Lange standen sie noch auf dem Feld zusammen: Kylian Mbappé legte den Arm um seinen Kumpel Achraf Hakimi, herzte ihn und sprach ihm Trost zu. Es war so etwas wie die letzte ikonische Szene eines umkämpften Abends im Al-Bait-Stadion von Doha. „Sei nicht traurig, Bro“, schrieb der Franzose später auf Twitter. „Jeder ist stolz auf das, was ihr geschafft habt. Ihr habt Geschichte geschrieben.“ Womit Mbappé zweifellos Recht besaß: Denn Hakimi hatte es zuvor mit Marokko als erste afrikanische Nation in das Halbfinale einer Fußball-WM geschafft, war dort dann aber dem Titelverteidiger mit 0:2 (0:1) unterlegen. Was blieb, war die Anerkennung des Teamkollegen von Paris Saint-Germain.
Das Duell zweier Protagonisten des Klubs aus der französischen Hauptstadt wird nun das Finale am Sonntag (16 Uhr) prägen: Kylian Mbappé gegen Lionel Messi, Frankreich gegen Argentinien, Weltstar gegen siebenmaligen Weltfußballer. Ein Kräftemessen zweier Fußballgenerationen. Mbappé ist 23, Messi 35. Für den Jüngeren ist es eine weitere Chance auf einen großen Titel, für den Älteren die letzte.
Fünf Tore, vier Vorlagen
Beide haben auf ganz unterschiedliche Art und Weise stilprägend während der Weltmeisterschaft in Katar gewirkt. Mbappé lebte in den bislang bestrittenen sechs Spielen von seiner Dynamik und seinem Zug zum Tor, nahm sich aber immer wieder auch lange Auszeiten wie etwa beim knappen Viertelfinalerfolg über England (2:1), als er praktisch kaum in Erscheinung trat.
Messi hingegen war die Triebfeder in jedem Spiel der Argentinier, der kreative Freigeist. An ihm richtete sich jeder Mannschaftskamerad zu jeder Sekunde des Spiels auf. Bei seiner fünften WM-Teilnahme sieht man den besten Messi, den es je im Nationaltrikot gegeben hat. Was beide eint: Sie sind in Sachen Ausbeute die überragenden Akteure der globalen Titelkämpfe in Katar, haben beide bereits eine unfassbar starke Quote von jeweils neun Scorerpunkten auf ihrem Konto und einige Bestmarken eingeheimst. Mit je fünf Treffern führen sie die Torschützenliste an, auch die vier Assists, die sie verbuchen, sind Spitzenwert.
In einem wesentlichen Punkt aber klaffen die Leistungs- und Karrieredaten komplett auseinander: Mbappé gewann bereits 2018 mit seinem Team den Goldpokal und kann nun Frankreich zu einem historischen Triumph verhelfen – der ersten Titelverteidigung eines Weltmeisters seit 1962 (damals Brasilien). Messi hingen hat alles abgeräumt, was es im Weltfußball zu gewinnen gibt, bis auf einen Triumph: den WM-Titel.
Deswegen fokussiert sich der kleine Zaubergeist auch ganz auf das letzte große Finale mit seinem Land. Zu seinen persönlichen Rekorden – den elf WM-Treffern insgesamt und 25 Einsätzen bei einer Endrunde – erklärt er: „Das ist alles schön und gut, aber das Wichtigste ist, dass wir als Mannschaft unser Ziel erreichen, welches das Schönste von allen ist. Persönlich kann ich sagen, dass ich mich sehr glücklich fühle, die ganze Weltmeisterschaft schon. Und dass ich das sehr genieße. Ich fühle mich sehr gut, ich fühle mich stark genug, um jedes Spiel anzugehen.“
Gemessen an dem für gewöhnlich rhetorisch zurückhaltenden Messi ist das fast schon eine Kampfansage. Und sie haben ja im Lager der Franzosen auch gehörigen Respekt vor dem Anführer des Gegners. „Jedes Team mit Messi hat komplett andere Voraussetzungen“, sagt Mbappés Sturmkollege Antoine Griezmann. „Wir haben Argentinien spielen sehen, wir wissen, wie sie spielen. Sie sind ein schwieriger Gegner.“ Messi sei „in brillanter Form seit Beginn des Turniers“, schwärmt auch Trainer Didier Deschamps. Und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der beim Halbfinale in Doha vor Ort war und in der Kabine jedem Spieler zum Finaleinzug gratulierte, sagte am Donnerstag mit einem Schmunzeln: „Er ist ein großartiger Spieler, wenn er in Paris spielt, aber mir ist er in Paris lieber als in seiner Nationalmannschaft.“
Anders als Messi hält sich Mbappé verbal vor dem Kampf der Generationen – wie übrigens schon im ganzen Verlauf dieser WM – verbal zurück. Er will lieber weitere Taten auf dem Feld sprechen lassen. Sein Coach schätzt jene Eigenschaft sehr. „Kylian ist ein Leader. Auf seine Weise“, sagt Deschamps. „Er ist nicht der Typ, der die lauten Kommandos gibt, aber er geht in dieser Mannschaft vorneweg.“
Dass das alles überstrahlende Duell der beiden Superstars im Finale ganz nach dem Geschmack der Gastgeber sein dürfte, passt zu der viel kritisierten Winter-WM im Emirat. Mbappé und Messi spielen beide für den von Katar komplett finanzierten PSG, ein besseres Endspiel hätte sich Staatsoberhaupt Tamim bin Hamad Al Thani nicht vorstellen können. Zumindest in dieser Hinsicht ging das Rekordinvestment von 150 bis 200 Milliarden Euro für die Ausrichtung der WM auf.