Deutschlands Maschinenbauer haben ein Personalproblem. „Wir könnten viel mehr produzieren, wenn bei den Unternehmen alle Arbeitsplätze besetzt wären“, sagt Karl Haeusgen, der Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).
Längst habe der Fachkräftemangel eine produktionsdämpfende Wirkung für die Branche. Die Kapazitätsauslastung liege daher aktuell nur bei 89 Prozent und damit einen Prozentpunkt niedriger als im Vorjahr. Dabei sind die Auftragsbücher derzeit prall gefüllt und reichen für mindestens zwölf Monate. Üblich sind eigentlich sechs bis acht Monate.
Zwar konnten die Maschinenbaufirmen ihre Belegschaften 2022 noch aufstocken. Um einen Prozent auf 1,019 Millionen ist die Zahl der Mitarbeiter gewachsen. Dabei ist die Branche der größte industrielle Arbeitgeber in Deutschland.
Weitere rund 14.000 Stellen sind nach Angaben des VDMA aber noch unbesetzt. Und laut einer aktuellen Blitzumfrage des Verbands spüren 97 Prozent der Betriebe deswegen Engpässe. Bei gut jedem zweiten der 623 befragten Unternehmen ergeben sich dabei merkliche Konsequenzen, bei einem Drittel der Betriebe sogar gravierende.
Gesucht werden dabei Mitarbeiter aller Qualifikationsniveaus. „Das beginnt bei Geringqualifizierten und endet bei Ingenieuren“, beschreibt der VDMA-Chef die Personalsuche. „Der Wettbewerb am Arbeitsmarkt ist mittlerweile hart.“
Haeusgen spricht von einem „regelrechten Verteilungskampf“ und fürchtet für die kommenden Monate und Jahre eine weitere Verschärfung, nicht zuletzt aufgrund der demografischen Entwicklung. Und die wird insbesondere den Maschinenbau hart treffen.
Denn die Alterspyramide hat sich deutlich verschoben in dieser für Deutschland so wichtigen Schlüsselindustrie, das zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. So waren 2005 lediglich 14,1 Prozent der Beschäftigten älter als 55 Jahre, 2020 lag diese Zahl schon bei 23 Prozent. „Die Babyboomer gehen in Rente“, beschreibt Thilo Brodtmann, der Hauptgeschäftsführer des VDMA. Der Bedarf werde also noch mal deutlich größer.
Lösungsansätze sieht der Branchenverband vornehmlich in zwei Bereichen. „Zum einen müssen wir das inländische Potenzial besser nutzen, also den Anteil von Frauen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen“, sagt Haeusgen. Und tatsächlich hat gerade der Maschinenbau offenbar ein großes Attraktivitätsproblem – oder aber zu hohe Zugangshürden.
Denn die Frauenquote liegt in der vornehmlich mittelständisch geprägten Branche bei gerade mal 16,9 Prozent. „Zweitens muss Zuwanderung besser organisiert werden“, fordert Haeusgen. Zwar habe das Fachkräfteeinwanderungsgesetz sowohl Einreise als auch Aufenthalt für eine Beschäftigung als Fachkraft erleichtert.
„Es gibt aber weiterhin eine große Achillesferse: das Verbot von privater Arbeitsvermittlung.“ Über diese beiden Ansätze hinaus sieht Haeusgen die Bemühungen vieler Unternehmen, die Arbeitsbedingungen deutlich zu verbessern, um damit attraktiver für die gesuchten Bewerber zu sein.
In seinem eigenen Unternehmen HAWE Hydraulik zum Beispiel gebe es in den Werkshallen neue Schallschutzdämmungen, um den Maschinenlärm zu dämpfen, dazu seien der Tageslichtanteil in den Hallen erhöht und die Arbeitsplätze ergonomischer gestaltet worden. „Bei uns muss sich niemand mehr bücken, um zum Beispiel Gussteile vom Boden zu heben.“
Und so verlieren die Unternehmen trotz dieser Zuspitzung beim Thema Arbeitskräfte nicht den Mut. Gleiches gilt für den Umgang mit der angespannten Konjunkturlage aufgrund des Ukraine-Krieges und der daraus folgenden Energiekrise. „Die Unternehmen haben zuletzt erneut gezeigt, dass sie widerstandsfähig und resilient sind“, meldet der VDMA bei der Vorlage der Jahresbilanz 2022 für den Maschinenbau.
Für 2023 erwartet die Branche ein Minus
„Wir glauben weiter an ein kleines Plus“, sagt Präsident Haeusgen. Zwar liege die Produktion im Zeitraum Januar bis Oktober noch mit real 0,4 Prozent im Minus. Für die vollen zwölf Monate soll unter dem Strich aber ein Wachstum von real einem Prozent stehen auf ein Produktionsvolumen in Höhe von 238 Milliarden Euro.
2023 indes dreht sich das Vorzeichen. Mit einem Minus von real zwei Prozent rechnen die VDMA-Volkswirte. Haeusgen zeigt sich dennoch zufrieden. „Das ist weniger als noch vor einigen Monaten befürchtet und es ist mit Sicherheit keine Krise“, sagt der Unternehmer. Gestützt wird diese Zuversicht auch von der Blitzumfrage. Danach nämlich zeigt sich fast jedes zweite Unternehmen zuversichtlich für das Gesamtjahr 2023.
Sorge bereitet der Branche allerdings die Entwicklung in China, dem nach den USA zweitgrößten Exportmarkt. Zuletzt hätten die deutschen Maschinenbauexporte in die Volksrepublik vor allem wegen der restriktiven Corona-Politik und der Krise der Bauwirtschaft an Schwung verloren.
In den ersten drei Quartalen gab es sogar ein Minus von 2,8 Prozent auf nur noch gut 14 Milliarden Euro bei den Ausfuhren nach China. Zum Vergleich: In den USA erhöhte sich das Geschäftsvolumen um fast 20 Prozent auf knapp 18 Milliarden Euro.
Und auch die übrigen Top-10-Exportziele liegen alle im Plus mit Ausnahme von Österreich, das auf Platz acht des Rankings steht. Das größte Minus mit fast 45 Prozent weist die Bilanz der ersten drei Quartale für Russland aus, das damit nur noch auf Platz 17 der wichtigsten Exportziele steht und absehbar auf den Top-20 ausscheiden wird. Aufrechterhalten werde dort lediglich noch Geschäft in humanitär wichtigen Bereichen wie Medizintechnik oder Landmaschinen.
Sorge in Sachen China gibt es aber nicht nur wegen der rückläufigen Ausfuhren. „Umgekehrt entwickeln sich die Importe weiterhin sehr dynamisch“, berichtet Haeusgen. „Als Konkurrent ist China hellwach.“ Längst sei die Volksrepublik Deutschlands wichtigster ausländischer Maschinenlieferant.
VDMA: Chinesischer Markt nicht ersetzbar
Der VDMA bemängelt dabei ungleiche Wettbewerbsbedingungen. So verfolge die Volksrepublik das Ziel, sich wirtschaftlich weiterzuentwickeln. Von der Politik werde dafür strategisch in das Wirtschaftsgeschehen eingegriffen zum Nachteil ausländischer Unternehmen.
Gleichwohl sei China als Markt weder kurz- noch mittelfristig ersetzbar, gibt Haeusgen zu. Instrumente zur Förderung der Exporte nach China dürften daher trotz der angekündigten Neubewertung des Verhältnisses seitens der Bundesregierung nicht abgeschafft werden.
Denn durch den Export dorthin würden vernünftig bezahlte und hoch qualifizierte Arbeitsplätze gesichert. „Klar ist aber, dass wir die Abhängigkeit verringern und dafür andere Staaten in Asien ins Visier nehmen müssen.“
Dafür müsse die Politik aber entsprechende Freihandelsabkommen mit Partnerländern in Asien schließen oder bereits ausverhandelte Verträge wie das Mercosur-Abkommen endlich ratifizieren.
„Alles auf Aktien“ ist der tägliche Börsen-Shot aus der WELT-Wirtschaftsredaktion. Jeden Morgen ab 5 Uhr mit den Finanzjournalisten von WELT. Für Börsen-Kenner und Einsteiger. Abonnieren Sie den Podcast bei Spotify, Apple Podcast, Amazon Music und Deezer. Oder direkt per RSS-Feed.