„Große Träume und ausgeblichene Jeans“, wie es auf ihrer neuen Single heißt, die hatte auch Dolly Parton, als sie sich einst von den Rednecks in den Smokey Mountains, Tennessee, aus aufmachte, die Countrymusik weiblicher zu machen. Sie tat das zwar meist in Rüschenkleidern und mit aufgedonnertem Blondhaar, aber die Zeiten, als man die selbstbewusst wie glamourbillig aufgepimpte Dolly-Barbie als „Dumb Blonde“ (so ihre selbstironisch erste Single) abtat, die anderen nach dem Mund sang, sind lange schon Geschichte.
Die heute 76-jährige Countrylegende debütierte im Alter von 13 Jahren mit ihrem selbst geschriebenen Song „Puppy Love“ in der Grand Ole Opry von Nashville, dem Bayreuther Festspielhaus ihrer Musikgattung. Seither hat sie als Sängerin, Songwriterin, Multiinstrumentalistin, Schauspielerin und Unternehmerin immer in den Top 100 mitgespielt. Sie hat mehr als 100 Millionen Alben verkauft und zehn Grammys gewonnen, Musicals komponiert, in Filmen mitgespielt. Einer ihrer ersten Mega-Erfolge, „Coat Of Many Colors“ brachte das Motto ihres Lebens auf den Punkt.
Dolly Parton als Philanthropin
Die bis heute mit demselben Mann verheiratete, ehrlich aufgespritzte Dolly Parton hat sich früher emanzipiert und ist nachdrücklicher für Frauenrechte eingestanden als manche dünnlippige Linke. Neben Silikon und Botox hat sie auf wahre Werte gesetzt: Solidarität, Empathie, Bildungshunger, Aufklärung. Sie hat Millionen Dollar für die Corona-Impfschutz-Entwicklung gegeben. Mit ihrer Stiftung Imagination Library versendet sie jeden Monat über eine Million Bücher kostenlos an Kinder in fünf Ländern.
Natürlich ist Parton auch beinharte Geschäftsfrau. Man kann es als innovatives Merchandisingprojekt ansehen, was sie jetzt als multimedialen Doppelschlag vorgelegt hat. Kollaborationen waren schon immer eine ihrer Spezialitäten, man denke nur an die Waschbrettsirenen-Scheiben mit Linda Ronstadt und Emmylou Harris. Nun hat sie sich für ihren ersten Roman „Run, Rose, Run“ mit dem versierten Thrillerautor James Patterson zusammengetan (auf Deutsch im Blanvalet Verlag, 18 Euro).
Der 75-Jährige, der vor allem mit seinen Alex-Cross-Bänden bekannt wurde, hat über 100 Millionen Bücher in 40 Sprachen verkauft, „mehr als Dan Brown, John Grisham und Stephen King zusammen“, wie der „Spiegel“ ausrechnete. Gemeinsam mit Bill Clinton schrieb er 2018 einen Politthriller, eine Fortsetzung ist angekündigt.
Spielend stürmte Partons und Pattersons Mystery Novel mit dem Untertitel „Eine Nacht in Nashville“ die „New York Times“-Bestseller-Liste. Gleichzeitig ist Parton – die Stimme ist schmirgelpapierrau, aber intakt – mit dem gleichnamigen Album „Run, Rose, Run“ in den Countrycharts. Die erste Singleauskopplung war „Big Dreams And Faded Jeans“.
Auch die anderen Songtitel könnten Kapitelüberschriften ihres Romans sein: „Demons“, „Snakes In the Grass“, „Woman Up (And Take It like A Man)“, „Lost And Found“, „Love And Lust“, „Dark Night, Bright Future“. Von „9 to 5“ hat sie daran sicherlich nicht tastengewerkelt und buchstabengeschraubt: „Im Louis-seize-Schlafzimmerspiegel der Suite 409 im Hotel Aquitaine huschte für den Bruchteil einer Sekunde mit weit aufgerissenen blauen Augen, geballten Fäusten und wehenden dunklen Haaren eine schlanke, bildhübsche Frau vorbei.“ Der erste, überladene Satz ist Programm, so wie auch die Trüffelpralinen, auf denen jeweils ihr Name „in Schokoladenganache geschrieben“ steht. Der Roman ist ein Countrymusic-Sittengemälde, glatt und süffig wegzulesen.
Es beginnt mit dem vermeintlichen Selbstmordsprung einer jungen Countrysängerin namens AnnyLee Keyes vom Hotelbalkon. Es folgte die Rückblende „Elf Monate zuvor“ zu einem noch mittellosen Mädchen mit großen Träumen und noch größeren Melodien im Kopf. Ähnlichkeiten zu einer lebenden Person sind nicht zufällig. Und auch die eben verrentete Countryqueen Ruthanna Ryder kommt einem irgendwie bekannt vor. Der Roman erzählt also davon, wie die junge Dolly Parton die ältere trifft.
„Drei Akkorde und eine Wahrheit“, die brauche es, um mit einem guten Countrysong Karriere zu machen. AnnyLee Keyes hat sie, und Ryder hilft ihr, ihren Weg durch den gefährlichen Blue-Grass-Dschungel Nashville zu finden. Und der ist bis zum Happy End mit lauter Liedern gepflastert, die zufällig auf dem 48. Dolly-Parton-Album zu hören sind. Cross-Promotion nennt man diese Selbstbespiegelung. Sie liest sich 551 Seiten lang sympathisch seicht, hört sich auf CD knuffig an. Welcome to Dollywood!