Ein bisschen angestrengt, aber energiegeladen: Die Berliner Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch stellte am Montag ihre Wahlkampagne vor – Inhalte und Motive, mit denen sie den Ultrakurz-Wahlkampf bis zur Wiederholungswahl am 12. Februar bestreiten will.
Herbeigerufen hätten die Grünen die Wiederholung nach der Chaoswahl vom September 2021 nicht, sagte Jarasch. „Aber es ist natürlich eine zweite Chance, das, was letztes Jahr schon richtig gewesen wäre, zu vollenden.“ Daran, was aus Sicht der Grünen das Richtige wäre, lässt Jarasch keinen Zweifel: die Fortsetzung des rot-grün-roten Koalitionsbündnisses nämlich – nur mit ihr anstelle von Franziska Giffey (SPD) als Regierender Bürgermeisterin.
Ausschließen will Jarasch zwar auch andere Bündnisse nicht. „Aber wir haben eine klare Präferenz.“ Viele Berliner wünschten sich eine progressive Politik, aber unter neuer Führung, sagte Jarasch. „Die Zufriedenheit mit der Regierungschefin ist nicht sehr groß.“ In den Wahlkampf geht die amtierende Senatorin für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz deshalb mit der Botschaft: „Zeit für Grün, Zeit für Jarasch.“
Wenn die heiße Wahlkampfphase am 2. Januar beginnt, wollen die Grünen mit 30.000 Plakaten, Hunderten Großflächen und Clips auf Social Media präsent sein. Hinzu komme eine spezifische Briefwahlkampagne, wie Hauptstadt-Parteichef Philmon Ghirmai ankündigte. Mit einem Wahltermin im grauen Berliner Winter hat hier bislang niemand Erfahrung, die Grünen wollen daher so viele Wähler wie möglich zur vorzeitigen Abstimmung per Brief bewegen. Jarasch baut darauf, ihre Anhänger besser mobilisieren zu können als die Konkurrenz.
Ein Herzschlagfinale deutet sich jedenfalls schon jetzt an. CDU, Grüne und SPD liegen in Berlin in Umfragen schon längere Zeit sehr eng beieinander; schon bei der Abgeordnetenhauswahl vom September 2021 hatten sich Jarasch und Giffey ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert, das Giffey erst im Verlauf des Wahlabends knapp für sich entscheiden konnte.
Als starker dritter Konkurrent ist CDU-Partei- und Fraktionschef Kai Wegner im Rennen. Er hatte bei der jüngsten Umfrage von Civey im Auftrag des „Tagesspiegel“ vom 11. Dezember mit 25 Prozent klar die Nase vorn, vor Grünen (21 Prozent) und SPD (18 Prozent). Infratest Dimap hingegen sah bei ihrer für RBB und „Berliner Morgenpost“ erstellten Umfrage vom 23. November die Grünen mit 22 Prozent vor CDU (21) und SPD (19). Eindeutig sind die Umfragen nur in einem Punkt: Gemeinsam haben die drei linken Regierungsparteien eine klare Mehrheit.
Wegner dürfte es daher schwerfallen, eine Machtoption zu entwickeln. Zuletzt hatte er sich aber auffallend positiv über die grüne Spitzenkandidatin geäußert. „Kai Wegner sucht die Nähe zu den Grünen, nicht zur SPD“, zitierte „Bild“ Teilnehmer einer vertraulichen Runde um den CDU-Landeschef. Die Schlagzeile „Wegner will mit Jarasch“ erschien just am Tag der grünen Kampagnenpräsentation.
Entsprechende Nachfragen konterte Jarasch kühl. „Jeder, der eine Wahl gewinnt, muss in der Lage sein, eine stabile Regierung zu bilden“, sagte sie. „Und Grün-Rot-Rot hatte in allen Umfragen eine stabile Mehrheit.“
„Stadt funktioniert nicht mehr“
Thematisch wollen die Grünen mit ähnlichen Zielen an den Start gehen wie im vorigen Wahlkampf: einem klimagerechten Stadtumbau, einer Mobilitätswende zugunsten von Fahrrädern und öffentlichem Nahverkehr, dem Ausbau erneuerbarer Energien, einem gemeinwohlorientierten Wohnungsmarkt, einer Verwaltungsreform. Man habe vor einem Jahr ein Programm entwickelt, das für fünf Jahre gelten sollte, sagte Jarasch. „Wir machen jetzt nicht alles neu. Aber die Rahmenbedingungen haben sich deutlich verändert.“
Angesichts der Energiekrise gebe es eine viel größere Dynamik für die Energiewende, auch für die Rekommunalisierung der Wärmeversorgung. Und mit dem Berliner Angebot eines 29-Euro-Tickets für den Nahverkehr sei auch der Einstieg in eine „bezahlbare Mobilität“ gelungen. Eine Schlappe im Verkehrssektor kassierte Jarasch aber auch in diesem ersten Regierungsjahr: Das Berliner Verwaltungsgericht erklärte die teilweise Sperrung der Friedrichstraße für Autos für rechtswidrig.
Die grüne Spitzenfrau selbst übte Kritik an der Performance der Koalition. „Das Wahldebakel hat klargemacht, dass die Stadt nicht mehr funktioniert und wir an die Verwaltungsmodernisierung ranmüssen. Das ist im ersten Jahr nicht angegangen worden.“
Wer daran aus ihrer Sicht die Schuld trägt, glaubt Jarasch bereits zu wissen: „Das kann nur aus der Senatskanzlei heraus gesteuert werden. Sonst funktioniert es nicht.“ Die gezielte Spitze gegen die Regierende Bürgermeisterin zeigt: Für Franziska Giffey wird es nicht leicht werden, ihre Macht zu verteidigen.
„Berlin ein Failed State – Daran arbeitet der jetzige Senat mit großer Entschiedenheit“
„Berlin ist schon immer schlecht regiert worden“, findet WELT-Kolumnist Henryk M. Broder. Ein Problem der Hauptstadt: „Es gab die größten Flops, für die niemand verantwortlich war.“ Franziska Giffey ist laut Broder „eindeutig überfordert“.
Quelle: WELT
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