Noch vor zwei Monaten sah alles nach einem mehr als erbaulichen Abschluss der Abschiedssaison aus. Jürgen Klopp hatte just mit dem FC Liverpool durch ein 1:0 über den FC Chelsea im Wembleystadion den Ligapokal gewonnen und damit den ersten von vier möglichen Titeln der aktuellen Spielzeit eingefahren. Bilder des auf dem Rückflug von London nach Liverpool schlafenden Trainers mit dem Pokal auf seinem Schoß gingen um die Welt. „In mehr als 20 Jahren ist das mit Abstand die wertvollste und speziellste Trophäe, die ich je gewonnen habe, absolut außergewöhnlich“, sagte Klopp rührselig.
Doch nun könnte jener Triumph vom 25. Februar 2024 der letzte in der Ära des Deutschen bei den Reds gewesen sein. Denn dem peinlichen Aus im Viertelfinale der Europa League gegen den italienischen Mittelklasseverein Atalanta Bergamo folgte nun auch ein herber Rückschlag im Kampf um die Meisterschaft.
0:2 verloren Klopps Männer im Merseyside-Derby beim Tabellen-16. FC Everton – und der Coach in Diensten der Engländer war entsprechend bedient: „Wir müssen in den Spiegel schauen und sehr kritisch mit uns sein. Unser Gegenpressing war furchtbar“, sagte der am Saisonende scheidende Klopp im englischen TV und fällte unter Bezugnahme des Namens der zweiten englischen Liga ein hartes Urteil: „Ich glaube, ein Championship-Team hätte nicht so gespielt wie wir.“
„Das fühlt sich ganz dreckig an, weil wir es haben geschehen lassen. Das war heute Abend nicht gut genug“, erklärte Klopp nach der ersten Liverpooler Pleite beim Stadtkonkurrenten seit 14 Jahren.
Klopp fordert „schnellsten Turnaround aller Zeiten“
Mit jener Form vom Mittwochabend dürfte es schwer werden, in der Premier League noch den Titel abzuräumen. Denn der FC Arsenal hat sich in der Tabelle mit nun 77 Zählern auf drei Punkte abgesetzt, Manchester City (72), das noch zwei Spiele mehr zu absolvieren hat als Liverpool, kann sogar komplett davonziehen. Deshalb empfahl Klopp, zunächst einmal das Minimalziel in den Fokus zu rücken. „Wir sollten uns erst einmal darum kümmern, in die Champions League zu kommen.“ Dafür benötige es „den schnellsten Turnaround aller Zeiten“.
Schon am Samstag (13.30 Uhr) folgt für Liverpool das Premier-League-Spiel bei West Ham United. Dass sich Klopp noch mit dem zweiten Meistertitel nach 2020 verabschieden kann, glaubt der 56-Jährige nach der jüngsten kleinen Krise allerdings kaum noch. „Wenn wir es jemals in der eigenen Hand hatten, dann haben wir es jetzt definitiv nicht mehr. City und Arsenal brauchen jetzt eine Krise, aber wenn man so spielt wie heute – wieso solltest du auch Meister werden?“
Da Klopp mit dem FC Liverpool bereits im März im prestigeträchtigen FA Cup im Viertelfinalduell mit Manchester United 3:4 unterlegen war, droht nun das schmucklose Ende einer Ära: Nach knapp neun Jahren hört der zwischenzeitlich wie ein Messias gefeierte Superstar unter den deutschen Trainern auf eigenen Wunsch hin in diesem Sommer auf.
Mit dem Gewinn der ersten Meisterschaft seit 30 Jahren für die Reds und dem Sieg in der Champions League 2019 hat er sich unsterblich im Klub gemacht, ein zweiter Titel wäre zum Abschluss aber auch möglich gewesen. Jetzt kaum noch.
