Thursday, April 25, 2024

„Air“, „Super Mario“, „BlackBerry“, „Barbie“: Vom Glück der Dinge im Kino

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Es schläft ein Lied in allen Dingen, aber wir können es nicht mehr hören. Das BlackBerry: ein paar Jahre lang eines der begehrtesten Statussymbole – bis das iPhone es in den Abgrund des Vergessenwerdens trat. Der Air Jordan: ein Basketballschuh, ganz hübsch, doch alles in allem nur ein Basketballschuh. „Tetris“: ein grafisch so unterwältigendes Videospiel aus den 80ern, dass man heute nicht mehr verstehen kann, wie es ganze Büroetagen lahmlegen konnte, weil alle lieber Klötzchen sortieren statt ihren Job machen wollten.

Selbst Barbie war einmal heiß: die erste Puppe für Mädchen, die wie eine Erwachsene aussah, Erwachsenenkleider trug, eine Erwachsenenfigur hatte und in einen Erwachsenen verknallt war. Bis uns aufging, dass sie ein falsches Körperbild, hemmungslosen Konsumismus, weiße Dominanz und das Anhimmeln hohler Typen propagierte und wir unseren Töchtern realistischere Puppen schenken sollten.

Unglücklicherweise hat niemand etwas davon, dass Mythen aus dem Verkehr gezogen werden. Wie lebenswert kann ein Leben sein, wenn ein Schuh bloß noch ein Schuh, ein Videospiel nur ein Videospiel, eine Puppe nur eine Puppe und ein Handy gecancelt ist, sobald ein leistungsfähigeres Modell auf den Markt kommt?

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Die Entzauberung der Welt durch Vernunft und das Voranschreiten der Geschichte führt zu einer Nüchternheit, die so öde ist, dass man sich verkatert nach neuen Räuschen sehnt. Oder danach, wenigstens noch einmal erzählt zu bekommen, wie schön der alte Taumel war. Genau dafür braucht es die Kunst – damit sie uns die Lieder singt, die in den Dingen schlummern.

Der Manager gewinntsch

Die Filmbranche tut das gerade. Als hätten sich die Studios zu einer Warenfetischismus-Offensive verabredet, erzählen sie plötzlich Geschichten über die unwiderstehliche Sexiness von Produkten, riskante Marketingkampagnen, den jähen Aufstieg von Geräten oder den Erfolg von Videospielen.

In „Air: Der große Wurf“ merkt man, dass das durchaus die Wucht von Gotteserfahrungen annimmt: Da sitzen drei Männer im ersichtlich mittleren Alter (es steht ihnen nicht besonders gut) um den Prototyp eines neuen Sportschuhs herum und gucken ihn so verklärt an, als wären sie Könige aus dem Morgenland vor der Krippe, in der der Heiland liegt.

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Matt Damon erzählt in diesem Film, wie 1984 ein gewisser Sonny Vaccaro, bei Nike angestellt, um vielversprechende Basketball-Talente für Werbekampagnen unter Vertrag zu nehmen, sich auf einen gewissen Michael Jordan kapriziert – damals noch weit davon entfernt, eine Legende zu sein, aber schon so selbstbewusst, auf obszön viel Geld und dazu noch auf einen Mercedes-Benz zu bestehen. Und auf Coolness – was gegen Nike spricht.

Am Ende gewinnt der Manager – weil er nicht nur ein Geschäft abschließen will, sondern weil er glaubt. Und für seinen Glauben bei seinen Vorgesetzten die von Jordan verlangte Umsatzbeteiligung herausschlägt. So wird der „Air Jordan“ geboren, der meistverkaufte Basketballschuh der Welt, Gewinn im allerersten Jahr: 126 Millionen Dollar, bis heute ein Megaseller. Allerdings auch längst zum Massenprodukt geworden – weswegen eine Image-Auffrischungskur nicht schaden kann.

„Air“ ist demnach ein Biopic über einen Schuh, genauer gesagt, nicht einmal das, sondern ein Spielfilm über die Marketingkampagne für einen Schuh. Höhepunkt: die Vertragsunterzeichnung. In der Hauptrolle: ein übergewichtiger Mann aus dem mittleren Management, dessen Kreativität sich darin erschöpft, seine Chefs so ausdauernd zu nerven, bis sie augenrollend tun, was er will, nämlich das Werbebudget für einen einzigen statt für drei Spieler auszugeben.

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Ein Spiel und seine Geschichte

Bis vor nicht allzu langer Zeit waren die Helden von Kino-Biografien noch Bürgerrechtskämpfer oder Rockstars. Und es ging dabei um Freiheit, Selbstverwirklichung und ähnliche höhere Werte. Jetzt geht es darum, einen Pitch zu gewinnen, Deals zu finalisieren und den Job im Großraumbüro so gut zu erledigen, dass man ihn nicht verliert. Auch bei „Tetris“, einem Film über das legendäre Videospiel, das in den 80er-Jahren Menschen an Computern so viel Zeit raubte wie später nur noch das Scrollen durch Instagram- und Twitter-Feeds, ist der wichtigste Protagonist nicht dessen russischer Entwickler Alexej Paschitnow, sondern der niederländisch-amerikanische Henk Rogers, der für Nintendo die Lizenzrechte erwerben will.

Ein durchaus anspruchsvolles Unterfangen, wenn man es dafür mit der Sowjetbürokratie und einer Epoche, in der der Kommunismus untergeht, aufnehmen muss – aber dennoch bloß ein Deal. Selbst wenn der Rechtejäger im Film einmal sagt: „Es war das Schönste, was ich je gesehen habe. Ich habe fünf Minuten lang ‚Tetris‘ gespielt und sehe immer noch fallende Blöcke in meinen Träumen.“ Und in „BlackBerry“, einer filmischen Produktbiografie über das Handy, das vor dem iPhone das Maß aller Dinge war, wird weniger die kühne technische Vision eines mobilen Terminals gefeiert, mit dem man auch unterwegs E-Mails abrufen kann, als das unternehmerische Drängen, Investoren dazu zu bringen, für etwas zu investieren, das ihnen zunächst wie die durchgeknallte Idee seltsamer Nerds vorkommt.

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In der Pipeline für dieses Jahr stehen außerdem noch ein Film über die Erfindung der Snack-Marke „Flamin’ Hot Cheetos“ durch einen Mann namens Richard Montañez Ende der 80er-Jahre, der Spielfilm „Unfrosted: The Pop-Tart Story“, den der Komiker Jerry Seinfeld für Netflix dreht, und vor allem Greta Gerwigs Film „Barbie“. Dessen Trailer versprechen ein militant buntes und aggressiv überbordendes Spektakel, das die vom Feminismus und verantwortungsbewussten Eltern völlig zu Recht gehasste Puppe als Selbstermächtigungs-Heldin inszeniert – ziemlich sicher wird es ein großartiger Spaß werden.

Und im Kino läuft gerade noch „Der Super Mario Bros. Film“, der den Klempner Mario und seinen Bruder Luigi aus dem legendären Videospiel durch das Pilz-Königreich schickt, um Prinzessin Peach vor den Nachstellungen des bösen Bowser zu retten. Es ist ein Werk, das sich durchaus nicht nur an Kinder richtet. Sondern auch an ihre Eltern, die einst „Mario“ gezockt haben und von Glücksgefühlen geflutet werden, wenn sie an die Unschuld ihrer Kindheit erinnert werden, eine Zeit, in der sie noch gegen Flammenkugeln und fliegende Bomben und noch nicht gegen pingelige Vorgesetzte antreten mussten.

Waren als Gefühlspflaster

Gemeinsam ist diesen Filmen das umstandslose Einverstandensein mit dem Kapitalismus. Wenn dessen Produkte – Snacks, Games, Schuhe, Spielzeug, Gadgets – unterhaltsam und cool sind, kann man über seine unangenehmeren Erscheinungen milde hinwegsehen. Konsumismus, Plastikmüll, die Arbeitsbedingungen in den Sweatshops einer globalisierten Ökonomie, der Irrsinn, der darin steckt, dass ein Schuh ein Glücksversprechen ist – all das wird von den neuen Produktfilmen nicht thematisiert. Vorbei die Zeiten, in denen die Unterhaltungsindustrie sich ein Vergnügen daraus gemacht hat, gierige Wall-Street-Banker, lebensgefährliche Tabak- und Pharmaproduzenten, zugekokste Manager oder betrügerische Hochstapler vorzuführen. Jetzt, mitten in der Inflation, ist der Kapitalismus wieder gut. Weil seine Waren Gefühlspflaster sind.

Wahrscheinlich ist das der Grund für all die neuen Produktfilme. Ihre Erschaffer haben verstanden, dass wir, das Publikum, die Inspiration durch die Helden, deren Biografien sie bisher besungen haben, nicht so dringend benötigen, wie sie immer gedacht haben: Wie sollte man es denn auch selbst schaffen, jemand wie Martin Luther King, Maria Callas oder Steve Jobs zu werden? Was uns hilft, ist der Trost durch die Dinge: das Glück, einen Schuh anzuziehen, für den man viel Geld ausgegeben hat, die Seinsvergessenheit, sobald man „Tetris“ oder „Mario“ spielt, das Angeben-Können, wenn man das angesagteste Gadget besitzt.

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Für die Filmindustrie, die mit den Jahren immer risikoscheuer geworden ist, ist das ein Segen: Wer eine Ware verfilmt, die jeder kennt, weiß, dass sich ein Publikum findet, kann sich teure Marketingkampagnen ersparen und profitiert von einer Magie, die man nicht mühsam selbst erschaffen muss. Vielleicht gibt’s ja bald auch Filme über Birkenstocks.

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