Thursday, April 25, 2024

Boris Becker im Interview: Viermal muss er das Interview unter Tränen abbrechen

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„Natürlich war ich schuldig.“ Es ist der erste Satz, der hängen bleibt, in einem langen Interview mit Boris Becker. Er redet ruhig, klar. Nach 231 Tagen im Gefängnis wirkt der 55-Jährige aufgeräumt. Sein Gesicht ist deutlich schlanker als zuvor, kantiger. In den folgenden etwa 90 Minuten wird er von dem Urteil berichten, von der Haft, von großer Angst – und seinen Lehren. Und er wird sagen: „Während der Haft war es die schlimmste Zeit überhaupt für mich, aber vielleicht habe ich das gebraucht. Ich glaube, das Gefängnis war gut für mich.“

Es ist ein enorm langes und ausführliches Interview, das Becker, der in der vergangenen Woche in Großbritannien aus dem Gefängnis entlassen und nach Deutschland ausgeliefert worden war, am Dienstag im Fernsehsender Sat.1 gibt. Es soll in diesem Jahr weltweit sein einziges Interview sein. Geführt hat es Moderator Steven Gätjen, der Becker auch während seiner Haft im Gefängnis Huntercombe besucht hatte, um dieses Gespräch vorzubereiten. Gätjen führt das Interview klar, mit Respekt, aber ohne zu brav zu sein, ohne Affekt oder emotionale Überhöhung.

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Becker, in einem schwarzen Jackett und schwarzem T-Shirt, berichtet von Geschehnissen, von Gefühlen – ohne Mitleid erregen zu wollen. Er wirkt glaubhaft, gut vorbereitet, erzählt klar und ausführlich. Viermal überkommen ihn die Emotionen. Er bricht kurz ab, versucht, die Tränen aufzuhalten, bittet um eine, um zwei Minuten, fängt sich. Und fährt fort. Sein Wimbledon-Triumph als 17-Jähriger im Jahr 1985, der Generationen prägte und einen Hype um seine Person und hierzulande einen Boom seiner Sportart auslöste, scheint im Moment des Interviews weit weg. Auch all die weiteren Triumphe und Emotionen, die er sich selbst und den Fans bescherte, gehören in eine andere Welt.

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Etwas weniger als acht Monate saß Becker im Gefängnis. Er war Ende April zu zweieinhalb Jahren Haft wegen Insolvenzvergehens verurteilt worden. Bei seiner vorzeitigen Haftentlassung vergangenen Donnerstag profitierte Becker von einer britischen Regelung, die eine vorzeitige Abschiebung ausländischer Gefangener in ihr Heimatland ermöglicht.

„Die Richterin hat überhaupt keine Schuld.“

Zu Beginn zeigt Gätjen ihm zwei Fotos, eines aufgenommen vor der Haft, eines von jetzt. Was sieht er? „Ich sehe den gleichen Menschen“, sagt Becker. Davor etwas nervös, unsicher, ungewiss, wie die Zukunft aussieht. Danach etwas schlauer, demütiger. Der gleiche Mensch – „aber zwei verschiedene Leben.“

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Mit 97 Kilogramm ging er ins Gefängnis, sieben Kilogramm leichter ging er hinaus. Er habe nicht geraucht, weniger gegessen, sei oft hungrig ins Bett gegangen und habe keinen Alkohol getrunken. „Meiner Gesundheit tat die Haft mit Sicherheit gut“, sagt er.

Das Gespräch geht die Zeit vom Prozess bis heute mehr oder weniger chronologisch durch. Über die Zeit vor Gericht sagt Becker: „Ich war jeden Tag in der Kirche.“ Am 29. April folgte der Urteilsspruch. Mit Nachdruck sagt er: „Die Richterin hat überhaupt keine Schuld.“

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