Saturday, December 2, 2023

Bundeswehr-Rüstung: Milliarden für neue Funkgeräte – die im Regal verstauben

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In den Einsatzszenarien der Zukunft, so schreiben es die Öffentlichkeitsarbeiter der Bundeswehr, müssten die deutschen Landstreitkräfte mit ihren Partnern in der Nato digital vernetzt sein, „um gemeinsam agil und effizient auf dem Gefechtsfeld operieren zu können“. Es brauche technische Lösungen, die sich „bruchfrei und problemlos mit den Systemen und Strukturen der Nato und ihrer Verbündeten koppeln lassen“. Das klingt selbstverständlich, ist aber eine Vision.

In der Realität arbeiten Heer, Streitkräftebasis und Sanitätsdienst mit musealer Funktechnik. Während die Verbündeten in gemeinsamen Einsätzen wie der Nato-Battlegroup in Litauen längst mit modernen Digitalsystemen funken, hantieren die Deutschen mit analogen Geräten, ohne Möglichkeit der Datenübertragung und größtenteils unverschlüsselt – und damit leicht abzuhören. Jene Armee, die laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) künftig „Grundpfeiler konventioneller Verteidigung in Europa“ und „am besten ausgestattete Streitkraft“ des Kontinents sein soll, kann also nicht einmal sicher mit ihren Partnern kommunizieren.

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Bundeswehr

Das Problem ist seit über einem Jahrzehnt bekannt, das Prinzip der vernetzten Operationsführung wurde bereits im Jahr 2004 in der Konzeption der Bundeswehr verankert. Nun soll es mit dem Vorhaben Digitalisierung Landbasierter Operationen (D-LBO) endlich umgesetzt werden. Es solle „ein auf die Belange der Führung von Landstreitkräften abgestimmter und mit dem Kernnetz des IT-Systems der Bundeswehr vernetzter Informations- und Kommunikationsverbund geschaffen werden, der auf der untersten taktischen Ebene beim abgesessenen Soldaten beginnt und bis zur Ebene der verlegefähigen Gefechtsstände reicht“, teilte das Ministerium auf Anfrage mit.

Lange fehlte dafür das Geld, jetzt aber ist im sogenannten Sondervermögen von 100 Milliarden Euro eine zweistellige Milliardensumme für die digitale Vernetzung eingeplant. Neben Soldatenfunkgeräten geht es dabei vor allem um den sogenannten Führungsfunk: Rund 34.000 Fahrzeuge der Landstreitkräfte sollen mit Geräten des Herstellers Rohde & Schwarz ausgestattet werden. Es geht um über 100 verschiedene Plattformen, vom Panzer über Transportfahrtzeuge bis zu Geländewagen.

Im Dezember bewilligte der Haushaltsausschuss des Bundestags zunächst 1,3 Milliarden Euro für diese Funkgeräte, dazu die Option auf weitere 1,5 Milliarden Euro. Am Ende könnte das Beschaffungsvorhaben ein Volumen von fast fünf Milliarden Euro haben, so sagen es die Haushälter.

Der Hersteller hat auch unmittelbar nach der Auftragserteilung mit der Auslieferung der Systeme begonnen. Seit Januar laufen Monat für Monat Funkgeräte zu – um dann in Depots eingelagert zu werden. Wie viele nagelneue Geräte derzeit ungenutzt in den Regalen liegen, hat das Ministerium als vertraulich eingestuft. Eingebaut worden ist jedenfalls noch keines.

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Der Grund: In den zuständigen Abteilungen des Verteidigungsministeriums und des nachgeordneten Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung hat sich offenbar niemand um die Detailfrage der Montage gekümmert – jedenfalls nicht rechtzeitig und abgestimmt. Es geht um Adapterplatten, zu geringe Batteriekapazitäten, zu kleine Lichtmaschinen – und das alles für mehr als 100 unterschiedliche Fahrzeugtypen. Selbst dürften die Soldaten die Funkgeräte nicht einbauen, heißt es aus der Industrie, dann würden die Garantieansprüche erlöschen.

Mit anderen Worten: Wer wie etwas macht und vor allem wann die neue Technik einsatzbereit in die Fahrzeuge integriert sein wird, steht in den Sternen.

Die Zeit drängt – aber es gibt keinen Zeitplan

Das „sehr herausfordernde Projekt“ werde „konsequent und mit entsprechender Dringlichkeit fortgeführt“, lässt das Ministerium wissen. Wer federführend für die Fehlplanung verantwortlich ist, mag man nicht sagen, es gilt das bewährte Prinzip der Verantwortungsdiffusion. Klar sei nur, so ein Sprecher: „Der erforderliche Aufwand für die Muster- und Serienintegrationen in die Fahrzeuge ist erheblich und kann nur im Zusammenwirken mit der wehrtechnischen Industrie erfolgen.“ Die Abstimmungen dazu liefen; einen konkreten Zeitplan mag der Sprecher nicht benennen. Fest stehe aber schon jetzt, „dass insbesondere die zeitliche Umsetzung im Wesentlichen von der Leistungsfähigkeit der wehrtechnischen Industrie abhängen wird“.

Dabei drängt die Zeit. Die Bundesregierung steht bei der Nato im Wort, ab 2025 eine voll ausgerüstete Division mit drei Brigaden und 15.000 Soldaten bereitzustellen. Die vorbereitenden Übungen und Zertifizierungen stehen bereits 2024 an. Dafür müssten rund 10.000 Fahrzeuge mit einer digitalen Anfangsbefähigung („D-LBO basic“) zur Verfügung stehen. Ohne diese Ausstattung wäre die Division mit veralteter Kommunikationstechnik nicht führungsfähig, die Zusage an die Nato obsolet – eine Blamage für den Kanzler und seinen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).

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Aus dem Haushaltsausschuss ist zu hören, dass Anfang nächsten Jahres erste Musterintegrationen erfolgen könnten. Zuvor müssen die nötigen Verträge geschlossen werden. Anschließend ginge es in die Serienintegrationen. Es ist absehbar, dass dieses Mammutprojekt für die Division 2025 zu spät kommt. Niemand weiß, ob es überhaupt erfolgreich abgeschlossen werden kann.

„Ich sehe meine Bedenken bestätigt“, sagte der SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz WELT. Es sei ihm unverständlich, wieso der Auftrag ausgelöst worden sei, obwohl „die Frage der Integration und der multinationalen Einsatzfähigkeit immer noch nicht geklärt ist“. Schwarz prognostiziert: „Das wird auch noch Jahre dauern. Wir geben hier Milliarden für Funkgeräte aus, die voraussichtlich im Regal verstauben und bei der Truppe wahrscheinlich lange nicht zum Einsatz kommen.“

Schon die Direktvergabe des Auftrags an Rohde & Schwarz war umstritten; der Vertrag wird vom französischen Konkurrenten Thales juristisch angefochten, das Verfahren ist am Oberlandesgericht Düsseldorf anhängig. Dass die Führungsfunkgeräte trotz des anhängigen Rechtsstreits ausgeliefert und auch bezahlt werden, liegt an von Pistorius‘ Vorgängerin Christine Lambrecht (SPD) durchgesetzten Änderungen im Vergaberecht, die Verzögerungen in der Zeitenwende verhindern sollten. Der Auftrag wurde mit der Ausnahmebegründung vergeben, dass es aufgrund einer Gefährdung der nationalen Sicherheit durch den Ukraine-Krieg besonders schnell gehen müsse. Dieses Ziel, so viel lässt sich sagen, haben Verteidigungsministerium und Beschaffungsamt dramatisch verfehlt.

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Für Minister Pistorius birgt das Rüstungsdesaster erhebliche politische Risiken. Auf der internationalen Ebene wäre eine analog funkende Division eine Schmach. Und national belegt der Vorgang, dass das Ministerium trotz aller Beteuerungen zu Prozessoptimierungen Probleme hat, die Mittel aus dem 100-Milliarden-Euro-Schuldenfonds wirkungsvoll auszugeben. Die finanzielle Dimension des Projektes könnte die Opposition schnell auf die Idee bringen, die vom Ministerium bislang verschleierten Verantwortlichkeiten mit den schärferen Werkzeugen des parlamentarischen Instrumentenkastens aufzuklären.

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