Friday, May 3, 2024

Vier Festnahmen in zwei Tagen: Jetzt gerät auch der AfD-Spitzenkandidat in den China-Sumpf

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Agenten versuchen traditionell, sich der öffentlichen Wahrnehmung zu entziehen. Doch bereits Anfang dieser Woche flogen gleich vier mutmaßliche Spione der chinesischen Geheimdienste auf, die forsch Kontakt zu Spitzenpolitikern, Geschäftsleuten und Wissenschaftlern gesucht hatten – und in Kauf nahmen, dabei selbst ins Rampenlicht zu geraten.

Am Dienstag nahm der Generalbundesanwalt (GBA) einen Mitarbeiter des AfD-Europaspitzenkandidaten Maximilian Krah fest. Laut Informationen von WELT hatten die Sicherheitsbehörden das Umfeld von Krah bereits seit mindestens einem Jahr wegen auffälliger Kontakte nach China im Blick. Es ist ein Fall von höchster politischer Brisanz: Denn dem Mitarbeiter, Jian G., wird vorgeworfen, Interna aus dem Betrieb des Europäischen Parlaments im Januar 2024 an die chinesischen Geheimdienste weitergegeben zu haben. Zudem spähte der deutsche Staatsbürger laut einer Mitteilung des GBA für Peking chinesische Oppositionelle in Deutschland aus.

G. war im April 2023 erstmals zum Gegenstand medialer Berichterstattung geworden. Das in Ungarn ansässige Magazin „The European Conservative“ thematisierte Vorwürfe, G. würde im EU-Parlament aggressiv für die Kommunistische Partei Chinas lobbyieren. Der damalige AfD-Politiker Nicolaus Fest sagte demnach, G. sei selten auf den Fluren des Parlaments zu sehen. „Niemand weiß, was er macht, niemand hat Kontakt mit ihm, niemand glaubt ernsthaft, dass er hier ist, um die Ziele der AfD voranzubringen.“

Auf diesem Foto, das Krah seinerzeit postete, ist G. neben ihm zu sehen

Auf diesem Foto, das Krah seinerzeit postete, ist G. neben ihm zu sehen
Quelle: Maximilian Krah/Facebook

Tatsächlich gehen die Ermittler in Karlsruhe davon aus, dass G.s Ansinnen vor allem darin bestand, Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen des Parlaments für den chinesischen Geheimdienst zu beschaffen. Womöglich bestand seine Anbindung an den chinesischen Sicherheitsapparat dabei bereits seit Jahren. Wie die ARD zuerst berichtete, soll G. sich vor rund zehn Jahren bei deutschen Behörden als Informant angeboten haben. Die Informationen deckt sich mit Hinweisen, die diese Zeitung erhielt. G. sei damals allerdings als unzuverlässig eingestuft worden. Es habe der Verdacht bestanden, dass er ein möglicher Doppelagent Chinas sei.

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Im Oktober 2023 verdichteten sich die Verdachtsmomente gegen G. Eine Recherche von „T-Online“ zeigte, dass Krah zusammen mit G. im November 2019 China bereiste. Dort stand demnach ein Treffen mit dem International Department of the Central Comittee of the Communist Party of China” (IDCPC) auf dem Programm. Das IDCPC wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz dem chinesischen Sicherheitsapparat zugerechnet. Der deutsche Nachrichtendienst warnte im Sommer 2023 auch öffentlich vor dem Gremium der Kommunistischen Partei. Das IDCPC agiere de facto wie ein Geheimdienst. Seine zentrale Aufgabe bestehe im Aufbau und Pflege von Kontakten zu Parteien und Abgeordneten. Ziel sei es, um Verständnis für „chinesische Werte“ zu werben und das deutsche China-Bild im Sinne der Kommunistischen Partei zu „korrigieren“.

Auch die Verbindungen zwischen Krah und G. könnten schon länger zurückreichen. Im Mai 2012 war Jian G. im Alter von 31 Jahren Geschäftsführer einer in Dresden ansässigen Handelsfirma für elektronische Waren geworden, die später unter Leudus GmbH firmierte. Gegenstand des Unternehmens war auch die „transkulturelle Kommunikation zwischen Deutschland und China bzw. Übersetzungsservice zwischen Deutsch und Chinesisch“. Im Handelsregister ist ein Abschluss aus dem Jahr 2016 hinterlegt, in dem G. sich als „Kaufmann“ bezeichnet. Den Posten als GmbH-Lenker legte er dann im September 2019 nieder. Der AfD-Europaabgeordnete Krah engagierte ihn danach als einen seiner fünf „Assistenten“.

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Krah lobte seinen „in China geborenen Mitarbeiter“ in einem Tweet überschwänglich: G. sei „deutscher Staatsbürger, AfD-Mitglied, er hat in Dresden studiert und spricht fließend Deutsch und Englisch.“

Quelle: X / Screenshot / WELT

Krahs Kollegen aus der Fraktion Identität & Demokratie, der die AfD angehört und mit denen WELT gesprochen hat, haben von dem Mitarbeiter Jian G. ein anderes Bild gewonnen. Ihnen kam der Deutsch-Chinese stets suspekt vor. Dieser sei selten im Parlament zu sehen gewesen, spreche nur ungenügend Deutsch sowie Englisch und verfüge über keine nachvollziehbaren Qualifikationen. „Manchmal hat man den Eindruck, dass Krah nicht seinen Assistenten steuert, sondern dass es umgekehrt ist“, sagte ein AfD-Politiker dieser Zeitung.

In deutschen Sicherheitskreisen wird seit Jahren hinter vorgehaltener Hand davor gewarnt, dass sich deutsche Politiker leichtgläubig für chinesische Zwecke einspannen ließen. Selten jedoch brachte der GBA derartige Fälle zur Anklage. Das ist wohl auch eine Ressourcenfrage. Die chinesischen Dienste gelten als geschickt, ihre Spionagetätigkeiten sind oft auf Jahre angelegt. Immer wieder, das erfuhr WELT aus Sicherheitskreisen, würden Ermittlungen eingestellt, wenn eine Verurteilung mit einem empfindlichen Strafmaß unwahrscheinlich sei. Stattdessen käme es vor, dass Aufenthaltsgenehmigungen von verdächtigen chinesischen Staatsbürgern entzogen würden.

Der Fall Jian G. ist nun aber der vierte hochkarätige Spionagefall mit China-Bezug in zwei Tagen, der wohl vor Gericht landen wird. Auffällig: Jedes Mal sollen die chinesischen Auftraggeber deutsche Staatsbürger angeworben haben. Krah zeigte sich am Dienstag von den Geschehnissen rund um seinen Angestellten überrascht: „Sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, würde dies die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses nach sich ziehen.“

Mutmaßliche Agenten umgaben sich mit Politikern und Unternehmern

Schon am Montag hatte der GBA in Bad Homburg und Düsseldorf drei mutmaßliche Agenten des chinesischen Geheimdienstes MSS festnehmen lassen. Das Ehepaar Ina und Herwig F. sowie ihr Vertrauter und Geschäftspartner Thomas R. sollen für Peking unter anderem Wissen über militärisch nutzbare Technologie beschafft haben. Dabei nutzten sie eine Firma, die auch immer wieder öffentlich in Erscheinung trat – mit anderen Unternehmen kooperierte und an Hochschulen Partnerschaften anbahnte.

Herwig F. ließ sich 2017 sogar neben dem NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst fotografieren, als der in Ostwestfalen einen Automobilteilhersteller besuchte, mit dem F.s Unternehmen offenbar zusammenarbeitete. Thomas R. teilte ein Jahr später bei einem China-Besuch auf einer Konferenz die Bühne mit Ex-SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz.

So wurde Thomas R. auf einer Konferenz in China vorgestellt. Laut dem Text hat er in den 1980er-Jahren in China studiert

So wurde Thomas R. auf einer Konferenz in China vorgestellt. Laut dem Text hat er in den 1980er-Jahren in China studiert
Quelle: WELT/Screenshot/lennartpfahler

Beide Männer gaben Interviews, die auf deutschen und chinesischen Internetseiten erschienen. Sie nutzten offenbar geschickt ihre vorgebliche Stellung als Experten für Zukunftstechnologien, um in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik Kontakte zu knüpfen. Das dadurch gewonnene Wissen versilberten sie – laut eines Berichts der „Bild“ sollen sie im Gegenzug für Informationen teils fünfstellige Beträge aus China erhalten haben.

Laut dem GBA schlossen die Eheleute F. über ihre Firma ein Kooperationsabkommen mit einer deutschen Universität zum Wissenschaftstransfer. Mehrere Hochschulen und Universitäten, die sie auf der mittlerweile abgeschalteten Internetseite ihrer Firma als Referenzen angegeben hatten, dementierten auf WELT-Anfrage allerdings ein Vertragsverhältnis mit der Firma, die offiziell in London ansässig ist: darunter die TU Dresden, die Ruhr-Uni Bochum und die RWTH Aachen.

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Handel mit China

Von der Universität ließen die Spione offenbar eine Studie zum Stand der Technik von Maschinenteilen erstellen, die für den Betrieb leistungsstarker Schiffsmotoren, etwa in Kampfschiffen, von Bedeutung sind. Die Finanzierung des Projekts erfolgte durch staatliche chinesische Stellen. Zum Zeitpunkt ihrer Festnahme waren die Verdächtigen gerade dabei, weitere Forschungsprojekte auszuhandeln, die offenbar dem „Ausbau insbesondere der maritimen Kampfkraft Chinas“ dienen sollten.

Außerdem hätten die Festgenommenen einen Speziallaser beschafft und diesen ohne Genehmigung nach China ausgeführt, obwohl das Instrument der EU-Dual-Use-Verordnung unterfalle – also nicht exportiert werden durfte, weil China es auch militärisch nutzen könnte.

Thomas R. scheint nicht nur in Deutschland unter Vortäuschung falscher Tatsachen aufgetreten zu sein. So wurde er auf im Internet aufrufbaren Ankündigungen in China mehrfach als Vertreter des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) vorgestellt. Auf Anfrage dementierte der Verband, dass R. für den BVMW gearbeitet habe. In den Jahren 2017 und 2018 reiste R. offenbar in die chinesische Stadt Jinan, wo bei einer Konferenz Kooperationsvereinbarungen zwischen deutschen und chinesischen Firmen geschlossen wurden. Im Rahmen einer Veranstaltung wurde er als ein Experte vorgestellt, der in den 80er-Jahren selbst in China studiert habe.

Zuletzt arbeitete R. nach eigenen Angaben auch für einen offenbar chinafreundlichen Wirtschaftsverband in Hongkong mit Außenstelle in Frankfurt. Bei Linkedin setzte er vor drei Wochen seinen letzten Beitrag ab: R. schrieb, während der Osterferien habe er in einem Podcast einen Satz gehört, der das Potenzial habe, seine neue Richtschnur zu werden. „Habe keine Angst, täglich große Dinge zu tun.“

Mitarbeit: Frederick Schindler

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