Israel hat die umfangreichste Beschlagnahmung von Land im besetzten Westjordanland seit Jahrzehnten genehmigt. Eine Fläche von 1270 Hektar im Jordantal wurde im Juni von der für zivile Angelegenheiten im Westjordanland zuständigen Behörde zum „Staatsland“ erklärt, wie aus einem am Mittwoch veröffentlichten Dokument hervorgeht.
Nach Angaben der israelischen Organisation „Frieden Jetzt“, die sich gegen den Siedlungsbau im Westjordanland einsetzt, handelt es sich um die größte Ausweisung von Staatsland in dem Palästinensergebiet seit drei Jahrzehnten. Dies sei die umfangreichste Beschlagnahmung im Westjordanland seit den Oslo-Abkommen von 1993, erklärte die Organisation.
Zuletzt hatte Finanzminister Bezalel Smotrich im März die Beschlagnahmung von 800 Hektar verkündet, ebenfalls im Jordantal. Der Minister, der selbst in einer Siedlung im Westjordanland lebt, ist in der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auch für zivile Angelegenheiten im Westjordanland zuständig.
Kritik der Bundesregierung
Die Bundesregierung kritisierte die neue Beschlagnahmung mit deutlichen Worten. Es müssten „alle Schritte unterlassen werden, die einer Zweistaatenlösung entgegenstehen“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Mittwoch in Berlin. „Natürlich gehört dazu, dass ein passender Staat auch lebensfähig ist und insofern sind diese Schritte dann nicht hilfreich.“ Die Zweistaatenlösung sieht einen unabhängigen, mit Israel friedlich koexistierenden Palästinenserstaat vor.
Israel hatte das Westjordanland 1967 im Sechs-Tage-Krieg unter seine Kontrolle gebracht und besetzt. Die Oslo-Abkommen von 1993 hatten den Palästinensern eine autonome Verwaltung im Westjordanland und im Gazastreifen übertragen.
Israel zog sich 2005 vollständig aus dem Gazastreifen zurück. Im Westjordanland errichtete es jedoch trotz internationaler Proteste in den vergangenen Jahrzehnten Dutzende Siedlungen, die von der UNO als völkerrechtswidrig eingestuft werden. Mittlerweile leben im Westjordanland neben rund drei Millionen Palästinensern auch mehr als 490.000 Israelis.