Das FDP-Präsidium hat am Montag ein Fünf-Punkte-Papier für eine „generationengerechte Haushaltspolitik“ verabschiedet. Darin wird erneut die Abschaffung der Rente mit 63 und eine Reform des Bürgergeldes gefordert. „Die Rente mit 63 wie das Bürgergeld in seiner jetzigen Ausgestaltung setzen Fehlanreize, die wir uns nicht leisten können“, heißt es in dem Beschluss, dessen Entwurf bereits am Sonntag bekannt geworden war. Auch Entlastungen bei Bürokratie und Steuern seien notwendig. Der Bundesetat müsse ein „Entlastungshaushalt sein, der unsere Betriebe und Fachkräfte stärkt“.
In der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP wird seit Wochen über die Aufstellung des Bundeshaushalts für 2025 gestritten. Mehrere Ministerien wie Auswärtiges Amt, Arbeitsministerium und Entwicklungshilfeministerium überschreiten mit ihren Ausgabenplänen die von Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner vorgegebenen Obergrenzen. In der zurückliegenden Woche hatte Lindner daher einen Kabinettsbeschluss zum zweiten Rentenpaket blockiert.
Politiker von SPD und Grünen kritisierten den Fünf-Punkte-Plan bereits vor dessen Verabschiedung. Die Angriffe der FDP wie auch der Union auf die Rente seien „zu einem ermüdenden Ritual geworden“, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert dem „Tagesspiegel“. Die geltenden Regeln des Rentenrechts abzuschaffen, „wäre für Millionen Beschäftigte eine Rentenkürzung“, sagte er.
„Dann wird man irgendwann zum Sams“, sagt Kühnert
Auch im ZDF kritisierte Kühnert den Vorstoß der FDP. Er gehe „ganz fest“ davon aus, dass das Bundeskabinett das Rentenpaket II der Ampel-Koalition noch im Mai und den Haushaltsplan 2025 im Juli beschließen werde. „Aber dafür sollten sich jetzt alle mit der Sache beschäftigen und weniger Punkte-Papiere veröffentlichen“, fügte er hinzu. „Wenn man ganz viele Wunschpunkte in Papiere schreibt, dann wird man irgendwann zum Sams, aber man macht keine Politik“, sagte der SPD-Politiker unter Verweis auf eine Kinderbuchfigur. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und SPD-Parteichefin Saskia Esken lehnten Einschnitte für Rentner ab.
Vizekanzler Robert Habeck forderte SPD und FDP auf, ihren Streit über die Rentenpolitik beizulegen. Der Grünen-Politiker hat kein Verständnis für die Debatte: „Ich wundere mich – und das Verwundern kommt daher, dass wir eigentlich eine Lösung haben“, sagte Habeck den Sendern RTL und ntv. „Wir haben ein Rentenpaket, das haben sich SPD und FDP im Kern ausgedacht. Beide haben ihre Wünsche bekommen.“
Seine Partei halte sich in der Debatte deshalb zurück – die Grünen stünden im Streit um das Rentenpaket „über den Dingen“, betonte der Bundeswirtschaftsminister. Gemeinsam mit Scholz und Lindner werde er „dann auch bald hoffentlich Lösungen präsentieren“, sagte Habeck. „Insofern eigentlich ist alles auf dem Weg. Ich glaube, wir sollten den Streit schnell sein lassen.“
Das Arbeitsministerium von Hubertus Heil (SPD) und Lindners Finanzministerium hatten sich im März auf das sogenannte Rentenpaket II geeinigt, das unter anderem das Rentenniveau für die Zeit nach 2025 bis zum Jahr 2039 auf 48 Prozent festschreiben soll. Die Beiträge sollen mittelfristig steigen, bis 2035 auf 22,3 Prozent. Aus den Reihen der Liberalen gibt es jedoch seit Längerem Forderungen nach Nachbesserungen. Die FDP-Fraktion im Bundestag hatte angekündigt, dem Rentenpaket in der jetzigen Form im Bundestag nicht zuzustimmen.
Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz kritisierte im „Tagesspiegel“ die FDP-Forderung nach Einhaltung der Schuldenbremse 2025. „In Zeiten, in denen unsere Freiheit von einem aggressiven Russland und Extremisten aller Couleur so unter Druck gesetzt wird wie derzeit, muss man Gewissheiten auf den Prüfstand stellen – auch die Schuldenbremse in ihrer derzeitigen Form“, sagte er.
Mit Blick auf notwendige Investitionen in die Bundeswehr, Polizei und Cybersicherheit sagte er, es gehe es „um sehr grundsätzliche Fragen für unser Gemeinwesen“ und nicht um Investitionen, von denen es schön wäre, sie machen zu können.
Auch die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, will nicht an der abschlagsfreien Rente nach 45 Versicherungsjahren rütteln. „Ich sehe an dieser Stelle überhaupt keinen Spielraum“, sagte Mast am Montagmorgen im Deutschlandfunk. Hier gehe es zumeist um Menschen, die bereits mit 16 oder 17 ins Berufsleben eingestiegen seien. „Die haben unseren Respekt verdient“, betonte Mast. Deshalb werde man die sogenannte „Rente mit 63“ beibehalten.
Die Sozialdemokraten würden nicht zulassen, dass die FDP „Rentenkürzungen und Einschnitte beim sozialen Zusammenhalt“ zum Gegenstand der Haushaltsverhandlungen mache, sagte auch SPD-Fraktionsvize Achim Post. „Das Letzte, was unser Land in dieser schweren Zeit braucht, ist eine Schrumpfkur beim sozialen Zusammenhalt.“
Im Juli soll der Haushalt stehen
Somit geht der Koalitionsstreit über den Bundesetat für das Jahr 2025 weiter. Es ist bekannt, dass mehrere Ministerien die strengen Sparvorgaben von Finanzminister Christian Lindner (FDP) nicht einhalten wollen und Mehrbedarfe anmeldeten. Scholz hofft auf eine Einigung bis Juli, also noch vor der parlamentarischen Sommerpause.
Das machte er am Samstagabend bei einer Talkrunde des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) in Potsdam deutlich. Dort sprach er sich auch gegen Einschnitte für Rentner aus. „Auf deren Kosten sollte das nicht gehen“, sagte Scholz. Er betonte zudem: „Für mich ist ganz klar, dass eine Sache für unser Land wichtig ist, nämlich, dass wir den sozialen Zusammenhalt nicht infrage stellen.“
Unterdessen warnte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) noch einmal vor zu großen Einsparungen im Etat ihres Hauses. Im Entwicklungsbereich sei schon sehr stark gekürzt worden, sagte sie am Sonntagabend im ARD-„Bericht aus Berlin“.
„Für die Sicherheit, die wir in Deutschland brauchen, brauchen wir militärische Sicherheit, wir brauchen die Diplomatie, wir brauchen aber auch die Entwicklungszusammenarbeit“, sagte sie. „Wir können uns aus dieser Verantwortung nicht zurückziehen, wenn uns die Sicherheit in Deutschland wichtig ist. Und die ist uns wichtig, und deswegen gehört die Entwicklungspolitik ganz zentral mit dazu.“
So hatte etwa FDP-Vize Wolfgang Kubicki hier Kürzungen gefordert. „Im Entwicklungshilfe-Etat würde ich massiv sparen. Weil es zunächst darauf ankommt, die deutsche Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen, erst dann können wir anderen Ländern helfen“, sagte er der WELT AM SONNTAG. Angemeldet hat das Haus von Ministerin Schulze knapp 12,2 Milliarden Euro. Laut aktueller Finanzplanung solle der Etat auf rund 10,3 Milliarden Euro sinken.