Bundeskanzler Olaf Scholz hat der Ukraine die weitere Unterstützung Deutschlands zugesichert. „Wir unterstützen Euch so lange, wie es nötig sein wird“, sagte der SPD-Politiker am Sonntag bei einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Kanzleramt in Berlin. Bisher sei Hilfe im Wert von 17 Milliarden Euro geleistet worden.
Seit 444 Tagen laufe der erbarmungslose russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, sagte Scholz. Der schreckliche Krieg habe erhebliche geopolitische Konsequenzen, betreffe aber vor allem die Menschen in der Ukraine. Deutschland stehe auch in voller Solidarität zu den geflüchteten Menschen. Scholz: „Diese Solidarität, sie ist anhaltend und sie ist stark.“
Selenskyj würdigte die neue militärische deutsche Hilfe als sehr wichtig für sein Land. „Der Umfang der deutschen Hilfe ist der zweitgrößte nach den USA“, sagte er. Bundeskanzler Olaf Scholz betonte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz, dass Deutschland die Ukraine weiter unterstützen werde und bereits Hilfe im Umfang von 17 Milliarden Euro geleistet habe. Er hatte zuvor davon gesprochen, dass Deutschland ein „echter Freund und verlässlicher Verbündeter“ sei.
Darum ging es bei dem Deutschlandbesuch
Bei dem Treffen ging es unter anderem um die geplante Gegenoffensive der Ukraine. Selenskyj ist dabei Befürchtungen entgegengetreten, seine Streitkräfte könnten mit moderneren westlichen Waffen auch russisches Staatsgebiet angreifen.
„Wir greifen das russische Territorium nicht an. Wir befreien unser gesetzmäßiges Gebiet“, sagte auf weiter. „Wir haben dafür keine Zeit, keine Kräfte und keine überzähligen Waffen dafür.“ Man habe sich gemäß internationalem Recht bei der Vorbereitung der Gegenoffensivaktionen ausschließlich auf die Befreiung „unseres von der ganzen Welt anerkannten Territoriums“ konzentriert.
Zugleich hat Selenskyj hat Deutschland unter anderem gebeten, sein Land in einer Koalition mit anderen Partnern durch die Lieferung moderner Kampfjets zu unterstützen. Die Ukraine arbeite während seines Besuchs in europäischen Hauptstädten daran, „eine Kampfjet-Koalition zu schaffen“, sagte Selenskyj. Er werde sich auch an die deutsche Seite wenden mit der Bitte, die Ukraine in dieser Koalition zu unterstützen. Der Zeitpunkt sei entscheidend.
„Das ist für die Ukraine sehr wichtig, unsere Anstrengungen zu koordinieren“, sagte Selenskyj. Russland habe derzeit ein Übergewicht im Luftraum. Dies wolle man ändern. Auf die Frage, ob die Waffenlieferungen aus dem Westen für eine Offensive ausreichten, sagt er lächelnd: „Noch einige Besuche, dann ist es ausreichend.“
Scholz äußerte sich dazu zurückhaltend. Deutschland habe der Ukraine sehr viel geliefert. Gerade was die Luftverteidigung betreffe, seien dies sehr moderne Waffen. „Das ist das, worauf wir uns als Deutsche jetzt konzentrieren.“ Es gehe um den massiven Versuch sicherzustellen, dass Russland seine Truppen zurückziehe, wenn man den Frieden in der Ukraine sichern wolle, betonte Scholz.
Auf Friedensinitiativen aus anderen Ländern reagierten beide zurückhaltend. „Wir brauchen nicht viele Pläne“, sagt Selenskyj. Er verweist auf seinen Zehn-Punkte-Plan. „Wir haben einen Krieg, der nur auf unserem Gebiet stattfindet.“ Scholz erklärt, Friedensgespräche dürften nicht gegen die Ukraine gerichtet sein und Russland müsse seine Truppen zurückziehen. „Wir möchten alle, dass dieser Krieg so schnell wie möglich zu Ende geht. Aber er muss zu Ende gehen mit einem gerechten Frieden. Unsere territoriale Integrität und die Sicherheit sind genauso wichtig wie die territoriale Integrität aller Völker.“
Auch ein klares Bekenntnis zu einem schnellen Nato-Beitritt der Ukraine hat die Bundesregierung vermieden. „Deutschland unterstützt die Nato-Ukraine-Kommission als Plattform für die weitere Förderung und Ausweitung der Partnerschaft zwischen der Nato und der Ukraine auf ihrem Weg im Einklang mit der Erklärung von Bukarest“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Kanzler Olaf Scholz verweist auf eine Frage zum Nato-Beitritt auf Bukarest. Dort war 2008 festgestellt worden, dass die Ukraine und Georgien „Mitglieder der Nato“ werden sollten, aber es wurden keinerlei Fristen genannt.
Empfang beim Bundespräsidenten
Vor dem Treffen mit Scholz hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Selenskyj zum offiziellen Auftakt seines Deutschlandbesuchs in Berlin empfangen. Auch dort bedankte sich der ukrainische Präsident bei dem Gastgeberland.
„In der schwierigsten Zeit in der modernen Geschichte der Ukraine hat sich Deutschland als unser wahrer Freund und verlässlicher Verbündeter erwiesen, der im Kampf für die Verteidigung von Freiheit und demokratischen Werten entschieden an der Seite des ukrainischen Volkes steht“, schrieb Selenskyj auf Englisch ins Gästebuch. Er ergänzte: „Gemeinsam werden wir gewinnen und den Frieden nach Europa zurückbringen.“
Ausdrücklich bedankte sich Selenskyj bei Steinmeier persönlich für dessen Unterstützung. Er schrieb: „Vielen Dank, Herr Bundespräsident, für Ihre persönliche Unterstützung der Ukraine und Gastfreundschaft“. Er dankte auch dem deutschen Volk für dessen „fantastische Solidarität“. Auf Deutsch ergänzte er: „Danke Deutschland!“
Das Verhältnis zwischen Steinmeier und Selenskyj war zunächst nicht einfach – ein Besuch des deutschen Staatsoberhauptes in der Ukraine hatte erst Ende Oktober im dritten Anlauf geklappt.
Selenskyj war kurz nach Mitternacht in Berlin gelandet. „Bereits in Berlin“, schrieb Selenskyj kurz nach Mitternacht bei Twitter. Weiter hieß es in dem Beitrag: „Waffen. Mächtiges Paket. Luftabwehr. Wiederaufbau. EU. Nato. Sicherheit“. Details zu seinem Deutschlandbesuch waren vorab nicht offiziell bekannt gegeben worden. Die Polizei kündigte umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen und Verkehrssperrungen insbesondere rund um das Berliner Regierungsviertel an.
Am Sonntagnachmittag sollen Selenskyj und das ukrainische Volk in Aachen mit dem Karlspreis für Verdienste um die Einheit Europas geehrt werden. Scholz wird die Laudatio halten. Als weitere Redner sind EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki dabei. Es wurde erwartet, dass der Kanzler und Selenskyj gemeinsam von Berlin nach Aachen fliegen.
In der Begründung wurde die Rolle Selenskyjs bei der Abwehr des russischen Angriffskriegs hervorgehoben: Er sei nicht nur der Präsident seines Volkes und der Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee. Er sei „auch der Motivator, Kommunikator, der Motor und die Klammer zwischen der Ukraine und der großen Phalanx der Unterstützer“.
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte, Europa wolle mit der Auszeichnung ein Zeichen setzen: „Wir stehen an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer.“ Man werde in der Unterstützung der Ukraine nicht nachlassen – „humanitär, wirtschaftlich und mit Waffen“. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sprach von einem „starken Signal in Zeiten des Krieges“. „Mit Präsident Wolodymyr Selenskyj wird in Aachen ein entschlossener Kämpfer für die Werte des freien Europas gewürdigt.“
Bundesregierung sichert weitere Waffen im Wert von 2,7 Milliarden Euro zu
Vorbereitet wurde der Besuch am Samstag mit der Zusage weiterer militärischer Unterstützung für die Ukraine. Kurz vor der Ankunft Selenskyjs hatte die Bundesregierung dem ukrainischen Präsidenten weitere Waffen im Wert von 2,7 Milliarden Euro für den Abwehrkampf gegen die Truppen des russischen Präsidenten Wladimir Putin zugesagt.
Militärtechnik für 2,7 Milliarden Euro – „Wirklich ein extrem umfangreiches Paket“
Kurz vor einem möglichen Deutschlandbesuch des ukrainischen Präsidenten Selenskyj hat die Bundesregierung der Ukraine weitere Waffenlieferungen im Wert von 2,7 Milliarden Euro zugesagt. Unter anderem sollen 30 Leopard-1-Panzer bereitgestellt werden. WELT-Reporter Steffen Schwarzkopf über die Details.
Quelle: WELT/Steffen Schwarzkopf
Unter anderem sollen 20 weitere Marder-Schützenpanzer, 30 Leopard-1-Panzer und vier Flugabwehrsysteme Iris-T SLM von der deutschen Rüstungsindustrie bereitgestellt werden, wie das Verteidigungsministerium mitteilte. Außerdem bekommen die ukrainischen Streitkräfte 18 Radhaubitzen, Munition für Artillerie und Luftverteidigungssysteme, mehr als 100 gepanzerte Gefechtsfahrzeuge und über 200 Aufklärungsdrohnen. Einige Waffenlieferungen aus dem Paket sind aber schon seit Längerem geplant.
Scholz hatte der Ukraine erst am Dienstag in einer Grundsatzrede vor dem EU-Parlament in Straßburg anhaltende Unterstützung für den Abwehrkampf gegen die russischen Angreifer zugesichert. „Bleiben wir standhaft in unserer Unterstützung der Ukraine – solange wie das nötig ist“, sagte er.
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