Kritik an Karl Lauterbachs Cannabis-Gesetz: „Das ist der größte Blödsinn, den ich je gehört habe“

Bisher fiel Karl Lauterbach (SPD) bei der geplanten Cannabis-Legalisierung mit vergleichsweise wenig Leidenschaft auf. Im Zuge der Verabschiedung des Gesetzes am Freitag gibt der Bundesgesundheitsminister jedoch auf den letzten Metern alles.

Aktuell würde man das Leben junger Menschen „zerstören“, weil man sie nicht vor dem Schwarzmarkt und dem Drogenhandel schütze, so Lauterbach mit aufgebrachter Stimme. „Wir haben diese Menschen offen ins Messer laufen lassen und bestrafen sie dann mit Vorstrafen, die ihr Leben vernichten können!“, ruft er ins Mikrofon.

Es könne daher nicht so weitergemacht werden wie bisher, man müsse sich den Problemen stellen. Lauterbach räumt ein, dass er als Mediziner lange selbst ein Gegner der Legalisierung gewesen sei, allerdings habe ihn „die Wissenschaft“ zum Umdenken bewegt. Mit dem Gesetz könne man nun den Schwarzmarkt bekämpfen und einen besseren Kinder- und Jugendschutz gewährleisten. Konkret sollen Konsum und Besitz von Cannabis bis zu einer gewissen Menge entkriminalisiert und der Anbau zu Hause sowie die Mitgliedschaft in einer Anbauvereinigung erlaubt werden.

Nach Lauterbachs Redebeitrag bricht im Plenum eine turbulente Debatte los, zwischendurch muss die Parlamentspräsidentin darum bitten, die Emotionen zu zügeln. Insbesondere die Unionsfraktion, die schon in den vergangenen Monaten lautstark gegen die geplante Cannabis-Freigabe protestiert hat, steigert sich nochmals in ihrer Rhetorik.

„Ich saß hier und war kurz vorm Platzen“, beginnt Tino Sorge (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, seinen Beitrag. „Das ist mit Abstand die absurdeste Rede zu dem Thema, die ich seit Langem gehört habe.“ Lauterbach behaupte „allen Ernstes“, dass man mit der Legalisierung weiterer Drogen den Konsum bei Kindern und Jugendlichen eindämmen werde. „Das ist der größte Blödsinn, den ich je gehört habe.“

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Lauterbach versucht ruhig zu bleiben, entgegnet: „,Blödsinn‘ ist kein Argument.“ Die Entwicklungen im US-Bundesstaat Colorado und Kanada zeigten, dass der Konsum bei Kindern und Jugendlichen nach einer Legalisierung nicht steige. Dies sei der Weg der Wissenschaft, dem man nun folge. CDU-Politiker Sorge polemisiere, so Lauterbach, „als wären wir im Studentenparlament“.

Unter Applaus der Ampel-Fraktionen ruft Sorge durch den Saal: „Was hat der Minister gegen Studentenparlamente?“ Und eine andere Stimme fragt: „Was hat er geraucht?“

„Wir geben das Hanf frei!“, ruft die Grüne

Grünen-Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther kontert, die Konservativen würden „Panik schüren“. Das Gesetz sei ein „Meilenstein der vernunftgeleiteten Drogenpolitik“ und stärke den Gesundheits- und Jugendschutz. „Wir geben das Hanf frei!“, ruft Kappert-Gonther in den Saal.

Der Satz ist bekannt geworden, nachdem der inzwischen verstorbene Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele diesen 2002 auf der Hanfparade ins Mikrofon rief und der TV-Moderator Stefan Raab anschließend einen gleichnamigen Song produzierte.

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Heike Baehrens, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, richtet ihre Worte indes direkt an die Cannabis-Konsumenten. „Wir sehen eure Probleme, und wir wissen um die Ungerechtigkeit, die ihr durch 50 Jahre Diskriminierung und Kriminalisierung erfahren habt“, so Baehrens. „Ich sage euch hier und heute ganz klar: Ihr seid für uns keine Kriminellen.“ Kristine Lütke, Drogenpolitikerin der FDP, betont mehrfach, die Legalisierung stärke die „individuelle Freiheit“.

Unterstützung für den Gesetzentwurf bekommt die Ampel von Abgeordneten der Linken. Mit der Entkriminalisierung mache man „einen enormen Schritt“, lobt der drogenpolitische Sprecher Ates Gürpinar – und hält dann eine Wutrede gegen die Union. „Betreutes Trinken ab 14 Jahren halten Sie für eine großartige Idee. Alkohol, Süßigkeiten und Kippen in jedem Supermarkt nebeneinander passt in Ihre Welt.“ Aber nun seien ausgerechnet durch die Cannabis-Legalisierung „unsere Kinder in Gefahr“, spottet Gürpinar. Die Ampel-Fraktionen klatschen begeistert.

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Doch dann nimmt Gürpinar auch diese ins Visier. Die Koalition sei „hasenfüßig“ geworden, aus einer umfassenden Legalisierung sei eine „bürokratische Entkriminalisierung“ geworden, kritisiert er. Die Hürden für die Anbauvereinigungen seien zu hoch, die Polizei werde belastet. „Und natürlich sind Sie im Bereich Aufklärung und Prävention weitgehend ein Totalausfall.“

Einhaltung des Zeitplans fraglich

Tatsächlich ist das Gesetz weit hinter den ursprünglichen Plänen der Ampel-Regierung zurückgeblieben. Eigentlich war vorgesehen, Anbau und Handel staatlich zu kontrollieren und den Verkauf von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften zu erlauben. Doch erst später wurde deutlich, dass der Plan gegen geltendes Recht der Europäischen Union und der Vereinten Nationen verstößt.

Das letzte Wort in der Bundestagsdebatte hat der CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger. „Sie versündigen sich an der Jugend unseres Landes!“, ruft er. Die Union werde im Fall einer künftigen Regierungsbeteiligung das Gesetz wieder rückgängig machen. „Bald ist Bubatz wieder illegal!“

Am Ende stimmen 407 Abgeordnete für das Gesetz, 226 dagegen, vier Abgeordnete enthalten sich. Von der SPD-Fraktion stimmen vier Abgeordnete mit Nein – deutlich weniger, als von den Kritikern im Vorfeld in Aussicht gestellt wurde. Von der FDP-Fraktion kommen eine Nein-Stimme und zwei Enthaltungen. Die Gruppe der Linke-Abgeordenten stimmt geschlossen mit Ja, von den zehn Mitgliedern des Bündnisses Sahra Wagenknecht stimmen fünf dafür.

Doch ob die Teil-Legalisierung tatsächlich pünktlich zum 1. April in Kraft treten kann, ist fraglich. Die Cannabis-Freigabe kann vom Bundesrat bei seiner nächsten Sitzung am 22. März ausgebremst werden. Dies wäre dann der Fall, wenn sich eine Mehrheit der Vertreter dazu entschließt, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Zuletzt hatten sich viele Innen- und Justizminister der Länder parteiübergreifend ablehnend gezeigt.

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