Schon jetzt braucht es jährlich 100 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt, um die Rentenversicherung vor dem Zusammenbruch zu retten. Und wenn in den nächsten Jahren Millionen Babyboomer den Arbeitsmarkt verlassen, wird noch mehr Geld nötig sein – bezahlen wird dafür die junge Generation.
Umso problematischer ist, dass das durchschnittliche Renteneintrittsalter nicht mehr steigt, wie das lange Zeit der Fall war, sondern leicht fällt. Nach Einführung der abschlagsfreien Rente mit 63 darf das niemanden verwundern. Und nun zeigen neue Zahlen des Statistischen Bundesamts: Ausgerechnet im öffentlichen Dienst, wo Beamte im Alter finanziell abgesichert sind, passiert das Gegenteil von dem, was die Ampel erreichen will. Nämlich Arbeitnehmer länger im Berufsleben zu halten. Nur 21 Prozent der Pensionäre erreichten 2021 die gesetzliche Regelaltersgrenze.
Klar ist, dass für viele ein höheres Rentenalter nicht funktionieren wird – ob im öffentlichen Dienst oder in der freien Wirtschaft. Ranghohe Polizisten oder Soldaten nach 45 Berufsjahren in die Amtsstuben zum Aktenstempeln abschieben, kann nicht die Lösung sein.
Und auch, dass die meisten Dachdecker nicht mit 73 Jahren noch auf der Baustelle schuften werden, steht außer Frage. Körperlich anstrengende Berufe werden gerne angeführt, wenn Gewerkschaften gegen ein höheres Rentenalter protestieren. Da endet dann aber auch schon die Argumentationskette.
Dabei zeigt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey: Rund zwei Drittel der über 50-Jährigen können sich vorstellen, im Rentenalter weiterhin zu arbeiten. Und nach einer Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft spielt für viele Rentner, die heute schon länger arbeiten, nicht das zusätzliche Einkommen die zentrale Rolle, sondern der eigene Antrieb.
Menschen gehen häufiger früh in Rente – Scholz will gegensteuern
Immer mehr Menschen in Deutschland gehen vorzeitig in Rente. Die ohnehin unter Arbeitskräftemangel leidende Wirtschaft stellt das vor zusätzliche Probleme. Bundeskanzler Scholz will dem entgegenwirken.
Quelle: WELT
Mit Zwang, Drohungen, Steuern und Abgaben, die weltweit mit am höchsten sind, wird aber keine Wende gelingen. Stattdessen braucht es Förderung und Anreize; die Älteren müssen mehr als Chance und weniger als Last begriffen werden.
Flexibilisierung des Eintrittsalters und Entbürokratisierung sind nur ein erster Schritt. Individuell angepasste Arbeitsverhältnisse, gezielte Weiterbildungen, Telearbeit oder auch die Eingliederung in soziale Projekte sollten eher Regel anstatt Ausnahme werden.
Naive Romantisierung hilft aber auch nicht weiter. Es muss sich schon finanziell lohnen, länger zu arbeiten. Niedrigere Steuern für Erwerbstätige jenseits des Rentenalters könnten eine Option sein. Schließlich zahlt jedes zusätzliche Arbeitsjahr ins Sozialsystem ein. Das Problem mit Rücksicht auf die eigene Wählerschaft auszublenden, kann jedenfalls nicht die Lösung sein.
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