Sultan Ahmed al-Jaber hat viele einflussreiche Posten inne: Er ist Minister für Industrie und moderne Technologie der Vereinigten Arabischen Emirate, Chef des staatlichen Ölkonzerns ADNOC, Klimagesandter seines Landes und zugleich Präsident der bevorstehenden Weltklimakonferenz in Dubai (COP28).
Kritiker fragen sich, ob ein Vertreter der fossilen Industrie bei den UN-Verhandlungen die dringend notwendigen Beschlüsse zur Eindämmung der sich verschärfenden Klimakrise herbeiführen kann.
Dutzende Parlamentarier aus Europa und den USA kritisierten, al-Jabers Rolle in der Ölindustrie disqualifiziere ihn als Koordinator der internationalen Klimaverhandlungen. Hunderte Klimaschutzorganisationen riefen ihn bereits vor Monaten auf, entweder seinen Chefposten bei ADNOC oder den COP28-Vorsitz aufzugeben. Al-Jaber tat keins von beiden.
Der 50-Jährige versteht die Vorwürfe, er sei ein Trojanisches Pferd der Ölindustrie, nicht. „Die Leute, die mir einen Interessenkonflikt vorwerfen, kennen meinen Werdegang nicht“, sagte er der Nachrichtenagentur AFP im Juli. „Ich bin jemand, der sich den Großteil seiner Karriere mit Nachhaltigkeit beschäftigt hat.“
US-Senator sieht „„dunkle Wolke“ über der Klimakonferenz
Tatsächlich hat al-Jaber 2006 in den Emiraten Masdar, den Staatskonzern für erneuerbare Energien, gegründet. Als Chef von ADNOC ist er 2016 mit dem Auftrag angetreten, den Öl- und Gasriesen klimaneutral und zukunftsfest zu machen.
Dennoch: Durch Al-Jaber Präsidentschaft hänge eine „dunkle Wolke“ über der am 30. November beginnenden Weltklimakonferenz, sagt US-Senator Sheldon Whitehouse. Er hatte vergangenes Jahr in einem offenen Brief mit US- und europäischen Kollegen gefordert, dass die vielen Lobbyisten der Öl- und Gasindustrie von der COP28 ausgeschlossen werden müssten. Anlass waren al-Jabers Äußerungen, bei den Verhandlungen in Dubai kämen auch die Interessen der fossilen Industrie „auf den Tisch“.
Manche sehen in al-Jabers Doppelrolle jedoch eine Chance. Sie könne womöglich dazu beitragen, dass er die fast 200 Teilnehmerstaaten mit ihren widersprüchlichen Interessen zu einer Einigung führt, sagt ein europäischer Verhandler, der nicht namentlich genannt werden möchte.
Der Handlungsdruck ist hoch. Das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wird immer unrealistischer, das katastrophale Ausmaß der Klimakrise immer spürbarer. Al-Jaber will nach eigener Aussage dazu beitragen, das 1,5-Grad-Ziel „in Reichweite zu halten“. Er werde „mit allen zusammenarbeiten, einen Plan zu entwickeln, der erreichbar, umsetzbar, realistisch und pragmatisch ist und der echte Ergebnisse liefert“.
Dafür reiste al-Jaber um die Welt, besuchte in neun Monaten mehr als 25 Länder und führte zahlreiche Gespräche. Al-Jaber sei sehr „präsent“, sagt der kanadische Umweltminister Steven Guilbeault.
Der Emirati überzeugte auch einige Kritiker. „Er ist sehr direkt, er ist bereit zuzuhören“, sagt Harjeet Singh, COP-Veteran vom einflussreichen Climate Action Network, der AFP.
Bewerten lässt sich die Präsidentschaft erst an ihren Ergebnissen
Für Singh ist es entscheidend, dass al-Jaber im Sommer erklärte, es sei „unvermeidbar und wesentlich, die Nachfrage nach und die Förderung von allen fossilen Energieträgern herunterzufahren“. Der Klima-Aktivist stört sich allerdings daran, dass Lobbyisten dieser Branche weiter stark bei den UN-Klimaverhandlungen präsent sind und dass al-Jaber für die Abscheidung und Speicherung von CO₂ (CCS) als Klimaschutzmaßnahme wirbt, die allerdings auch von der Internationalen Energiebehörde IEA befürwortet wird. Auch die deutschen Grünen haben ihre Skepsis an CCS reduziert.
ADNOC setzte sich im Juli unter al-Jaber das Ziel, bis 2045 CO₂-neutral zu produzieren. Die Emissionen, die die ADNOC-Kunden beim Verbrennen der fossilen Brennstoffe verursachen, sind da allerdings nicht eingeschlossen.
Mit blütenweißer Weste erscheint al-Jaber also nicht bei der COP28. Wird er die zweiwöchigen Verhandlungen in Dubai trotzdem zum Erfolg führen und damit auch einen wichtigen Prestigegewinn für sein Land erringen?
Der frühere COP-Präsident Laurent Fabius verweist auf al-Jabers Arbeitseifer und genaue Sachkenntnis. Der anonyme europäische Verhandler kritisiert hingegen, dass al-Jaber „weniger proaktiv“ bei der Ausformulierung von Beschlüssen sei.
Manche befürchten, dass der COP-Präsident sich weniger auf große Durchbrüche, als auf zweitrangige UN-Beschlüsse sowie schlagzeilenträchtige Zusagen einzelner Staaten und Unternehmen am Rande der COP28 konzentriert. Bewerten lässt sich al-Jabers COP-Präsidentschaft erst, wenn er die Beschlüsse zum Ende der Weltklimakonferenz präsentiert.