Er hatte sich darauf vorbereitet. Luke Littler wusste offenbar, was da am 13. Spieltag der PDC Darts Premier League auf ihn zukommen würde. Als unmittelbar vor seinem Gang auf die Bühne in Liverpool die ersten Buhrufe des Publikums erklangen, grinste er und zeigte seine Hände in die Kamera: die linke mit erhobenem Zeige- und Mittelfinger, was allerdings nicht als Friedenszeichen oder Victory-Symbolik zu verstehen war, denn die rechte direkt daneben war zur Faust geballt: 2:0.
Ein Ergebnis als Retourkutsche für die Schmähungen der Fans. 2:0 – oder besser 0:2. Mit diesem Ergebnis hatte der FC Liverpool am Abend zuvor das Stadtderby gegen den FC Everton verloren und damit wohl auch seine letzte Chance auf die Meisterschaft verspielt. Eine passende Replik Littlers, waren die Buh-Rufe doch weniger seinem Spiel oder Verhalten am Dartboard, sondern vielmehr seinen Sympathien im Fußball geschuldet. Der 17-Jährige ist glühender Fan von Manchester United, dem großen Rivalen des Klubs von Jürgen Klopp.
Anders als United ist der junge Engländer in der Premier League seines Sports maximal erfolgreich. „The Nuke“ gewann nach seinem 6:3-Auftaktsieg gegen Price auch gegen Nathan Aspinall und Rob Cross und sicherte sich seinen dritten Tagessieg und damit auch die Tabellenführung.
Weitaus wichtiger für seine weitere Entwicklung: Erstmals in seiner Karriere musste sich der 17-Jährige in Liverpool mit großen Antipathien gegen seine Person auseinandersetzen. Im Halbfinale gegen Aspinall lag er bereits 2:5 hinten und rettete sich trotz vier Matchdarts seines Gegners und dem andauernden Kampf mit dem Publikum in den Decider. Die Fans jubelten ihm nur dann zu, wenn seine Pfeile die Triple-Felder verfehlten. Ausgelassene Checkouts wurden hämisch gefeiert. Ansonsten immer wieder Buh-Rufe und Pfiffe gegen den Teenager.
Littler übersteht fünf Matchdarts
Littler reagierte mit zunehmender Dauer des Abends immer intensiver auf die Provokationen, animierte die Zuschauer mit Gesten zum Weitermachen oder legte nach erfolgreichen Aufnahmen den Zeigefinger auf die Lippen. Littler spielte an diesem Abend nicht nur gegen die besten Spieler der Welt, sondern auch gegen die Halle.
Nach seinem Check auf Tops zum 5:5 baute er sich vor dem Publikum auf und legte die Hände an den Ohren. Die Botschaft: Auch eure Buhrufe können mich nicht vom Siegen abhalten. Nach seinem Sieg, als er im Decider auch den fünften Matchdart Aspinalls überlebt hatte, zeichnete sich Genugtuung auf seinem hochroten Gesicht ab. „Für Littler-Verhältnisse eigentlich unfassbar, was er da abgeliefert hat. So viele Emotionen hat er teilweise über ein gesamtes Turnier nicht gezeigt“, sagte Experte Robert Marijanovic bei DAZN.
Sportlich sollte er allerdings keine Probleme mehr bekommen. Als er im Endspiel gegen Cross zum 5:0 checkte, hatte er seinem Gegner im gesamten Match gerade mal einen Dart auf ein Doppelfeld gestattet. 6:2 hieß es am Ende, ermöglicht durch einen Average von 105,32 Punkten. Eine beeindruckende Leistung in einer für Littler völlig neuen Situation. Wayne Mardle, Experte im britischen TV, brachte es auf den Punkt: „Luke Littler hat sich an diesem Abend verändert. Ich will nicht sagen, dass er heute zum Mann wurde, er ist immer noch 17. Aber es hat sich etwas verändert.“
Premier League, 13. Spieltag, Ergebnisse
Viertelfinale
Luke Littler – Gerwyn Price 6:3
Luke Humphries – Nathan Aspinall 2:6
Peter Wright – Michael van Gerwen 3:6
Michael Smith – Rob Cross 4:6
Halbfinale
Luke Littler – Nathan Aspinall 6:5
Michael van Gerwen – Rob Cross 2:6
Finale
Luke Littler – Rob Cross 6:2
Tabelle
1. Luke Littler, 31 Punkte
2. Luke Humphries, 26 Punkte
3. Nathan Aspinall, 25 Punkte
4. Michael van Gerwen, 24 Punkte
5. Michael Smith, 20 Punkte
6. Rob Cross, 14 Punkte
7. Gerwyn Price, 12 Punkte
8. Peter Wright, 4 Punkte
