In der Eigenwerbung vieler Konzerne stehen Nachhaltigkeit und insbesondere der Klimaschutz seit Jahren ganz weit oben auf der Agenda. Doch ausgerechnet bei der Frage, welche Bedeutung Klimaschutzziele für den Erfolg des eigenen Unternehmens tatsächlich haben, gehen die Meinungen zwischen den Vorstandsetagen und dem Rest der Belegschaft offensichtlich weit auseinander.
Das geht aus einer Umfrage der Unternehmens- und Personalberatung Russell Reynolds unter Führungskräften und Mitarbeitern in 105 Ländern hervor, die WELT AM SONNTAG exklusiv vorliegt.
Demnach sind rund zwei Drittel der weltweit befragten Vorstände und Führungskräfte davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit großen Einfluss auf den langfristigen Geschäftserfolg hat.
Offensichtlich gelingt es den Managern aber nicht, diese Botschaft überzeugend innerhalb des eigenen Unternehmens zu vermitteln: Der Umfrage zufolge ist nicht einmal jeder fünfte Mitarbeiter der Meinung, dass seine Firma durch Nachhaltigkeit wirklich erfolgreicher wird.
In Deutschland ist die Kluft zwischen Managern und Beschäftigten in der Nachhaltigkeitsfrage sogar besonders stark ausgeprägt. So sind 67 Prozent und damit mehr als zwei Drittel der deutschen Vorstände davon überzeugt, dass solche Ziele einen großen oder sogar sehr großen Einfluss auf den langfristigen Geschäftserfolg ihres Unternehmens haben.
Innerhalb der Belegschaften stimmen hingegen nur 18 Prozent dieser Aussage zu. Die Diskrepanz zwischen Chefs und Mitarbeitern ist in Deutschland damit weitaus größer als im weltweiten Vergleich.
Über alle 105 befragten Länder hinweg sind 44 Prozent der Manager der Auffassung, dass Nachhaltigkeitsziele ihr Unternehmen langfristig erfolgreicher machen. Unter den Beschäftigten weltweit liegt dieser Anteil bei 31 Prozent.
Vermittlungsproblem in Deutschland
Es gebe in Deutschland offenbar ein „Vermittlungsproblem“ zwischen dem Top-Management und der Mitarbeiterebene, konstatiert Max von der Planitz, Berater bei Russell Reynolds. Das Thema Nachhaltigkeit sei zwar auf der obersten Führungsebene angekommen und dort mittlerweile verankert, die Beschäftigten würden oft jedoch nicht ausreichend eingebunden, wenn es darum gehe, wie sich Nachhaltigkeitsziele und langfristiger Geschäftserfolg in Einklang bringen lassen.
„Dazu passt auch, dass in Deutschland die Mitarbeiter angeben, wenig zur Nachhaltigkeit ihres Unternehmens beitragen zu können. Man kann davon ausgehen, dass hier viel Potenzial brach liegt“, sagt der Personalberater.
Tatsächlich äußerten sich gerade deutsche Mitarbeiter besonders pessimistisch darüber, wirklich etwas zu den festgelegten Nachhaltigkeitszielen ihres Arbeitgebers beisteuern zu können. Gerade einmal 37 Prozent haben demnach das Gefühl, Einfluss auf die Ziele nehmen zu können.
Im weltweiten Vergleich liegt diese Zahl mit 55 Prozent deutlich höher. Dabei gäbe es grundsätzlich durchaus Möglichkeiten, innerhalb von Abteilungen wie etwa der IT, der Marketingabteilung oder im Bereich Personal Veränderungen anzustoßen, damit das eigene Unternehmen nachhaltiger wirtschaftet.
An der Motivation, einen Beitrag für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu leisten, mangelt es hingegen nicht: Der Umfrage zufolge gibt die Mehrheit der deutschen Mitarbeiter – insgesamt 53 Prozent – an, dabei helfen zu wollen, das eigene Unternehmen nachhaltiger zu machen.
Allerdings fehlen ganz offensichtlich klare Zielvorgaben und vor allem die Gelegenheit, mit der eigenen Führungskraft über das in der Eigenwerbung der Konzerne so wichtige Ziel zu sprechen.
Gerade einmal sechs Prozent der befragten deutschen Mitarbeiter gaben an, dass sie derartige Gespräche über das Top-Thema Nachhaltigkeit mit ihren Vorgesetzten regelmäßig führen können.