Saturday, April 20, 2024

Cannabis: Diese Städte wollen bei Lauterbachs Experiment mitmachen

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Mindestens elf deutsche Städte sind offen dafür, künftig als Cannabis-Modellregion zur Verfügung zu stehen. Dies geht aus einer WELT-Umfrage bei 35 deutschen Städten hervor. Die Bundesregierung plant, ab kommenden Jahr in ausgewählten Kommunen Cannabis in Fachgeschäften zu verkaufen und die Teilnehmer wissenschaftlich zu begleiten. Der ursprünglich geplante bundesweite Verkauf ist wegen rechtlicher Probleme vom Tisch.

Als erste Region erklärte Frankfurt/Main zusammen mit Offenbach Mitte April, sich gemeinsam als Modellprojekt bewerben zu wollen. Kurze Zeit später teilte auch die grün-rote Rathauskoalition in München mit, einen entsprechenden Antrag gestellt zu haben. Mit dem Schritt wolle man die Konsumenten entkriminalisieren sowie Polizei und Staatsanwaltschaft entlasten, hieß es – zum Ärger der CSU-geführten Landesregierung, die Modellprojekte und eine Legalisierung prinzipiell ablehnt.

Auch zahlreiche weitere Städte können sich eine Bewerbung vorstellen: Bremen teilte mit, man stehe einer Modellregion grundsätzlich offen gegenüber. Hannover ist ebenfalls an einer Teilnahme „sehr interessiert“, so eine Sprecherin. Bonn stehe dem Vorhaben „positiv gegenüber“, auch Tübingen, Leipzig und Schwerin können sich grundsätzlich vorstellen, zur Modellregion zu werden, haben aber offiziell noch keine Entscheidung getroffen.

Harald Martenstein zum Cannabis-Plan
Harald Martenstein

Neben der Spur

Darmstadt teilt mit, die Option eines Modellversuchs sei Teil des Koalitionsvertrags, Wiesbaden fasste einen entsprechenden Beschluss in der Stadtverordnetenversammlung 2021. Was die Städte quer aus der Republik eint: Sie sind fast alle entweder von SPD oder Grünen regiert.

Andere Orte teilen hingegen mit, sich zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht mit einer Tendenz äußern zu können. Dazu gehören etwa Berlin, Hamburg, Köln, Dortmund, Düsseldorf und Stuttgart. Man wolle abwarten, bis die genauen gesetzlichen Vorgaben der Bundesregierung für die Modellregionen feststehen, heißt es. Es ist also damit zu rechnen, dass sich die Zahl der interessierten Städte in den kommenden Monaten noch erhöhen könnte.

Andere Städte wissen hingegen schon jetzt, dass sie mit Sicherheit kein Cannabis im Pilotversuch verkaufen wollen: Dazu gehören etwa Nürnberg, Freiburg, Aachen, Essen und Eisenach.

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Cannabis-Legalisierung

In Münster steht die Entscheidung kurz bevor: Die Koalition aus Grünen, SPD und Volt hat einen Antrag eingereicht, über den der Gesundheitsausschuss zeitnah beraten soll. Interessant ist, dass die Stadt sich in der Vergangenheit schon einmal offiziell als Modellregion beworben hat, obwohl dies nach der damaligen Rechtslage gar nicht möglich war. 2017 reichte Münster beim zuständigen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte einen Antrag ein, wie ein Institutssprecher mitteilt.

Auch die Hauptstadt versuchte es bereits: Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg legte 2015 und das Land Berlin 2019 einen Antrag beim Bundesinstitut vor. In allen drei Fällen wurde dieser abgelehnt. Das Land Berlin verklagte 2021 schließlich die Behörde. Das Verfahren läuft noch, wie das Verwaltungsgericht Köln bestätigt.

Woher soll das Cannabis überhaupt kommen?

Offen ist bisher, wie genau die auf fünf Jahre befristeten Modellprojekte aussehen sollen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es eine Reihe von Hürden geben dürfte.

So halten etwa viele Experten das Startdatum 2024 für unrealistisch. Denn während der erste Teil der Legalisierungspläne, der den Besitz und Eigenanbau straffrei stellt und sogenannte Cannabis Social Clubs ermöglicht, sich bereits in regierungsinterner Abstimmung befindet, soll der Gesetzentwurf für die Modellregionen erst nach der Sommerpause vorgelegt und voraussichtlich noch von der Europäischen Union notifiziert werden.

Darüber hinaus koste die Planung, Durchführung und wissenschaftliche Evaluation solcher Pilotprojekte viel Zeit, schreibt Robin Hofmann, Assistenzprofessor an der Universität Maastricht, in einem Beitrag für den rechtspolitischen Verfassungsblog. „Die Niederländer haben 2017 mit der Projektplanung begonnen, und bis heute ist noch kein Gramm staatlich lizenziertes Cannabis über den Ladentisch gegangen“, so Hofmann. Auch in der Schweiz, wo Pilotprojekte seit 2021 möglich sind, sei man nur unwesentlich schneller.

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Meinung Cannabis-Legalisierung

Das Ziel, am Ende mit den mutmaßlich positiven Ergebnissen die Europäische Union von einer breiten Legalisierung zu überzeugen, sei nicht unmöglich, koste aber „Zeit und Nerven“, so Hofmann. Denn neben der Kommission müssten dann auch skeptische Mitgliedstaaten an Bord geholt werden. Hinzu komme die Unsicherheit eines Regierungswechsels. So sei es etwa unwahrscheinlich, dass sich eine CDU-geführte Regierung nach Abschluss der Modellprojekte auf europäischer Ebene für eine Cannabis-Legalisierung starkmachen würde, so Hofmann.

Zudem sei entscheidend, dass im Zuge der Modellprojekte eine wissenschaftliche Begleitung und Evaluation sichergestellt werde, die ergebnisoffen ist. „Anders formuliert: Wird die Wissenschaft nur als ein Feigenblatt genutzt, um eine Quasi-Legalisierung einzuführen, dann wird die EU und auch die internationale Gemeinschaft dies nicht mitmachen“, so Hofmann auf WELT-Anfrage.

Auch ist fraglich, woher das Cannabis für die Modellprojekte kommen soll – und ob ein Anbau in Deutschland überhaupt noch realistisch ist. Die interessierten Start-ups hatten sich ursprünglich auf eine umfassende Legalisierung eingestellt, wie sie auch noch im Oktober von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in Aussicht gestellt wurde. Dass es jetzt nur noch Modellprojekte geben soll, bewegt viele Unternehmen zur Planänderung.

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Druck auf Gesundheitsminister

„Pilotprojekte, die auch noch auf fünf Jahre begrenzt sind, rechtfertigen keine Investitionen von zehn oder 20 Millionen Euro in den Aufbau einer Anbauanlage“, sagt Finn Hänsel, Geschäftsführer des Berliner Cannabis-Unternehmens Sanity Group. Man werde daher nun erst einmal doch keinen kommerziellen Anbau vorbereiten, sondern sich lediglich auf den Verkauf in Fachgeschäften einstellen. Das Cannabis wolle man dann möglichst aus dem Ausland importieren.

Das Unternehmen 420 Pharma teilt mit, trotz des unsicheren Planungsrahmens prüfe man derzeit „intensiv die Möglichkeiten zur Errichtung von eigenen Produktionsstätten in Deutschland“, so ein Sprecher. Das Ziel, Cannabis ausschließlich hierzulande anzubauen, sei allerdings „absolut unrealistisch“. Der Bedarf an Genusscannabis werde die Produktionskapazitäten übersteigen. „Ohne Importe wird es kaum gehen“, so der Sprecher.

Im Übrigen bleibt die Frage, inwieweit Lauterbachs Hauptziel – die Zurückdrängung des Schwarzmarktes – mit den Modellprojekten überhaupt erreicht werden kann. Schließlich wird es immer noch einen großen Teil der Bürger geben, die Cannabis konsumieren wollen, dafür aber weder selbst Pflanzen anbauen noch einem Cannabis Social Club beitreten möchten. Falls diese Bürger dann nicht zufällig zu den Teilnehmern eines Pilotprojekts gehören, werden sie wohl wieder bei ihrem Dealer anrufen.

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