Amazons E-Book-Reader Kindle zeugt seit vielen Jahren von der gesunden Sturheit des Konzerns. Er hat auf jedes Extra mit Bedacht verzichtet. Denn die Nutzer sollen mit einem Kindle nur eines machen: Bücher kaufen und lesen. Basta. Alles andere ist Ablenkung.
Das galt bis zum heutigen Tag. Doch nun das. Der neue Kindle Scribe hat einen Stift bekommen. Und so stellt sich im Test die Frage: Passen Stift und Kindle wirklich zusammen?
Beantworten wir erst einmal die Frage, ob sich der Kindle noch zum Bücherlesen eignet. Das tut er nämlich. Und zwar jetzt auch großflächig. Das Display ist 10,2 Zoll (ca. 26 cm) groß und damit mächtiger als alle derzeit verkauften Kindle-Modelle. Es hat eher das Format eines iPads mit einem breiteren Rahmenstreifen an der Seite, an dem man das Gerät gut festhalten kann.
Das Lesen damit ist ein echtes Vergnügen, stellt es doch die Schrift trotzdem noch so scharf dar, wie man es gewohnt ist – nur eben auf einer größeren Fläche. Leider ist der Kindle damit auch schwerer geworden.
Das Gerät wiegt 433 Gramm und damit mehr als doppelt so viel wie ein kleines Kindle. Mit einer Hülle sind es dann schon deutlich über einem halben Kilogramm. Das lässt sich mit einer Hand nicht lange halten.
Ansonsten macht das Kindle Scribe genau das, was der E-Book-Reader von Amazon sonst auch macht. Zum Blättern tippt man auf das Display, denn gesonderte Tasten zum Umblättern gibt es nicht. Wird es dunkel, lässt sich das Display beleuchten. Auch die Farbtemperatur kann man augenschonend einstellen.
All das funktioniert auch noch ausdauernd. Der Akku hält nach Angaben von Amazon wochenlang durch. Das ist natürlich abhängig von der Nutzung. Aber uns ist es noch nicht einmal gelungen, ihn im intensiven Test innerhalb einer Woche zu leeren.
Wozu aber braucht man einen Stift am Kindle? Wer manchmal ein Papierbuch liest und darin Notizen macht, kann die Antwort erahnen. Denn das ist nun mit dem Kindle auch möglich – leider etwas kompliziert.
Beim Schreiben gibt es Verbesserungspotenzial
Wünschenswert wäre gewesen, den Stift in die Hand zu nehmen und einfach etwas auf die Buchseite zu schreiben. Stattdessen muss man in einem winzigen Menü am Rand ein Symbol anklicken, um dann mit dem Stift an eine Stelle im Text zu tippen.
Dadurch öffnet sich ein Notizfenster, in das man nun handschriftlich oder über eine eingeblendete Tastatur etwas schreiben oder malen kann. Wird das Fenster wieder geschlossen, zeigt ein kleines Symbol an der Textstelle an, dass hier eine Notiz hinterlegt ist. Unser Urteil: zu kompliziert.
Es geht nämlich auch anders, nur nicht in einem Buch. Öffnet man nämlich ein PDF-Dokument auf dem Kindle Scribe, kann man mit dem Stift gleich munter auf der Seite schreiben, unterstreichen, markieren.
Unser Kindle wurde mit einem Premium-Eingabestift geliefert, der clever durchdacht ist. Dreht man den Stift um, ist er ein Radiergummi, das erinnert ein wenig an Schulzeiten. Außerdem hat er eine Kurzbefehltaste, die aus dem Stift einen Textmarker macht.
Über ein kleines Menü kann man zudem die Strichstärke regulieren. Alles passiert natürlich nur in Schwarz- und Graustufen, weil das stromsparende E-Ink-Display keine Farben beherrscht.
Weil all das für einen Stift etwas wenig wäre, gibt es auf dem Kindle Scribe noch die Funktion der Notizbücher. Hier können Nutzer munter losschreiben, wie man es von einem Papierblock kennt. Zur Auswahl stehen etliche Vorlagen für leeres, liniertes, kariertes oder gepunktetes Papier. Das Ergebnis lässt sich abspeichern oder als PDF per E-Mail versenden, wenn man mit einem WLAN verbunden ist.
Fazit
Man sollte den Kindle Scribe als erste Version verstehen. Die Idee, einen Stift einzusetzen, ist gut. Die Umsetzung ist noch nicht so ausgereift. Schreiben will man eigentlich direkt auf der Buchseite – nicht in irgendwelche Haftnotizen, die dann nur noch kleine Symbole auf der Seite sind.
Das Schreiben in einem Notizbuch macht Spaß und fühlt sich schon sehr nach Stift und Papier an, weil das Display etwas angeraut ist. Der Stift selbst ist gut durchdacht und benötigt keinen Strom.
Leider stimmt das Zusammenspiel mit dem Display noch nicht zu 100 Prozent. Im Test hat er oftmals auch weitergeschrieben, als er schon nicht mehr das Display berührte und einige Millimeter darüber gehalten wurde. Das hat die ohnehin schon unleserliche Handschrift des Testers noch etwas mehr verunstaltet.
Wünschenswert wäre zudem eine automatische Umwandlung der Handschrift in Maschinenschrift gewesen. Ähnliche Produkte von Konkurrenten sind dazu in der Lage. Das Kindle Scribe kostet mit dem Premium-Eingabestift je nach Speichergröße zwischen 400 und 450 Euro.
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