Es sollte eine Jahrhundert-Entscheidung für den Hamburg Hafen werden – doch nach mehrstündiger Debatte verhinderte ein in dieser Konstellation seltenes Bündnis von CDU, Linkspartei und AfD, dass sie an diesem Mittwoch getroffen wurde. Die drei Oppositionsparteien stoppten in der Hamburger Bürgerschaft einen Vertrag, mit dem der rot-grüne Senat der Hansestadt wesentliche Teile des zentralen Hafenumschlagsunternehmens, der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), an die Schweizer Großreederei MSC verkaufen will. Das Geschäft kann damit frühestens im September über die Bühne gehen.
In der zum Teil hitzig geführten Debatte um das „Herz des Hafens“, wie die HHLA in den vergangenen Wochen immer wieder bezeichnet wurde, warb die sozialdemokratische Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard vergebens um die Stimmen der Oppositionsparteien. Angesichts des widrigen Wettbewerbsumfelds, der Zentralisierung des Containerumschlags und der schwierigen wirtschaftlichen Lage der HHLA sei der rot-grüne Senat überzeugt, dass MSC als Partner für die HHLA „und für ihre Neuausrichtung sehr, sehr wertbringend für uns hier am Standort Hamburg sein“ könne, sagte Leonhard.
Sie verwies auf Investitionen von rund einer halben Milliarde Euro, die durch den Einstieg der Schweizer Reederei in die Modernisierung der wichtigsten Hafen-Terminals mobilisiert werden. Zudem garantiere der Vertrag mit der derzeit weltgrößten Containerreederei dringend notwendige Umschlagszuwächse an den Hamburger Kaikanten.
Tatsächlich kämpfen Hamburg und vor allem die den Umschlag hier dominierende HHLA seit Jahren vergeblich gegen den schleichenden Abstieg des Standorts. Im weltweiten Wettbewerb verlieren die Hanseaten seit Jahren Umschlagskapazitäten vor allem an die Konkurrenz in Rotterdam und Antwerpen. Umsatz, Gewinn und Aktienkurs der HHLA sanken kontinuierlich – und zwangen Hamburg, jedenfalls nach Einschätzung des rot-grünen Senats, zur Suche nach einem strategischen Partner.
Nach Angaben des Senats war MSC am Ende der einzige Kandidat, der auf zwei wesentliche Kernforderungen der Stadt eingegangen ist: dass Hamburg mit 50,1 Prozent der Mehrheitseigner bleibt und auch die weitreichenden Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmerschaft gewahrt werden. Andere mögliche Bewerber wie die ortsansässige Hapag-Lloyd seien auf diese Bedingungen nicht eingegangen.
„Blasen Sie den Deal ab“
Den Widerstand der Opposition konnten diese Argumente nicht aufweichen – allen zwischen Union, Linkspartei und AfD ansonsten auch an der Elbe gut gepflegten Brandmauern zum Trotz. Sprecher aller drei Parteien warfen dem Senat vor, mit dem Joint Venture ein schlechtes Geschäft zu machen. Ein Kritikpunkt, der von der Union betont wird, ist der Preis für die rund 19 Prozent der Aktien, die Hamburg direkt an MSC verkaufen will. Die 16,75 Euro, die die Stadt pro Aktie erhält, spiegeln aus Sicht der Union nicht den Wert des Unternehmens. Allerdings war der Aktienkurs des Unternehmens zum Zeitpunkt der Verhandlungen auf rund elf Euro gesunken.
Der Verkauf der Anteile sei „ein grundlegender Fehler“, schimpfte der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Götz Wiese. Der Senat führe „die Hamburgerinnen und Hamburger bewusst in die Irre“. Wiese forderte: „Blasen Sie den Deal ab.“ Insgesamt soll MSC durch weitere Zukäufe aus Streubesitz auf 49,9 Prozent der HHLA-Anteile kommen. Hamburg, das bisher 70 Prozent der Aktien hält, blieben 50,1 Prozent.
Union, Linkspartei und CDU kritisieren zudem, dass Hamburg sich mit dem vorliegenden Vertrag zu lange und zu stark an MSC binde. Ein erstes Kündigungsrecht gibt es nach 40 Jahren. Davor kann die Stadt sich nur von der Reederei als Partner trennen, wenn diese in erheblichem Maße Zusagen aus dem Vertrag nicht einhält, also beispielsweise selbst verschuldet deutlich weniger Ladung an den Containerterminals der HHLA umschlägt als zugesichert.
Die Reederei will ihr Ladungsaufkommen an den HHLA-Terminals von 2025 an erhöhen und bis 2031 auf eine Million Standardcontainer pro Jahr steigern. Außerdem hat sie zugesagt, in der Hafencity eine neue Deutschlandzentrale zu bauen. MSC und die Stadt gemeinsam wollen darüber hinaus unter anderem das Eigenkapital der HHLA um 450 Millionen Euro erhöhen.
Im Gegenzug soll MSC genauso viele Sitze im Aufsichtsrat und im Vorstand der HHLA erhalten, wie die Stadt besitzen wird. Wichtige Entscheidungen könnten die Partner dann nur gemeinsam treffen. Für den wirtschaftspolitischen Sprecher der Linkspartei, Norbert Hackbusch, war das Grund genug, dem Senat „Naivität“ vorzuwerfen. „Und Naivität ist tödlich“, so der Bürgerschaftsabgeordnete.
Die AfD wiederum war dem Senat vor, die Stadt mit dem MSC-Deal zu spalten. Wie die Linke beantragte die AfD eine Volksabstimmung über das Geschäft. Beide bekamen für diese Anträge keine Unterstützung von den anderen Parteien im Landesparlament.
Auch innerhalb von SPD und Grünen, die in Hamburg regieren, gibt es Kritik. Sie mündete an diesem Mittwoch darin, dass der ehemalige Landesvorsitzende und frühere Bürgermeisterkandidat der Sozialdemokraten, Mathias Petersen, bei der namentlichen Abstimmung gegen den Verkauf der stadteigenen Aktien stimmte. Am Ende fiel das Votum 71 zu 34 zugunsten des rot-grünen Senats aus – eine Mehrheit, die allerdings für ein sofortiges Inkrafttreten des Vertrags mit MSC nicht ausreicht.
Gewichtige Entscheidungen können in der Hamburgischen Bürgerschaft nur in zwei Lesungen getroffen werden. Und CDU, Linke, AfD sowie mehrere fraktionslose Abgeordnete verhinderten am Ende der Debatte genau diese zweite und damit finale Abstimmung. Sie kann frühestens im September wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden. Bis dahin liegen der Vertrag über den Verkauf der Hamburger HHLA-Anteile und damit die historische Entscheidung über die Zukunft des Hamburger Hafens erst einmal auf Eis.