Silvio Berlusconi gibt mal wieder das Schreckgespenst der deutschen Medienbranche. Die von der Berlusconi-Familie kontrollierte Holding Media for Europe (MFE) hat sowohl bei der österreichischen Wettbewerbsbehörde wie jetzt auch bei der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) eine geplante Erhöhung der Beteiligung an dem Münchner Medienkonzern ProSiebenSat.1 (P7S1) angekündigt.
Von derzeit 22,72 Prozent Anteil am Grundkapital und damit auch an den Stimmrechten soll es nun auf 29,9 Prozent gehen. Also knapp unter die Schwelle von 30 Prozent – ab der MFE den anderen Anteilseignern ein Übernahmeangebot machen müsste.
„Berlusconi greift nach ProSiebenSat.1“, heißt es nun in zahlreichen Medien, oder: „Berlusconi will die alleinige Macht“. Bis hin zum Kommentar in der „Wirtschaftswoche“ (nicht zu verwechseln mit der „taz“), Berlusconis „Griff nach der Macht“ müsse „mit allen Mitteln verhindert werden“.
Ganz klar – der Italiener ist weiter Chef der Regierungspartei Forza Italia und gleichzeitig über seine Familie einer der wichtigsten Medienunternehmer des Landes. Die MFE-Holding wird von Berlusconis Sohn Pier Silvio geleitet. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte bereits reflexhaft vor einer Übernahme von P7S1 gewarnt.
Es gibt gute Gründe, bei Berlusconi wachsam zu sein. Dennoch ist es ebenso ratsam, sich mit den eigentlichen Beweggründen für die Beteiligung zu befassen. Den Italienern, die auch in Spanien aktiv sind, geht es um den Aufbau eines „paneuropäischen“ Fernsehkonzerns oder zumindest einem Verbund bzw. einer Allianz mehrerer Sendergruppen.
Eine komplette Übernahme, so beteuert man, sei nicht das Ziel. Grundlage des Vorgehens ist die Prognose, dass nationale Medienkonzerne dauerhaft im Wettbewerb nicht bestehen können gegen (vor allem amerikanische) Tech- und Streamingunternehmen.
Das heißt nicht, dass die Sender des Konzerns nun italophil werden müssten – auch wenn mehr Koproduktionen zu erwarten wären. Die heftigen Reaktionen erinnern an kulturpessimistische Debatten aus den 80er-Jahren, als bei RTL „Tutti Frutti“ lief, erweitert um die Angst vor einem Fake News verbreitenden italienischen Paten.
Dagegen ist zu konstatieren, dass deutsche Privatsender zuletzt deutlich mehr in qualitativ gute Informationssendungen investiert haben, weil sie mit billiger Stangenware nicht weiterkommen. Die Annahme, dass stattdessen bald Propagandafernsehen ausgestrahlt wird, ist nicht sehr realistisch.
Warum nun die Aufstockung bei P7S1, wenn es angeblich gar nicht um die alleinige Kontrolle geht? Zum einen kann eine Übernahme sicher nicht vollständig ausgeschlossen werden, diese (sehr teure) Option hält man sich offen.
Vor allem aber geht es der Holding MFE, die aus Amsterdam gesteuert wird, wohl darum, dass sie mit einem höheren Stimmanteil über den Aufsichtsrat wichtige strategische Entscheidungen besser beeinflussen kann als mit den bisherigen 22,7 Prozent. Konkret wollen die Italiener, dass P7S1 seine Beiboote wie das Dating-Geschäft (Parship) und E-Commerce-Beteiligungen aufgibt – um sich ganz auf den werbefinanzierten Fernsehmarkt konzentrieren zu können.
Der Plan, über Europa hinweg einen Senderverbund aufzustellen, muss nicht funktionieren, das zeigen ähnliche gescheiterte Vorhaben. Eine Konsolidierung oder auch Vernetzung ist darum aber nicht falsch – und auch Bertelsmann-Chef Thomas Rabe plante in Frankreich eine Fusion des RTL-Senders M6 mit dem Mitbewerber TF1 – scheiterte aber an wettbewerbsrechtlichen Auflagen. Was zeigt – es geht jetzt um die Zukunftsfähigkeit der Medienbranche.