Es soll bayerische Ministerpräsidenten gegeben habe, die sich im heimischen Keller mit ihrer groß und raffiniert angelegten elektrischen Eisenbahn entspannt haben. Aufregender war das Eisenbahnthema allerdings in den Jahren seiner frühen Entwicklung. Die erste Eisenbahn fuhr, wie hätte es anders sein können, 1825 in England, der Geburtsstätte der industriellen Revolution. Der ungeahnte Nutzen für den Güterverkehr zeichnete sich ab.
Neben dem Wohl für eine profitable Infrastruktur besann man sich irgendwann auch auf die Segnungen für den Personenverkehr. Das Faszinosum Eisenbahn nahm seinen Lauf. Man baute nach geopolitischen Maßgaben, strategisch mal mehr, mal weniger geschickt und erfreute sich an den beständig zunehmenden technischen Neuerungen.
Unter dem Regime Ferdinands I. etwa, Spross des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha, seit 1887 gewählter Fürst, von 1908 bis 1918 Zar der noch jungen Monarchie Bulgarien wurde die bestehende Zugstrecke von Konstantinopel über Plowdiv und Sofia bis an die serbische Grenze verlängert. Hinzu kam der Bau der 110 Kilometer langen Strecke zwischen Yambol und der Hafenstadt Burgas am Schwarzen Meer, die nach nur einem Jahr Bauzeit am 14. Mai 1890 mit entsprechend großem Bahnhof eröffnet wurde.
Technik war Foxy Ferdies Ding
Ferdinand, der von seinem Umfeld auch als Foxy Ferdie bezeichnet wurde (wobei „foxy“ je nach Sichtweise sowohl mit listig als auch mit sexy übersetzt werden kann) dachte nicht nur strategisch und wirtschaftspolitisch, er war schlicht ein Aficionado. Technik war sein Ding, reisen und diesbezüglich zeitgemäße Fortbewegung ebenso.
Am allerliebsten war ihm, wenn er im Führerhaus der Lokomotive stand und über die Schienen brauste. Zum Schrecken der Mitreisenden in den Waggons, deren Sicherheitsbedürfnis und Vorstellung von effizienter aber komfortabler Fortbewegung nicht zu seinen Anliegen gehörte. Angeblich soll der deutsche Kaiser Wilhelm II. sehr dezidiert darauf geachtet haben, dass der bulgarische Zar auf gemeinsamen Fahrten von der Lokomotive ferngehalten wurde.
Dass ein Zar keine Urkunde benötigte, um einen Zug durch sein Land zu steuern, hielt Ferdinand sicherlich für einen Aspekt allgemein verständlicher höfischer Gepflogenheiten. Und dass ihm zum Anlass der zackigen Fertigstellung einer Bahnlinie eine Goldmedaille mit 90 Millimeter Durchmesser im bordeauxfarbenen Samtetui überreicht wurde, dürfte ihm gefallen, ihn aber nicht sonderlich überrascht haben.
Er ließ eine zweite, etwas kleinere Goldmedaille für die Mama anfertigen. Während dieses Prunkstück jedoch verschollen ist, erbte die mit Albrecht Eugen Herzog von Württemberg verheiratete Enkelin Nadeshda die große Prägung nach Ferdinands Tod 1948 im wenig glamourösen Coburgischen Exil.
Das Münzauktionshaus Künker versteigert das mit einer Dampflok und dem Porträt des Zaren dekorierte Goldstück in Osnabrück (13. bis 15. November 2023). Der Schätzpreis liegt bei 50.000 Euro.