Gianni Infantino hatte sich zuletzt etwas rar gemacht. Bei den bislang 62 Spielen der Winter-Weltmeisterschaft in Katar war der Chef der Fifa zwar hin und wieder in übergroßen und überwichtigen Sesseln auf der Very-Very-Important-Person-Tribüne zu sehen. Aber öffentliche Auftritte blieben seit seiner denkwürdigen Pressekonferenz am Tag vor dem Eröffnungsspiel eher selten. Seinerzeit hielt er einen Monolog über eine Stunde und 21 Sekunden, und so durfte man gespannt sein, was den geneigten Zuhörer bei der vorläufigen Bilanzierung des Turniers in Katar durch den Präsidenten des Fußball-Weltverbandes am Freitagmittag erwarten würde.
Der Raum jedenfalls war schon mal passend: Genau wie am 19. November 2022 hatten Infantino und sein Tross in das „Virtual Stadium“ des Medienzentrums von Doha geladen: Doch anders als beim ersten Auftritt des Fußball-Bosses, als er sich in einer bizarren Selbstinszenierung als „schwul“ und „Arbeitsmigrant“ bezeichnet hatte, blieb der Schweizer mit Erstwohnsitz in Katar diesmal geradezu sachlich.
„Für mich war die WM ein großer Erfolg. Die Fans, die Atmosphäre, die Menschen, die aus der ganzen Welt zusammengekommen sind“, sagte er: „Wir haben 62 Spiele gespielt ohne irgendeinen Vorfall. Keine Mannschaft hat alle Spiele gewonnen. Zum ersten Mal in der Geschichte hat ein afrikanisches Team ein Halbfinale einer Weltmeisterschaft erreicht. Zum ersten Mal hat eine Frau ein WM-Spiel als Schiedsrichterin geleitet. Wir danken allen, die das möglich gemacht haben, die diese WM möglich gemacht haben.“
„Wenn es auf den Platz geht, geht es darum, den Fußball zu respektieren“
Im Zuge seiner Bilanzierung der umstrittenen Titelkämpfe sparte Infantino zunächst ein Thema aus, das in Deutschland und Europa groß diskutiert worden war. Das Verbot der Fifa, die „One-Love“-Binde durch die Spielführer tragen zu lassen. Auf Nachfrage sagte er dazu: „Wir dürfen niemanden diskriminieren, egal, was er denkt oder fühlt. Wir sind eine weltweite Organisation. Es geht darum, einander zu respektieren und zu beschützen.“ Jeder habe die Möglichkeit, seine Sichtweise kundzutun. „Aber wenn es auf den Platz geht, geht es darum, den Fußball zu respektieren. Jeder hat seine Probleme, jede Nation, alle Menschen. Aber wenn Fußball gespielt wird, soll das Spiel genossen werden. Wir sollten denen, die das Spiel genießen, die Chance geben, diesen Moment des Genusses zu haben.“
„Man hat die ganze Last der Geschichte auf den Schultern der Spieler abgeladen“
„Seit 2010 hat der DFB keine klare Haltung zu Katar“, sagt Fußball-Autor Dietrich Schulze Marmeling. Es habe erhebliche Kommunikationsschwierigkeiten vor der WM gegeben, bei der nicht genau durchdekliniert wäre, wie gehandelt werden solle. Die Verantwortung sei so an den Spielern hängengeblieben.
Quelle: WELT
Zudem gab der Schweizer bekannt, dass er bis 2031 im Amt bleiben könne, sollte er noch zweimal wiedergewählt werden. Bei Beratungen im Council des Weltverbandes in Katar sei klargestellt worden, „dass ich mich in meiner ersten Amtszeit befinde“, so Infantino. Im kommenden März tritt der 52-Jährige beim Kongress in Kigali ohne Gegenkandidaten zur Wiederwahl an. Dann würde seine zweite Amtszeit beginnen, erklärte Infantino. Demnach würden die Jahre, in denen er seinen 2015 demissionierten Landsmann Sepp Blatter vertreten habe, nicht als Amtszeit gelten. 2019 war Infantino in Paris im Amt bestätigt worden.
Zur kommenden WM erklärte Infantino, dass er sich auf 2026 freue. „Wir glauben, dass Fußball in Nordamerika boomen wird. Wir bereiten alles für die nächste Weltmeisterschaft 2026 vor. Wir glauben, dass Fußball die Sportart Nummer eins in Nordamerika wird.“ Unklarheit herrsche noch über das Gruppensystem, da werde man noch in den Gremien beraten. Die nächste Klub-WM werde vom 1. bis 11. Februar 2023 in Marokko stattfinden. Die geplante Ausweitung des Mini-Turniers solle allerdings erst später umgesetzt werden, die erste Auflage mit dann 32 Teams sei für 2025 geplant.
Auf Nachfrage äußerte er sich zudem über die auf den WM-Baustellen verstorbenen Gastarbeiter: „Jeder Tote ist eine Tragödie“, sagte Infantino, „wenn wir über Fakten sprechen, müssen wir sehr präzise sein und aufpassen, wie wir das darstellen. Wir müssen die Sicherheit der Arbeiter garantieren, das haben wir, und es ist trotzdem passiert.“