Der neue Chef ist so voller Tatendrang, dass er bereits vor seinem offiziell ersten Trainingstag loslegte. An diesem Montag startet der FC Bayern seine Vorbereitung auf die neue Saison, es stehen Leistungstests im Münchner Krankenhaus Barmherzige Brüder an. Vincent Kompany ist bereits seit Ende der vergangenen Woche fleißig: Der 38-Jährige sah beim Einzeltraining einiger Spieler an der Vereinszentrale an der Säbener Straße zu und stellte sich bei den Mitarbeitern des Klubs vor.
Mit dem Belgier will der deutsche Fußball-Rekordmeister eine neue Ära einleiten. Nach der ersten titellosen Spielzeit seit zwölf Jahren soll Kompany den Erfolg zurückbringen – und modernen und attraktiven Fußball spielen lassen. Der Nachfolger Thomas Tuchels hat einen Vertrag bis zum 30. Juni 2027 unterschrieben. Nach Julian Nagelsmann (21 Monate) und Tuchel (14 Monate) soll Kompany endlich wieder ein Trainer sein, der mittel- bis langfristig für die Mannschaft verantwortlich ist – und sie entwickelt.
„Wir wünschen uns auf dieser Position wieder mehr Kontinuität. Gemeinsam mit ihm wollen wir beim FC Bayern viel bewegen“, betonte Sportvorstand Max Eberl. Klubchef Jan-Christian Dreesen sagte: „Vincent Kompany steht für genau das Miteinander und den Teamgeist, den wir brauchen.“
Kompany hat gleich zum Start einen vollen Terminplan: Mittwoch steht das erste öffentliche Training an, dabei sein wird unter anderem Mittelfeldstar Leon Goretzka. Die Nationalspieler, die bei der Europameisterschaft und der Copa América im Einsatz waren, haben noch Urlaub. Am 22. Juli geht es ins Trainingslager an den Tegernsee, es folgen Testspiele und eine Asien-Reise. Das erste Pflichtspiel steigt am 16. August, in der ersten Runde des DFB-Pokals treten die Bayern beim Zweitliga-Aufsteiger SSV Ulm an. Eine Woche später steht ihr Bundesliga-Auftakt beim VfL Wolfsburg an.
Unter Kompany dürfte sich eines ändern. Er arbeitet eng mit Eberl zusammen, für den es die erste komplette Saison als Sportvorstand der Münchner ist. Bislang hat der Klub für die neue Saison rund 128 Millionen Euro für die drei namhaftesten der neuen Spieler ausgeben: Rechtsaußen Michael Olise kommt für 53 Millionen Euro von Crystal Palace, João Palinha für 51 Millionen Euro vom FC Fulham, Innenverteidiger Hiroki Ito für rund 24 Millionen Euro vom VfB Stuttgart.
FC Bayern interessiert sich für Xavi Simons
Weitere Zugänge werden folgen, unter anderem gilt der 19-jährige Mittelfeldspieler Desiré Doué von Stades Rennes als Kandidat. Auch ein Wechsel von Bayer Leverkusens Innenverteidiger Jonathan Tah ist im Gespräch. Zudem besteht an dem Niederländer Xavi Simons von RB Leipzig (geliehen von Paris St. Germain) und dessen spanischem Klubkollegen Dani Olmo Interesse.
Kaum war Tuchel weg, holten die Bayern seinen Wunschspieler Palhinha. Quasi mit einem Jahr Verspätung, im Sommer 2023 war der Transfer kurzfristig gescheitert. Jetzt ist sie endlich da, die „Holding six“. Und damit die große Frage: Wie geht es nun mit Joshua Kimmich weiter? Das Aufgebot der Bayern umfasst derzeit mehr als 30 Spieler, es dürfte noch Abgänge geben. Insbesondere in der Offensive kämpfen viele Spieler um die Plätze, vor allem auf den Außenpositionen: Leroy Sané, Serge Gnabry, Mathys Tel, Bryan Zaragoza, Kingsley Coman, nun auch noch Olise.
Außenverteidiger Alphonso Davies könnte die Bayern verlassen, die Forderungen des Kanadiers hinsichtlich einer Verlängerung seines bis 2025 gültigen Vertrags waren den Bayern zu heftig. Ein Gesamtpaket von wohl weit mehr als 50 Millionen Euro soll es nicht geben. Innenverteidiger Matthijs de Ligt wird vermutlich zu Manchester United wechseln.
Nicht nur personell, auch taktisch könnte sich unter Kompany einiges ändern. Es heißt, er, Eberl und Sportchef Christoph Freund hätten den Wunsch, die Bayern variabler zu machen. Die Mannschaft soll nicht nur das Spielsystem 4-2-3-1 mit den klassischen Flügelstürmern beherrschen, sondern auch eine Formation mit zwei „Zehnern“. Schlüsselspieler in der Offensive ist Jamal Musiala. In einem 4-1-4-1-System wäre Palinha der einzige „Sechser“. Im System mit zwei zentralen Mittelfeldspielern würde Kimmich mit Goretzka, Aleksandar Pavlovic und Konrad Laimer konkurrieren.
Es heißt, bei Bayern sehe man Kimmich künftig eher als Rechtsverteidiger – der Nationalspieler würde wohl lieber im Mittelfeld agieren. Kimmich ist derzeit mit seiner Familie im Urlaub, die Verpflichtung Kompanys war erst klar, als Kimmich bereits mit der Nationalelf in die EM-Vorbereitung gestartet war. Erst nach seinem Urlaub soll es ein ausführliches Gespräch zwischen dem neuen Trainer und dem Profi geben. Während der EM erschien eine ZDF-Dokumentation, in der Kimmich berichtete, wie während der Corona-Pandemie sein Vertrauen zum Verein gelitten habe. Dies bezog sich wohl vor allem auf die damaligen Klubbosse um Oliver Kahn. Kimmichs Vertrag gilt bis Sommer 2025.
An dem 29-Jährigen sind offenbar der FC Barcelona, Manchester City, der FC Liverpool und der FC Arsenal interessiert. Kimmichs Marktwert wird auf rund 50 Millionen Euro geschätzt. In diesem Sommer könnten die Bayern mit ihm noch Geld verdienen. Die Personalie ist heikel – mit Kimmich würde ein Führungsspieler wechseln. Bei der EM spielte Kimmich für Deutschland als Rechtsverteidiger, die Mannschaft schied im Viertelfinale gegen Spanien aus.
Kompany muss also wichtige Entscheidungen treffen. „Ich liebe es, den Ball zu haben, kreativ zu sein. Wir müssen auch aggressiv sein auf dem Platz und mutig“, so der neue Trainer. „Ich freue mich jetzt auf die ganz elementaren Dinge: Mit den Spielern zu arbeiten, ein Team zu bilden. Wenn die Basis steht, kommt auch der Erfolg.“