Olaf Scholz (SPD) sieht Forderungen nach einer Rückkehr zur Wehrpflicht, um die Bundeswehr ausreichend mit Personal zu versorgen, skeptisch. Er sei „sehr überrascht“ gewesen, als die Wehrpflicht im Jahr 2011 ausgesetzt worden sei, sagte Scholz am Freitag bei der Bundeswehrtagung in Berlin. Nun gebe es aber eine neue Struktur der Streitkräfte ohne Wehrpflicht. Aus seiner Sicht sei es „keine gute Idee, das alles wieder rückabzuwickeln“.
Der Chef des Bundeswehrverbands, André Wüstner, hatte gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ eine Wiedereinführung der Wehrpflicht ins Spiel gebracht, um die Truppe wehrhafter zu machen. In den Chor der Mahner reiht sich jetzt die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), ein. Dem „Tagesspiegel“ sagte sie, dass die Bundeswehr „an einer absoluten Belastungsgrenze angekommen“ sei. Sie verwies auf die hohe Beanspruchung aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sowie einen „allgemeinen Engpass bei Material und Personal“. Auch wegen der genannten Engpässe seien manche Einheiten „nicht voll einsatzfähig“, sagte Högl weiter. Daher sei die Personalgewinnung für die Bundeswehr entscheidend.
Wie auch viele Bereiche der Wirtschaft leidet die Bundeswehr unter einem akuten Bewerbermangel. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) lässt derzeit prüfen, ob das vor seiner Amtszeit festgelegte Ziel einer Sollstärke von 203.000 Soldatinnen und Soldaten weiter Bestand haben wird. Derzeit sind es knapp 181.000.
Zur personellen Stärkung der Bundeswehr verwies Scholz auf einen „intensiveren Einsatz von Reservisten“. Dies sei „jetzt die Aufgabe“ und er habe „den Eindruck, dass das vorankommt“. Dies war auch in den am Donnerstag von Pistorius vorgelegten neuen verteidigungspolitischen Richtlinien betont worden. Demnach soll eine „gut ausgebildete Reserve“ die Bundeswehr im Fall der Landes- und Bündnisverteidigung verstärken.
Scholz sichert Bundeswehr dauerhaft zwei Prozent Verteidigungsausgaben zu
Scholz bekräftigte, dass Deutschland „dauerhaft“ zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben will. Dies gelte auch für die Zeit, wenn das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr aufgebraucht sei, sagte Scholz bei der Bundeswehrtagung in Berlin. Es stehe „völlig außer Frage, dass die Zeitenwende, die Russlands Angriffskrieg bedeutet, ein langfristiges dauerhaftes Umsteuern erfordert“.
Deshalb arbeite die Bundesregierung „an einem Anpassungspfad für den Verteidigungshaushalt“ für die Zeit nach dem Sondervermögen, sagte Scholz. „Wir werden dauerhaft diese zwei Prozent gewährleisten.“
Scholz hatte das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 angekündigt. Es soll die über Jahre zusammengesparte Bundeswehr wieder fit für die Landes- und Bündnisverteidigung machen. Aus dem Sondertopf werden nun umfangreiche Rüstungskäufe finanziert – vom Tarnkappenjet über neue Fregatten bis zum Schützenpanzer.