Es ist eines der großen Projekte von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir: Pünktlich an seinem 57. Geburtstag hat das Bundeskabinett am Mittwoch die Eckpunkte für eine Ernährungsstrategie verabschiedet. Ein Kernvorschlag, den Özdemir bereits im Sommer ins Spiel gebracht hat, fehlt jedoch in dem Beschluss: die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes für Fleisch.
Offenbar ist der Punkt in der Abstimmung zwischen den Ministerien entfallen, denn in einer früheren unveröffentlichten Variante, die WELT vorliegt, war das Vorhaben noch enthalten – also vor der Mitsprache der übrigen Ministerien. Stattdessen gibt es nun nur eine kleinere, neu eingefügte Steuerregelung in dem Papier.
Unter anderem in einem Interview mit WELT AM SONNTAG hatte Özdemir vorgeschlagen, den Mehrwertsteuersatz für Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte auf null zu setzen. „Kostet verhältnismäßig wenig, bringt aber viel“, sagte Özdemir im Juni.
Auch im Entwurf des Eckpunktepapiers hatte es noch Stand Ende September geheißen: „Der Umsatzsteuersatz auf Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte soll abgesenkt, die bisher reduzierte Besteuerung für tierische Produkte abgeschafft werden. Neben der gesundheitsfördernden Wirkung hätte eine Steueranpassung vor allem auch positive Effekte auf das Klima und die Umwelt.“
Der Punkt, den die Verbraucher bei der Umsetzung unmittelbar gespürt hätten, dürfte es wegen Bedenken aus dem Finanzministerium nicht in das Regierungsprogramm geschafft haben. Finanzminister Christian Lindner (FDP) sperrt sich generell gegen Steuererhöhungen – und hat so wohl verhindert, dass Özdemir in dem Punkt einen Erfolg vorweisen kann.
Allzu vehement hat sich Özdemir allerdings in der Ampel-Koalition für seinen Steuervorschlag nicht eingesetzt. Bereits im Interview im Juni war der Minister zurückgerudert: „Allerdings hat das nicht bei allen Koalitionspartnern Begeisterungsstürme ausgelöst. Ich halte mich natürlich an die Koalitionsdisziplin.“
20 Prozent Bio-Lebensmittel in Kantinen
Ansonsten enthält das Eckpunktepapier, das Grundlage für die Ausarbeitung einer detaillierten Strategie im kommenden Jahr ist, wenig Überraschungen. Die Regierung bekennt sich zu dem etablierten Ziel, die Bio-Quote in der deutschen Landwirtschaft auf 30 Prozent zu steigern.
Ein Kernvorhaben des Papiers sind bessere Angebote in Kantinen, Heimen und Schulen. Für alle Betreiber sollen bis 2030 die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) bei Gemeinschaftsverpflegung verbindlich werden. Diese DGE-Richtlinien zur gesunden Ernährung sollen künftig um ökologische Aspekte ergänzt werden.
Dabei ist eine Selbstverpflichtung neu in das Konzept aufgenommen worden, in Kantinen von Bundeseinrichtungen bis 2025 über 20 Prozent Bio-Lebensmittel anzubieten.
In einem Gastbeitrag für WELT argumentierte Özdemir, diese Vorhaben würden besonders ärmeren Menschen helfen, sich eine gesunde Ernährung leisten zu können.
Das nun verabschiedete Papier enthält zudem ein Steuervorhaben, das im bisherigen Entwurf so konkret nicht vorgesehen war: „Sachspenden an steuerbegünstigte Körperschaften können unter bestimmten Voraussetzungen bei den Ertragsteuern steuermindernd geltend gemacht werden.“ Das erleichtert es vor allem Unternehmen, Lebensmittel an die Tafeln zu spenden.
Eine Sprecherin verwies auf Anfrage zu den Änderungen darauf, das Ministerium habe lediglich die im Kabinett abgestimmte Version vom Mittwoch veröffentlicht.
Absehbar waren auch die Reaktionen der Wirtschaftsverbände: Die Lebensmittelbranche kritisierte erneut, dass das Papier eine pflanzenbetonte Ernährung privilegieren will – zulasten eines hohen Fleischkonsums.
„Wir werden uns deshalb dafür einsetzen, dass im Rahmen der Ernährungsstrategie weder einzelne Lebensmittel noch damit verbundene Lebenswirklichkeiten diskreditiert werden“, erklärte der Chef des Lebensmittelverbands, Christoph Minhoff. Ähnlich argumentierte der Bauernverband: „Staatliche Kampagnen gegen tierische Lebensmittel sind unangebracht.“
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