Export zeigte, die inzwischen von Powerseller Thaddaeus Ropac in Salzburg, London und Paris vertreten wird.

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Oder die aus Köln übersiedelte und aus dem deutschen Kunstmarkt nicht wegzudenkende Johnen Galerie, deren Künstlerstamm später von der Galeristin Esther Schipper übernommen wurde. 2012 zeigte sie den Vorjahres-Turnerpreisträger Martin Boyce, der die Galerie in ein eckig-elegantes Spukhaus mit Skulpturen in Form von Tisch und Lampen verwandelte, als würden die verblichenen Akteure der Moderne gleich zurückkehren.

Vielleicht ist genau das die Magie des Gallery Weekend Berlin: Es zelebriert den Augenblick, die Erfahrung von Kunst vor Ort und die Begegnungen mit Menschen voller Neugier und Offenheit – egal, was auf der Welt gerade geschieht. Und das ist wirklich ein Grund zum Feiern.

Das Gallery Weekend Berlin findet zum 20. Mal vom 26. bis 28. April 2024 statt.

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