In Berlin startet nächste Woche unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen der Prozess gegen einen mutmaßlichen Drogenboss aus Kolumbien. Das Verfahren ist Teil einer größeren Ermittlung. Die Sicherheitsbehörden sind vor dem Prozessstart in erhöhter Alarmbereitschaft. Denn das Verfahren stellt alle bisherigen Fälle im Bereich der Drogenkriminalität in den Schatten.
Eine mit dem Verfahren vertraute Person sprach von „einer völlig neuen Dimension der Drogenkriminalität“. Tatsächlich wurden vor dem ohnehin schon gesicherten Gerichtsgebäude zusätzliche – und für alle sichtbare – Personenschützer der Polizei abgestellt. WELT sind weitere Einzelheiten der Schutzmaßnahmen im Berliner Stadtgebiet bekannt, die zum Schutz der Betroffenen an dieser Stelle aber ungenannt bleiben sollen.
Nach Informationen von WELT gehen die strengen Sicherheitsvorkehrungen auf eine Gefährdungsbewertung des Bundeskriminalamtes zurück. Eine Gerichtssprecherin wollte das mit Verweis auf die Sicherheitslage nicht weiter kommentieren. Mehrere Justizmitarbeiter bestätigten dieser Zeitung aber, die Sicherheitsmaßnahmen seien „absolut ungewöhnlich“.
Der Angeklagte des Verfahrens (Spitzname: Takko) galt in Kolumbien als Führungsfigur eines Kartells. Er wurde bei der Einreise nach Europa in Madrid festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert. Derzeit sitzt der Mann unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen in der Untersuchungshaftanstalt Moabit. Der Angeklagte soll über einen verschlüsselten Messenger die Kaufverhandlungen für Kokain geführt haben.
Öffentlich äußern möchte sich zu dem Verfahren niemand. Dabei hat der Prozess auch eine politische Dimension. Mit dem Fall vertraute Ermittler sagen, dass der Fall an Narco-Staaten in Südamerika erinnere. Der Handel in bundesweit bekannten Umschlagplätzen wie dem Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg sei dagegen eher „Drogen-Folklore“.
Der am Dienstag beginnende Prozess gegen den kolumbianischen mutmaßlichen Drogenboss steht im Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren, das bereits seit August dieses Jahres läuft. Dabei müssen sich zehn mutmaßliche Mitglieder eines Drogenkartells verantworten. Die Anklage wirft ihnen vor, mehr als vier Tonnen Kokain von Südamerika über den Hamburger Hafen nach Deutschland geschmuggelt zu haben. Ihre illegalen Geschäfte sollen die Männer im Alter von zur Prozesseröffnung 33 bis 63 Jahren über ein Geflecht von Scheinfirmen abgewickelt haben.
Laut Anklage geht es in dem seit August laufenden Verfahren um insgesamt 16 mutmaßliche Schmuggelfahrten in der Zeit von Sommer 2011 bis Sommer 2021. Seit 2012 sollen unter anderem mehrere Seecontainer mit jeweils mehreren Hundert Kilogramm Kokain aus Brasilien über den Hamburger Hafen Deutschland erreicht haben. Die Drogen wurden laut Anklage in hohlen, eigens dafür angefertigten Metallplatten versteckt. Getarnt als Blei- oder Kupferlieferungen sei Kokain geschmuggelt worden.
Drei mutmaßliche Haupttäter, die seit 2011 als Bande agiert haben sollen, hätten insgesamt rund 9,3 Millionen Euro erlangt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft haben die Ermittlungen zu dem Fall zwei Jahre gedauert und wurde mit großem Aufwand geführt. Die Gruppierung sei mit insgesamt rund 6,6 Tonnen Kokain in Verbindung zu bringen, hieß es zum Prozessbeginn
Details zu den Zusammenhängen zwischen dem seit August laufenden Prozess und dem Verfahren, in dem sich ab Dienstag der kolumbianische mutmaßliche Drogenhändler verantworten muss, wurden bisher nicht bekannt. Unklar ist bislang auch, was die Behörden zu den nach Einschätzung von Beobachtern so ungewöhnlich strengen Sicherheitsvorkehrungen veranlasste.