Die ukrainische Militärführung rechnet schon im Januar mit einer neuen russischen Offensive, in deren Rahmen auch ein zweiter Versuch zur Eroberung der Hauptstadt Kiew geplant sei. Der Vormarsch könne vom Donbass im Osten des Landes, vom Süden oder dem benachbarten Belarus ausgehen, sagten die Generäle Walery Saluschnij und Olexandr Syrskij in Interviews mit dem englischen Wirtschaftsmagazin „Econonomist“. „Die Russen bereiten etwa 200.000 Soldaten auf den Einsatz vor. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie es wieder auf Kiew abgesehen haben“, zitierte das Magazin Saluschnij.
Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow äußerte sich gegenüber dem „Guardian“ ähnlich. Es gebe immer mehr Beweise, dass Russland eine neue Offensive vorbereite. Sie könne für Februar geplant sein, wenn die Hälfte der im Rahmen der Teilmobilmachung eingezogenen 300.000 Männer ihr Training absolviert hätten.
Russland war am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert und bis in die Region Kiew vorgedrungen. Die russischen Truppen wurden jedoch verdrängt und Ende März verkündete Russland seinen Rückzug. Seitdem konzentriert sich Russland auf den Osten und Süden der Ukraine. Es annektierte Ende September die vier Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson. Die Ukraine und der Westen erkennen dies nicht an. Seine Invasion in die Ukraine bezeichnet Russland als Spezialeinsatz zur Entmilitarisierung des Landes.
Die russischen Invasionstruppen in der Ukraine setzen nach Ansicht britischer Militärexperten zunehmend auf einen veralteten Stellungskrieg. Das geht aus dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London zum Krieg in der Ukraine am Freitag hervor. Demnach errichten die russischen Truppen aufwendige Verteidigungsanlagen entlang der gesamten Frontlinie mit einem Schwerpunkt auf dem nördlichen Sektor um die Stadt Swatowe im Oblast Luhansk.
„Die russischen Konstruktionen folgen traditionellen militärischen Plänen zum Bau von Schützengräben, die seit dem Zweiten Weltkrieg weitgehend unverändert sind. Solche Konstruktionen sind wahrscheinlich anfällig für moderne, präzise indirekte Schläge“, hieß es in der auf Twitter verbreiteten Mitteilung.
Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.