Am 30. November 2023 versteigerte das Auktionshaus Grisebach in Berlin ein kleines Skizzenbuch von Caspar David Friedrich, das seit 200 Jahren in Familienbesitz war. Der Hammer fiel im Rahmen des Schätzpreises bei 1,45 Millionen Euro, der Verkaufspreis lag zuzüglich der bei Versteigerungen üblichen „Aufgelder“ bei 1,8 Millionen Euro. Ein gutes Geschäft für das Auktionshaus wie für den Einlieferer, sollte man meinen. Ja, wenn es auch zum Verkauf gekommen wäre.
Doch das Geschäft ist geplatzt – mit Ansage: Vor der Versteigerung hatte der Auktionator dem Publikum im Saal verkünden müssen, dass die Berliner Behörden kurzfristig ein Verfahren zur Eintragung des sogenannten „Karlsruher Skizzenbuchs von 1804“ in die offizielle Liste der national wertvollen Kulturgüter eingeleitet hatten.
Schon diese hastige Amtshandlung könnte Einfluss auf die Preisentwicklung in der Auktion gehabt haben, sie hat womöglich den Eifer konkurrierender Bieter gebremst. Denn Kunstgegenstände, die unter das im Jahr 2016 nach langen Kontroversen zwischen der zuständigen Staatsministerin für Kultur und Medien (damals Monika Grütters) und dem Kunsthandel verabschiedete Kulturgutschutzgesetz fallen, dürfen nicht außer Landes gebracht werden.
Grisebach und der Kunsthandel sind verunsichert
Nach einem halben Jahr diskreter Prüfung wurde in der vergangenen Woche bekannt, dass dieser gesetzliche Schutz nun greift und das kleine Skizzenbuch Friedrichs – kein berühmtes Gemälde wie „Abtei im Eichwald“ oder „Das Eismeer“ – endgültig in die Liste für das kulturelle Erbe identitätsstiftender und schützenswerter Güter eingetragen worden ist.
Die Geschäftsführerin des Auktionshauses Grisebach sei darüber nicht einmal informiert worden. Sie zeigt sich nicht nur wegen der verlorenen Provisionen, sondern vorrangig wegen der Auswirkungen auf den deutschen Auktionsmarkt erschüttert: „Diejenigen, die sich unsicher sind, ob sie etwas von womöglich nationalem Interesse verkaufen wollen, werden sich sehr gut überlegen, ob sie das in Deutschland tun“, sagte Diandra Donecker in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Damit werde der „Kunstmarktstandort nachhaltig beschädigt“.
Dem Eigentümer des Skizzenbuchs ist jedenfalls ein wirtschaftlicher Schaden entstanden. Für den Versuch eines neuerlichen Verkaufs ist er nun auf den deutschen Markt beschränkt. Laut Donecker plant der Eigentümer juristisch gegen die Entscheidung der Kulturgutschutzbehörden vorzugehen. Es könnte ein Präzedenzfall werden.
Mit allzu willkürlichen Eingriffen in private Eigentumsrechte und der intransparenten Eintragung in die Listen wird auch der Grundgedanke des Kulturgutschutzes beschädigt, vor allem wenn eine vermeintlich nationale Bedeutung überbeansprucht wird. Im Fall des „Karlsruher Skizzenbuchs“ wäre der Käufer ein „großes Museum aus dem angelsächsischen Raum“ gewesen.
Die Kladde hätte also die kunstwissenschaftliche Forschung bereichern können, Caspar David Friedrichs Zeichnungskunst mehr internationale Aufmerksamkeit bekommen. Nun muss das Büchlein auf immer in Deutschland bleiben, wo der Romantiker im Jubiläumsjahr seines 250. Geburtstags schon bis zum Überdruss gefeiert wird.