Ottmar Hitzfeld war der letzte und bislang einzige Trainer, der Borussia Dortmund zum Titel in der Champions League führte. 1997 gewann der BVB unter seiner Leitung das Finale in München 3:1 gegen Juventus Turin. Nun stehen die Westfalen erneut im Endspiel, sie treffen Samstag im Londoner Wembleystadion auf Real Madrid. Hitzfeld wird allerdings nicht vor Ort sein, der 75-Jährige schaut sich die Partie im heimischen Lörrach mit seiner Frau Beatrix im Fernsehen an.
Frage: Herr Hitzfeld, warum reisen Sie nicht nach London?
Hitzfeld: Ich meide mittlerweile solch gewaltige Menschen-Ansammlungen. Da fühle ich mich unwohl. Klar, wenn man erst einmal auf der Tribüne sitzt, ist das großartig. Aber die Anreise und das ganze Drumherum wären mir einfach zu stressig. Da ist es im eigenen Wohnzimmer doch viel gemütlicher und entspannter.
Frage: Trauen Sie der Borussia zu, Ihren Erfolg nach 27 Jahren endlich zu wiederholen?
Hitzfeld: Ich würde es dem Verein und allen Dortmundern wirklich von Herzen wünschen. Die Mentalität und die Menschen im Ruhrgebiet, die den Fußball so sehr lieben und leben, hätten diesen Triumph absolut verdient.
Frage: Wie sehen Sie die Chancen?
Hitzfeld: Real Madrid ist sicherlich der klare Favorit, aber das war Paris im Halbfinale auch schon. Borussia hat in der Champions League bislang eindrucksvoll bewiesen, wie viel Qualität in dieser Mannschaft steckt. Auch wenn ihr Auftreten in der Bundesliga in der abgelaufenen Saison ziemlich enttäuschend war.
Frage: Wie sind diese zwei Gesichter möglich?
Hitzfeld: Sieht so aus, als hätte der BVB in der Meisterschaft relativ früh abgeschenkt, um sich voll auf die Champions League zu konzentrieren. Vielleicht war es ja ein cleverer Schachzug. Doch im Ernst – als die erneute Qualifikation für das internationale Geschäft feststand, war es ohnehin nicht mehr ausschlagend, ob es in der Bundesliga Platz vier oder fünf wird. Da zählte für alle nur noch die Königsklasse.
Frage: Hätten Sie der Borussia den Endspieleinzug zugetraut?
Hitzfeld: Nein, eher den Bayern – da bin ich ehrlich. Aber jetzt hat Dortmund nichts mehr zu verlieren, kann also nur noch gewinnen. Das ist eine echte Chance. Der Druck für Real Madrid ist ungleich größer. Eine spannende Konstellation.
Frage: Haben Sie Trainer Edin Terzic schon alles Gute gewünscht?
Hitzfeld: Mit solchen Dingen halte ich mich zurück. Er wird garantiert jede Menge gut gemeinter Ratschläge und Nachrichten bekommen. Da braucht er von mir keine zusätzliche Aufmunterung. Er weiß auch so, was er zu tun hat.
Frage: Terzic kann mit einem Finalsieg gegen Real ein neues Kapitel Fußballgeschichte schreiben. Wie ist Ihr Eindruck von ihm?
Hitzfeld: Ich kenne Edin Terzic nur flüchtig. Aber sein Auftreten an der Seitenlinie gefällt mir. Er wirkt ehrlich und authentisch. Er scheint gut zum BVB zu passen. Mit einem Erfolg über Madrid könnte er sich in Dortmund unsterblich machen.
Frage: Genau wie Marco Reus, wenn er nach seinem letzten Spiel die Borussia den großen Pokal gewinnen würde.
Hitzfeld: Keine Frage, das wäre eine tolle Geschichte, wie sie eben nur der Fußball schreibt.
Frage: Hand aufs Herz – gäb es nicht doch einen kleinen Stich, wenn Terzic am Samstagabend ihren bislang einmaligen Erfolg kopieren könnte?
Hitzfeld: Auf gar keinen Fall! Ich würde mich unglaublich darüber freuen. Meine Jahre in Dortmund gehören zu den schönsten in meinem Leben. Natürlich war auch die Zeit bei Bayern München prägend und eindrucksvoll. Aber der Fußball im Pott ist auf seine Art und Weise trotzdem irgendwie noch intensiver. Weil die Fans dort für ihren Verein das letzte Hemd und sogar mehr geben. Sie würden vor Stolz platzen, wenn es mit dem erneuten Finalsieg klappt.
Das Interview wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) geführt und zuerst in BILD veröffentlicht.