Die Bundesnetzagentur will im kommenden Jahr offenbar auf eine Mobilfunkversteigerung verzichten. Das geht aus einem Papier hervor, in dem sie ihre Vorstellung zur Konsultation stellt. Bis zum 6. November nimmt die Behörde nun Stellungnahmen dazu entgegen. Die endgültige Entscheidung dazu soll dann später fallen. Die Ende 2025 auslaufenden Nutzungsrechte von Mobilfunkfrequenzen sollen demzufolge nicht versteigert, sondern um fünf Jahre verlängert werden. Im Gegenzug sollen die Mobilfunknetzbetreiber den Empfang in dünn besiedelten Gebieten stärker ausbauen.
„Wir wollen die bessere Mobilfunkversorgung im ländlichen Raum ins Zentrum unserer Auflagen stellen“, sagte Behördenchef Klaus Müller. Eine Versorgungsauflage für dünn besiedelte Regionen soll gleichwertige Lebensverhältnisse in der Stadt und auf dem Land fördern. Damit dürften dem Staat hohe Einnahmen entgehen. Die jüngste Versteigerung von 5G-Frequenzen 2019 brachte der Staatskasse etwa 6,6 Milliarden Euro.
Die Netzagentur bietet den Netzbetreibern einen Tausch an. Sie dürfen die Frequenzen ohne Versteigerung weiter für fünf Jahre nutzen, müssen im Gegenzug aber in Regionen ihr Netz ausbauen, wo es wegen der geringen Nutzerzahl kaum wirtschaftlich zu betreiben ist. Die Behörde schlägt damit einen neuen Weg ein. In der Vergangenheit hat sie sich auch wegen der Rechtssicherheit immer für Auktionen entschieden.
Die Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica haben sich immer wieder darüber beschwert. Entsprechend erleichtert reagieren sie auf die nun vorgestellten Rahmenbedingungen. „Statt Milliardensummen in Lizenzrechte stecken zu müssen wie in der Vergangenheit, können die Netzbetreiber nun begründet darauf hoffen, unmittelbar in den weiteren Netzausbau investieren und die Mobilfunkversorgung hierzulande noch weiter verbessern zu können“, sagte Markus Haas, Chef von Telefónica in Deutschland.
Ob dieser Zusammenhang tatsächlich besteht, wird von Experten bezweifelt. „Es gibt keinerlei empirische Evidenz, dass diese These zutrifft“, sagte der Vorsitzende der Monopolkommission, Jürgen Kühling, bereits im vergangenen November. Es gebe keinen einzigen Anhaltspunkt, „dass diese Effekte tatsächlich eintreten und relevant sind“. Die Monopolkommission hat daher gefordert, an einer Versteigerung festzuhalten.
Tatsächlich sah auch alles danach aus. Noch im vergangenen September hatte die Netzagentur ein Positionspapier zum Thema vorgestellt. Darin hieß es: „Die Versteigerung erscheint am besten geeignet, die gesetzlich bestimmten Ziele zu erreichen. Die Versteigerung ist objektiv, transparent sowie diskriminierungsfrei und ermöglicht allen Wettbewerbern chancengleichen Zugang zu den Frequenzen.“
Dass sich in den vergangenen zwölf Monaten die Meinung der Behörde geändert hat, könnte auch am Vorgehen von United Internet mit seiner Tochter 1&1 liegen. Das Unternehmen hatte bei der Auktion im Jahr 2019 Frequenzen ersteigert und den Aufbau eines vierten Mobilfunknetzes in Deutschland angekündigt. Die Frequenzbedingungen der vergangenen Auktion sahen zudem Ausbauverpflichtungen vor, die 1&1 bis heute nicht erfüllt hat. Gut möglich, dass die Politik und die Netzagentur ihre Geduld langsam verlieren.
Behörde will offenbar auch Diensteanbieter fördern
Am Mittwoch hielt sich United Internet mit Äußerungen zu den neuen Rahmenbedingungen zurück und kommentierte sie nur mit einem Satz: „Wir werden das heute durch die Bundesnetzagentur veröffentlichte Konsultationspapier prüfen und entsprechend gegenüber der Behörde Stellung nehmen.“ Offenbar ist das Unternehmen überrascht worden und muss sich erst sammeln.
Ganz umsonst werden die übrigen drei Mobilfunker die Frequenzen nicht bekommen. Sie sollen im Gegenzug „bis Ende 2028 mindestens 98 Prozent der Haushalte in dünn besiedelten Gebieten in jedem Bundesland mit mindestens 100 Mbit/s versorgen“. Tatsächlich liegt bei einigen Netzbetreibern die Versorgung in manchen Bundesländern in dünn besiedelten Gebieten bei nur etwa 90 Prozent, so die Netzagentur.
Offenbar will die Behörde künftig zudem auch die Diensteanbieter fördern, zu denen beispielsweise Freenet gehört. Sie machen Angebote im Mobilfunk, nutzen dafür aber die Netze von Telekom, Vodafone und Telefónica. In vergangenen Auktionen wurde die Netzbetreiber dazu verpflichtet, solche Dienste auf ihr Netz zu nehmen.
„Die Bundesnetzagentur erwägt, die Verlängerung der Nutzungsrechte mit Regelungen zur Förderung des Dienstewettbewerbs zu versehen“, heißt es nun in den Rahmenbedingungen der Netzagentur. Dabei zieht sie verschiedene Möglichkeiten in Betracht. „Diese gehen von der Auferlegung eines Verhandlungsgebots bis hin zu einer Angebotspflicht.“
Auch für das nationale Roaming könne es ein Verhandlungsgebot geben. Das nationale Roaming wurde zuletzt immer wieder von United Internet gefordert, damit die eigenen Kunden auch dort noch telefonieren und surfen können, wo sie kein 1&1-Netz finden. Für einen Neueinsteiger ist das eine notwendige Voraussetzung, bis das eigene Netz bundesweit verfügbar ist.
Ein Verhandlungsgebot zwingt die Netzbetreiber, mit 1&1 über nationales Roaming zu sprechen. Inzwischen hat United Internet jedoch dafür einen Vertrag mit Vodafone abgeschlossen. Die 1&1-Mobilfunkkunden dürfen künftig das Vodafone-Netz mitnutzen, wenn das 1&1-Netz nicht verfügbar ist.
Deswegen ist es kaum denkbar, dass sich United Internet mit einem Verhandlungsgebot zufriedengeben wird, während die übrigen Mobilfunker ihre Frequenzen kostenlos weiternutzen dürfen. Zudem gab es ein solches Verhandlungsgebot bereits in den Frequenzbedingungen von 2019.