Kurz nachdem Maria Corina Machado in einer Video-Schalte mit Mitgliedern des US-Kongresses gesprochen hatte, brach auf den Straßen des venezolanischen Bundesstaates Miranda der „bolivarische Zorn“ aus. Regierungsnahe paramilitärische Schlägertrupps warfen nach Angaben des Portals „Monitoreamos“ bei einem anschließenden Wahlkampfauftritt Machados Steine auf die Bühne und attackierten Anhänger der Oppositionspolitikerin. Einige Personen wurden verletzt, die Scheiben von Machados Fahrzeug gingen zu Bruch. Sie selbst blieb unverletzt.
Diese gezielten Angriffe sollen der 56-Jährigen und ihren Leuten Angst machen, ebenso wie jüngste Verhaftungen von Mitgliedern ihres Teams. Erst vor wenigen Tagen erklärte das linksextreme Regime von Präsident Nicolás Maduro und Parteichef Diosdado Cabello, der „bolivarische Zorn“ sei wieder in den Straßen präsent. Eine unverhohlene Aufforderung an die gefürchteten Colectivos, regierungsnahe Schlägerbanden, in den Reihen der Opposition Angst und Schrecken zu verbreiten.
Die Lage ist angespannt. In Venezuela sollen in diesem Jahr Präsidentschaftswahlen stattfinden. Die Opposition nominierte mit einer beeindruckend hohen Vorwahlbeteiligung die bürgerlich-konservative Maria Corina Machado als gemeinsame Kandidatin. Umfragen sagen ihr einen klaren Sieg voraus. Doch die dem Maduro-Regime nahestehende Justiz untersagte Machado die Kandidatur.
Längst ist der Fall keine venezolanische Angelegenheit mehr, sondern von globalem Interesse. Bleibt Maduro sechs weitere Jahre an der Macht, droht mitten im US-Wahlkampf eine weiterer Massenexodus verzweifelter Venezolaner in Richtung Nordamerika. Für die Biden-Regierung wäre das ein großes Problem, zumal Rivale Donald Trump Migration zum Wahlkampfthema machen wird.
Die USA und die Europäische Union drängen darauf, Machados Kandidatur und damit freie Wahlen zuzulassen und ein zwischen Regierung und Opposition in Barbados geschlossenes Abkommen einzuhalten, das genau das zum Ziel hatte. Maduro aber hat sich entschlossen, seine Rivalen auf dem Wahlzettel selbst auszusuchen: „Die Vereinigten Staaten, Europa, die imperialen Zentren, wollen uns einen Präsidenten aufzwingen. Nicht mit Venezuela, das können sie woanders machen, nicht hier“, sagte Maduro vor wenigen Tagen.
Acht Millionen Venezolaner sind geflohen
Die Sozialisten haben in 25 Jahren an der Macht das Land heruntergewirtschaftet, acht Millionen Menschen, also ein Viertel der Bevölkerung, sind bereits geflohen. Der Internationale Strafgerichtshof ermittelt gegen Maduro wegen schwerer Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Allein im vergangenen Jahr durchquerten 500.000 Venezolaner den Dschungel zwischen Kolumbien und Panama und gelangten schließlich an die US-Grenze.
Das republikanisch regierte Texas setzte daraufhin Tausende von ihnen in Busse und ließ sie in demokratisch regierte Städte wie New York bringen. Die Botschaft: Die Biden-Regierung lasse die Grenzen offen, also sollten die demokratisch regierten Kommunen selbst mit den von ihrer Partei verursachten Problemen klarkommen. Auch wenn das in dieser Einfachheit nicht stimmt, bringt es die Demokraten in die Defensive und beschert dem voraussichtlichen republikanischen Kandidaten Trump Rückenwind.
An einem Wahlsieg Trumps wiederum hat Russland ein Interesse, denn die Republikaner stemmen sich gegen die Ukraine-Hilfe der USA. Und Venezuelas wichtigster Verbündeter ist Moskau. Trumps Anwälte nutzen wiederum den Fall Machado, um eine Parallele zur US-Justiz zu ziehen und vergleichen die Versuche einiger Bundesstaaten, Trumps Kandidatur zu verbieten, mit der in Venezuela. Doch im Unterschied zu Trump kämpft Machado in Venezuela gegen Autokratie und die Einschränkung demokratischer Grundrechte.
Auch für den lateinamerikanischen Kontinent insgesamt hat der Fall eine enorme Strahlkraft. Die Causa Machado wird für die demokratischen linksgerichteten Präsidenten Gustavo Petro (Kolumbien), Luiz Inacio Lula da Silva (Brasilien), Gabriel Boric (Chile) und Manuel Lopez Obrador (Mexiko) zur Zerreißprobe. Lassen Sie Maduro fallen, wird der linksfundamentalistische Teil ihrer Basis das als Verrat empfinden.
Tragen sie dazu bei, dass Maduro an der Macht bleibt, werden auch sie sich auf einen schwer zu kontrollierenden neuen Massenexodus aus Venezuela einstellen müssen. Schon jetzt löst die Millionenflucht innenpolitische Krisen in der Nachbarschaft aus. Bislang hatte aber nur der Chilene Boric den Mut, sich offen für freie Wahlen in Venezuela einzusetzen.
Die US-Regierung versucht derweil, auf Kolumbiens Präsident Gustavo Petro einzuwirken, in der Krise zu vermitteln. Auch die Linksdiktaturen Kuba und Nicaragua verfolgen die Entwicklung genau. Nichts fürchten die dortigen Machthaber so sehr wie eine erfolgreiche friedliche, demokratische Revolution in Venezuela.
Von Washington aus versuchen US-Kongressabgeordnete, Machado Mut zuzusprechen. „Danke, dass Sie nicht gegangen sind, dass Sie geblieben sind. Gott segne Sie. (…) Wir sind weder Republikaner noch Demokraten, wenn es um das Streben Venezuelas nach Freiheit geht“, sagte die republikanische Abgeordnete Maria Elvira Salazar bei dem Treffen.
US-Regierung setzt Maduro eine Frist
Die Biden-Regierung setzte Caracas eine Frist bis Ende April, um Machado zur Wahl zuzulassen. „Das Vorgehen von Nicolás Maduro in Venezuela, einschließlich der Verhaftung von Oppositionellen und des Verbots der Teilnahme an den diesjährigen Präsidentschaftswahlen, steht nicht im Einklang mit den in Barbados unterzeichneten Vereinbarungen“, heißt es aus dem US-Außenministerium.
Die Lizenz, die Washington nach dem Abkommen zwischen Regierung und Opposition auf Barbados dem venezolanischen Öl– und Gassektor erteilt hatte, läuft am 18. April aus. Kleine zwischenzeitliche ausgesetzte Sanktionen wurden wieder in Kraft gesetzt.
Machado selbst stellt sich nach den Drohungen und Attacken sowie den Verhaftungen von Mitstreitern auf schwierige Wochen ein. Und doch ist sie entschlossen, ihren Weg weiterzugehen. „Wir sind heute geeint und haben es geschafft, Venezuela aufzuwecken. Es ist uns gelungen, die oppositionellen Kräfte zu vereinen. Wir wissen, dass uns jetzt der schwierigste Teil bevorsteht“, sagte Machado bei der virtuellen Konferenz mit dem US-Kongress. „Es warten auf uns noch härtere Zeiten, aber diese Kraft der Bewegung wächst und dieser Kampf wird bis zum Ende geführt.“
Ein Kampf, der nicht nur Venezuela etwas angeht.