Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kommt am 17. November zu einem Kurzbesuch nach Deutschland. Wie die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Freitag in Berlin mitteilte, ist ein gemeinsames Abendessen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundeskanzleramt geplant. Bei dem Gespräch gehe es um „die gesamte Bandbreite politischer Themen“, sagte sie.
Vor dem Treffen mit Scholz werde Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Erdogan empfangen. Am 18. November spielt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft um 20.45 Uhr im Berliner Olympiastadion gegen die Türkei.
Es ist der erste Besuch des Präsidenten in Deutschland seit 2020, als er an der Libyen-Konferenz der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) teilnahm. Scholz hatte den türkischen Staatschef nach dessen Wiederwahl zum Präsidenten im Mai dieses Jahres nach Deutschland eingeladen. Der Bundeskanzler war im März 2022 zu einem Antrittsbesuch in die Türkei gereist.
Der Besuch gilt vor allem wegen Erdogans Haltung zum Gaza-Krieg als heikel. Nach der Terrorattacke auf Israel mit mehr als 1400 Toten hatte Erdogan die islamistische Hamas als „Befreiungsorganisation“ bezeichnet. Die mit der Türkei in der Nato verbündeten USA und die EU stufen sie dagegen als Terrororganisation ein.
Als Folge des Gaza-Krieges hat Erdogan den Kontakt zum israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit den Worten abgebrochen: „Netanjahu ist für uns keine Art von Gesprächspartner mehr. Wir haben ihn gelöscht, wir haben ihn durchgestrichen.“ Bereits in der Vergangenheit hatte der türkische Präsident Israel wegen der Palästinenserpolitik als „terroristischen Staat“ bezeichnet und sich immer wieder als Verfechter der palästinensischen Sache inszeniert.
Auf einer Gedenkveranstaltung zum Todestag des Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk in Ankara warf Erdogan Israel angesichts des Kriegs gegen die palästinensische Hamas-Organisation im Gazastreifen Expansionismus vor. Israel versuche, „einen Staat aufzubauen, den es erst seit 75 Jahren gibt und dessen Legitimität durch den eigenen Faschismus fraglich geworden ist“, sagte er am Freitag. Angesichts der andauernden Bombardierungen des Gazastreifens durch Israel sprach Erdogan von „Faschismus“.
Israel habe sich „mit Gewalt das Land angeeignet, in dem das palästinensische Volk seit Tausenden von Jahren lebte“, sagte Erdogan weiter. Der türkische Präsident warf Israel außerdem vor, mit dem Einsatz von Atomwaffen zu drohen. Ohne dies näher zu erklären, fügte er hinzu, Israel habe die „Illusion eines gelobten Landes“. Dies sei aber ein „Wunschdenken“.
In Deutschland leben rund drei Millionen türkischstämmige Menschen
Andererseits ist die Türkei ein wichtiger Partner für die Bundesregierung. In Deutschland leben rund drei Millionen türkischstämmige Menschen, so viele wie nirgendwo sonst außerhalb der Türkei. Es gibt zudem enge Wirtschaftsbeziehungen. Deutsche Urlauber sind nach den Russen die zweitgrößte Touristengruppe in der Türkei.
Der Nato-Partner Türkei hat für Deutschland und die EU zudem eine wichtige Brückenfunktion in die islamische Welt. Das Land spielt auch bei der Steuerung der Zuwanderung nach Europa eine zentrale Rolle. In dem Gespräch zwischen Scholz und Erdogan dürfte es um die Wiederbelebung des EU-Türkei-Abkommens zur Unterbringung von Flüchtlingen in der Türkei gehen.
Erdogan legt sich aber immer wieder mit seinen Verbündeten in der Nato an. Mit Blick auf den Gaza-Krieg warf er westlichen Ländern Heuchelei vor und verurteilte Israels Vorgehen als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.
Die Bundesregierung hielt sich mit Kritik daran bisher zurück. Von einzelnen Koalitionspolitikern kamen dennoch klare Worte. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai etwa sagte: „Erdogans permanente Hassreden gegen Israel und seine Solidarität mit der Terrororganisation Hamas sind unerträglich. Das muss Konsequenzen haben und darf von der Bundesregierung nicht ignoriert werden.“
Auch in der Vergangenheit waren die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei häufig turbulent. 2017 hatte die Inhaftierung deutscher Staatsbürger das Verhältnis zwischen Berlin und Ankara schwer belastet. Ein Tiefpunkt war erreicht, als Erdogan die damalige Kanzlerin Merkel persönlich mit Nazi-Vergleichen attackierte.