Monday, May 20, 2024

So wird der „Tatort“: Der beste Schweizer Sonntagabendkrimi aller Zeiten

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Wenn man manchmal so durch den Zoo schlendert, beginnt man bald zu zweifeln, auf welcher Seite der Absperrungen sich eigentlich die wilden Tiere befinden. Und es fällt einem, je länger man schlendert, auf, dass es den angeblich wilden Tieren hinter den Scheiben so ähnlich zu gehen scheint mit den Zweifeln.

„Eingesperrte, gierige Affen“, heißt es im neuen Zürcher „Tatort“, „das sind wir Menschen.“ Der heißt „Von Affen und Menschen“, der „Tatort“, der Satz, fällt, als natürlich selbst dem letzten Zuschauer längst klar ist, dass es sich tatsächlich so verhält. Aber das macht nichts. „Von Affen und Menschen“ ist der wahrscheinlich beste Schweizer „Tatort“ aller Zeiten.

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Um die Mechanik dieses mondsüchtigen Irrsinns zu begreifen, darf man, was man zumindest in der ersten Dreiviertelstunde auf gar keinen Fall tun darf, mit den Gedanken nirgendwohin abschweifen. Da liegt Kommissarin Tessa Ott, punkiger Spross der bestem Goldküstengesellschaft an der Seite ihres drogenabhängigen Lebenspartners auf dem Sofa, und im Fernseher läuft – sie kann nicht schlafen – ein Kunstfilm. „Der Lauf der Dinge“ heißt er.

Er stammt von den Schweizern Peter Fischli und David Weiss, war einer der Hits der documenta 8, gehört zum Bestand des New Yorker MoMA und des Centre Pompidou. Man sieht da eine Art Kettenreaktion. Ein Ball rollt, dann pufft es und knallt, ein Ereignis löst ein andres aus. Wie einen Hitchcock-Film gucken mit Sachen statt Menschen, sei das, hat der „Independent“ geschrieben.

Carol Schuler als Kommissarin Tessa Ott am Tatort im Affengehege

Carol Schuler als Kommissarin Tessa Ott am Tatort im Affengehege
Quelle: SRF/Sava Hlavacek

Für „Von Affen und Menschen“ haben die beiden Zürcher „Tatort“-Stammautoren Lorenz Langenegger und Stefan Brunner beim Deutschen Fernsehkrimifestival völlig zu Recht den Drehbuchpreis bekommen. Sie taten dazu Hitchcock und Fischli/Weiss in einen Mixer, das halbe Gesamtwerk der Coen-Brüder und die ganze „Unglaubliche Entführung der verrückten Mrs. Stone“ samt einer Prise „The Equalizer“.

Gestärkt von diesem nicht sehr veganen Zaubertrank (die Basis von allem ist Blut von Affen und von Menschen) schickten sie ihre Kommissarinnen, die wilde Großbürgertochter Tessa Ott und die elegante Kleinbürgertochter Isabelle Grandjean, dahin, wo die beiden eigentlich ständig unterwegs sind – in die Abgründe der spätkapitalistischen Raubtiergesellschaft, die anscheinend so spätkapitalistisch und raubtierhaft nirgends ist wie in Zürich.

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Es ist Vollmond überm See. Man hört Geräusche wie im Dschungel, Brüllaffen singen, irgendwas klickt und klackt und knackst immer (für den Soundtrack sollte „Von Affen und Menschen“ auch einen Preis bekommen). Im Menschenaffengehege liegt Tembo in seinem Blut. Übersät mit Stichwunden. Affen machen sowas nicht. Das muss an dem einen Prozent des Genpools liegen, das Affen von Menschen unterscheidet.

Tembo sollte der Botschafter des neuen Kongo-Affenhauses sein, auf dessen ersten Spatenstich sich die so spendierfreudige wie korrupte Zürcher Hautevolee wegen der in Aussicht stehenden Kaltgetränke sehr freut. Man sieht einen schwergewichtigen Mann mit Augenklappe, wie er mit allerlei Handwerkszeug hantiert wie weiland Denzel Washington als Equalizer im Baumarkt, bis er eine Nagelpistole in der Hand hat.

Dann tanzt ein Mann mit einem Gipsarm aus der Zürcher Notfallstation, singt „Money makes the world go round“. Dann schießt ihn der Pirat mit der Pistole ab. Es geht ruhig los. Dann sterben die Menschen wie die Tore fielen 2014 im WM-Halbfinale gegen Brasilien. Und man ist schon geneigt, so verblüfft wie weiland Béla Réthy nach dem 3:0 von Toni Kroos „Was ist denn hier los“ zu fragen. Kommt aber nicht dazu.

Loosli der Loser

Weil man verzückt und verzweifelt versucht, eine Kausalität in die Explosionen und Verpuffungen zu bringen, die einem – inszeniert von Michael Schaerer – da gerade in der ersten Dreiviertelstunde vorgeführt werden. Der Pirat wird auf der Toilette von Nicole niedergestreckt, die aussieht wie eine Schweizer Schwester der Cindy von Marzahn (oder der verrückten Mrs. Stone).

Die wiederum steht kurze Zeit später in der eleganten Wohnung ihrer Zwillingsschwester Aileen, die mittels eines Schneeballsystems hunderte Menschen in die Pleite gebracht hat. Was man allerdings erst erfährt, nachdem Nicole verblutet in einer Badewanne liegt, während Aileen vor einem Spiegel übt, wie es ist, Nicole zu sein.

Ein Mann verfolgt sie, der durchaus sprechend Loosli heißt, ein Opfer des Geschäftsmodells der Aileen ist und ein ausgemachter Trottel (wie Judge Reinhold bei „Mrs. Stone“). Max „der Loser“ Loosli entführt Aileen aus einem Krankenhaus mit seinem Moped in eine Fischerhütte. Oder ist es Nicole?

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Haben wir was vergessen? Ach ja. Um korrupte Parteipolitik geht es auch noch, um den aufhaltsamen Aufstieg einer Staatsanwältin, die vor einem Spiegel übt, wie es ist, eine Karrierestufe höher gekommen zu sein, um Blutdiamanten, die Schlaflosigkeit und den problematischen Beziehungsstatus der Kommissarinnen, der im Durcheinandertal dieses Falles ausnahmsweise gar nicht so auffällt.

Dazwischen schweben magisch Elefanten schwerelos durchs Wasser, und Gorillas schütteln den Kopf. Und man fragt sich, ob man nicht mit dem Prozent vom Genpool, das einen Menschenaffen vom Menschen unterscheidet, vielleicht glücklicher wäre. Glücklicher als mit diesem „Tatort“ ist man am Sonntagabend jedenfalls schon lange nicht mehr geworden.

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