Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat eindringlich zur Teilnahme an der Europawahl aufgerufen. „Angriffe auf unsere Demokratie gehen uns alle an“, sagte Scholz in seinem am Donnerstag veröffentlichten Video-Podcast „Kanzler Kompakt“. Er betonte: „Deswegen sehen wir nicht tatenlos zu, wenn Amtsträgerinnen, Wahlkämpfer oder Ehrenamtliche brutal angegriffen werden. Wenn Wahlplakate für die Europawahl zerstört werden.“ Eine Antwort, die jeder und jede geben könne, sei ganz einfach: „Wählen gehen!“
Der Kanzler verwies darauf, dass schon jetzt die Briefwahl für die Europawahl am 9. Juni beginne und erstmals auch die 16- und 17-Jährigen abstimmen können. „Meine Bitte auch an Sie und Euch: Macht mit!“, appellierte er und fügte hinzu: „Unser vereintes Europa ist zu kostbar, um es denen zu überlassen, die es kaputt machen wollen.“
SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil forderte angesichts der jüngsten Übergriffe ein deutlich entschiedeneres Vorgehen der Sicherheitsbehörden bei Wahlkampfveranstaltungen. „Ich erwarte von den Innenministern von Bund und Ländern, dass der Wahlkampf ausreichend abgesichert ist“, sagte Klingbeil der „Rheinischen Post“. „Es braucht mehr Polizeischutz für Veranstaltungen und konsequentes Vorgehen der Staatsanwaltschaften und Richter gegen die Täter.“
Zudem brauche es die Möglichkeit für Kommunalpolitiker, „Vorfälle zu melden, sodass die auch wirklich ernst genommen werden“. Zu oft würden Anfeindungen oder Bedrohungen nicht sorgfältig genug verfolgt. Es gebe eine Häufung von Angriffen auf Ehrenamtliche und Berufspolitiker. Gegen Gewalttäter müsse „knallhart durchgegriffen“ werden.
Ramelow für überparteiliche Plakatieraktionen
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sprach sich derweil für überparteiliche Plakataktionen gegen Gewalt und für Demokratie sowie Fairnessabkommen aus. „Die Angriffe sind Angriffe auf uns alle, und sie richten sich vor allem gegen jene, die sich für die Demokratie in den Wahlkampf begeben“, sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. „Dahinter steckt eine Verrohung, die genau diese Demokratie zerstören will. Man schlägt eine Person und will die Menschen einschüchtern, die sich für die Demokratie erkennbar machen.“
„Dagegen heißt es, zusammenzustehen“, sagte Ramelow weiter. „Mein Vorschlag wären deshalb gemeinsame Plakataktionen gegen Gewalt und für Demokratie. Fairnessabkommen aller demokratischen Parteien sollten das positiv begleiten.“ Gewalt gegen Menschen im Wahlkampf sei Ausdruck von Hass und Hetze und richte sich gegen eine liberale, offene und demokratische Gesellschaft. Dagegen müsse gelten: „Wehret den Zuständen!“
Die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, kritisierte derweil die Angriffe auf deutsche Politiker scharf. „Diese Versuche, unsere Demokratie zu untergraben und Angst zu schüren, sind äußerst ernst und besorgniserregend“, schrieb sie in einem Gastbeitrag für die RND-Zeitungen. „Es ist offenkundig, dass unsere gemeinsame Reaktion dem gewachsen sein muss.“
Am Dienstag war die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) nach Polizeiangaben in einer Bibliothek mit einem Beutel mit hartem Inhalt angegriffen worden. Die frühere Regierende Bürgermeisterin von Berlin und ehemalige Bundesfamilienministerin wurde am Kopf und am Nacken getroffen und begab sich zur ambulanten Behandlung der Kopf- sowie Nackenschmerzen in ein Krankenhaus.
In Dresden war in der vergangenen Woche der sächsische SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke niedergeschlagen und schwer verletzt worden. Zuvor soll die verantwortliche Gruppe einen 28-Jährigen angegriffen haben, der für die Grünen Wahlplakate anbrachte. Am Dienstagabend erklärte die Polizei Sachsen, eine Grünen-Politikerin sei in der sächsischen Landeshauptstadt bedroht und bespuckt worden.