Er war eines der größten Talente der DDR. Einer, der es wie Matthias Sammer (56) oder Ulf Kirsten (57) ganz nach oben hätte schaffen können. Er spielte in der Jugend-Nationalmannschaft und im Nachwuchs von Rot-Weiß Erfurt. Doch Marcus Urban (52) entschied sich gegen die große Karriere – und für die Freiheit. Mit Anfang 20 beendete er seine Laufbahn. Aufgrund seiner Homosexualität, wie er sagt.
2007 hatte er dann sein Coming-out. Er war der erste deutsche Fußballer, der sich öffentlich zu seiner Homosexualität bekannte. Seit jenem Tag kämpft er dafür, dass Gleichgesinnte den Mut haben können, seinem Beispiel zu folgen. Ohne sich – wie er damals – zwischen Sport und Liebe entscheiden zu müssen.
„Versteckspiel ging nicht mehr“
Urban, der bis 2003 Schneider hieß, erklärte in der BILD AM SONNTAG: „Das war schon sehr traurig damals. Der Fußball war alles für mich. Ich war richtig gut und unglaublich ehrgeizig. Ganz ehrlich: Ich hätte so lange trainiert, bis ich Weltmeister werde. Ich habe da auch fest dran geglaubt, war überzeugt: Es ist nur eine Frage der Zeit. Aber: Das Versteckspiel ging irgendwann nicht mehr. Ich war nicht frei.“
An jenem Tag fasste er einen Entschluss: Er werde alles dafür tun, die Freiheit, die er damals nicht hatte und die schwule Fußballprofis auch heute noch immer nicht hätten, allen zu ermöglichen. „Die Gedanken sind denen ähnlich, die ich als Fußballer hatte: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir alle gemeinsam gewinnen. Kein Athlet sollte im Verborgenen leben müssen“, so Urban. „Wir müssen uns auch fragen: In welcher Sportwelt wollen wir leben? Wollen wir Profifußballer mit Doppelleben oder wollen wir authentische Menschen?“
Coming-out am 17. Mai 2024?
Das Schwierigste, selbst für einen offen schwulen Ex-Kicker wie ihn: mit homosexuellen Fußballern in Kontakt zu kommen. Urban: „Auch jetzt habe ich nur über Informanten Kontakt zu den Spielern. Es ist Wahnsinn, was für eine Angst herrscht. Die Männer haben Sorge, dass direkt in den Medien und den Vereinen über ihre sexuelle Orientierung spekuliert wird.“
Der Ex-Fußballer hofft auf die Kraft und die Sicherheit einer Gruppe, hat daher die Kampagne „Sports Free“ ins Leben gerufen, die sich zur Aufgabe macht, einen sicheren und stärkenden Raum für Athleten zu schaffen. Um die Arbeit finanzieren zu können, setzt er auf Crowdfunding und Hilfe aus dem Profisport. „Dortmund hat spontan diese Woche 20.000 Euro zugesagt“, so Urban. „Unterstützung wird es auch vom VfB Stuttgart und Union Berlin geben.“
Wann wird es das erste Coming-out eines aktiven Fußballers in Deutschland geben? „Ich bin mit einigen über Informanten in Kontakt“, meinte Urban. „Wir sind viele. Es wird ein Gruppen-Coming-out geben, wenn die Zeit dafür reif ist.“
Das erste Angebot dafür gibt es von „Sports Free“ am 17. Mai 2024. Urban: „Der 17. Mai ist der internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit.“
Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) verfasst und zuerst in BILD AM SONNTAG veröffentlicht.
