Die Deutschen blicken weniger pessimistisch auf den Winter als noch vor einem Jahr. Das hat eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Wirtschaftsauskunftei Schufa ergeben, die WELT AM SONNTAG exklusiv vorliegt.
Demnach gehen etwa zwei Drittel der Deutschen eher sorgenvoll in die Zukunft oder haben eine sehr große Angst davor. Vor einem Jahr lag dieser Wert noch bei drei Vierteln.
Im Herbst 2022 waren die Verbraucher in Deutschland wegen steigender Strompreise und hoher Forderungen der Energieanbieter für Abschlagszahlungen verunsichert und sahen sich zu Sparmaßnahmen gezwungen.
Im Frühjahr hellte sich die Stimmung wieder etwas auf. Seitdem ist sie weitestgehend gleich geblieben. Für die Umfrage wurden 1000 Verbraucher befragt.
Tatsächlich äußern nur noch 36 Prozent der Befragten, dass sie große oder sehr große Angst vor Engpässen bei der Öllieferung für Privathaushalte haben. Vor einem Jahr war es noch jeder Zweite.
Bei der Sorge vor mangelnder Gasversorgung fiel der Anteil von mehr als 60 Prozent auf gut 40 Prozent. Insgesamt befürchtet derzeit jeder zweite Verbraucher, dass es zu Problemen bei der Energieversorgung kommt. Im Herbst 2022 waren es gut 70 Prozent.
Gasspeicher praktisch voll
Vor einer Woche meldete der Gasspeicherverband GIE, dass die Speicher in Deutschland derzeit zu 100 Prozent gefüllt seien, was in etwa dem Bedarf für zwei bis drei durchschnittlich kalte Wintermonate entspricht.
Nach einer Analyse des Vergleichsportals Verivox sind die Ausgaben für Heizung, Strom und Sprit in den vergangenen zwölf Monaten um durchschnittlich 30 Prozent gesunken. „Neben den staatlichen Energiepreisbremsen sorgten vor allem deutliche Preisrückgänge auf den Rohstoffmärkten für Entlastung“, erklärte Thorsten Storck, Energieexperte bei Verivox.
Auch wenn es hier zu einer Erleichterung gekommen ist, bleibt die Zukunftsangst der Schufa-Umfrage zufolge auf hohem Niveau. Das gilt besonders für untere Einkommensgruppen. Fast drei Viertel der Menschen mit einem Haushaltsnettoeinkommen von weniger als 2000 Euro äußern sie.
Steigt das Haushaltsnettoeinkommen auf mehr als 4000 Euro, hat nur noch jeder zweite Befragte Sorge vor der Zukunft. Insbesondere die allgemeinen Preissteigerungen machen vielen zu schaffen.
Fast jeder zweite Verbraucher geht davon aus, dass die Teuerung weiter zunehmen wird. Nur jeder Zehnte rechnet damit, dass die Inflationsrate absehbar wieder sinkt. Im Februar lag dieser Wert noch bei fast 30 Prozent.
Trotzdem ist die Mehrheit mit ihrer finanziellen Situation zufrieden, auch wenn der Umfrage zufolge die Zahl der Haushalte mit Einkommenseinbußen gestiegen ist und immer mehr Menschen ihre Rücklagen aufgebraucht haben.
Mehr Menschen geraten in Zahlungsschwierigkeiten
Das zeigt sich auch an den Zahlungsschwierigkeiten. So haben zunehmend Menschen Probleme, ihre Miete oder Raten für ihren Immobilienkredit zu bezahlen. Der Anteil ist inzwischen auf acht Prozent gestiegen, im vergangenen Jahr lag er noch bei fünf Prozent.
Jeder fünfte Verbraucher leiht sich Geld bei Freunden oder Verwandten, jeder dritte hat in den vergangenen sechs Monaten Rechnungen später bezahlt. „Die finanzielle Situation ist weiterhin angespannt und hat sich sogar bei einem Teil der Bevölkerung weiter verschärft“, sagt Schufa-Vorstand Ole Schröder.
Die Menschen hätten ihr Konsumverhalten an die gestiegenen Preise angepasst, sie kauften schlicht weniger ein. „Unsere Umfrage zeigt aber auch, dass viele Menschen aktuell kein Geld zur Seite legen können, die Reserven weiter aufgebraucht sind und zunehmend finanzielle Unterstützung benötigt wird, um über die Runden zu kommen.“
Wegen hoher Zinsen und hoher Immobilienpreise sind sehr viele Menschen inzwischen auch beim Haus- und Wohnungskauf zurückhaltend. Nur noch ein knappes Drittel der Befragten hat nach eigenen Angaben einen Immobilienkredit.
Bei der Umfrage im Frühjahr lag dieser Wert bei 40 Prozent. Entsprechend nimmt auch der Anteil der Befragten zu, die Sorge haben, ihren Immobilienkredit künftig nicht mehr bedienen zu können. Jeder Dritte äußert diese Angst.
Das hält die Deutschen jedoch nicht davon ab, einen Konsumkredit beim Einkaufen aufzunehmen, der in der Branche als „Buy now, pay later“ bezeichnet wird.
Der Anteil steigt stetig, vor allem bei Online-Einkäufen. Mehr als ein Drittel der Menschen hat nach eigenen Angaben in den vergangenen sechs Monaten die Funktion „Später bezahlen“ genutzt.