Die stellvertretende Bundestagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sieht nach der Razzia im „Reichsbürger“-Milieu Verbesserungsbedarf beim Schutz des Parlaments. „Das Sicherheitskonzept des Deutschen Bundestages ist nicht ausreichend“, sagte die Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Wir müssen über die Frage sprechen, wer wie Zutritt erhält und vor allem unkontrolliert, schlimmstenfalls sogar mit Waffen, die Gebäude betreten kann.“
Die Bundestagsvizepräsidentin hatte bereits Ende vergangener Woche eine Prüfung der Sicherheitsvorkehrungen in Aussicht gestellt. Konkrete Anpassungen nannte sie aber bislang nicht.
Die Bundesanwaltschaft hatte am Mittwoch vergangener Woche 25 Menschen festnehmen lassen, darunter auch frühere Offiziere und Polizeibeamte. 22 der Festgenommenen wirft sie vor, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System stürzen wollte. Drei Festgenommene gelten als Unterstützer. Die 23 in Deutschland festgenommenen Beschuldigten sind in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft sprach zudem von 27 weiteren Beschuldigten.
Welche Konsequenzen die Bundesrepublik aus den Umsturzplänen ziehen muss – mit dieser Frage befasst sich der Bundestag am Mittwoch in einer Aktuellen Stunde. Zudem spricht Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dazu im Innenausschuss. Thema könnte auch die von Faeser angekündigte Verschärfung des Waffenrechts werden, Bundesjustizminister Marco Buschmann sprach sich allerdings gegen den Vorstoß aus.
Klingbeil: „Reichsbürger“-Szene nicht unterschätzen
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil warnte davor, die sogenannte Reichsbürger-Szene zu unterschätzen. „Man muss aufpassen, wo sich bestimmte Muster, Erklärungen, Narrative, Verteidigungslinien in die Gesellschaft einschleichen“, sagte Klingbeil am Dienstagabend in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“. „Man muss von Anfang an ein Stoppschild setzen und sagen: bis hierhin und nicht weiter!“ Für Menschen, die unsicher seien, wie sie sich gesellschaftspolitisch aufstellen, könnten solche Leute eine „ernsthafte Bedrohung“ sein.
Die jüngsten Razzien gegen eine „Reichsbürger“-Gruppierung, die einen Umsturz geplant haben sollen, verteidigte Klingbeil. Es sei richtig, dass der Staat hier wachsam sei. Das seien nicht alles Spinner und der Staat bausche hier auch nichts auf. Man müsse sich bewusst machen, was diese Bewegung an Schicksalen hätte auslösen können. Man müsse sehen, dass Leute bewaffnete Pläne geschmiedet hätten. Es gehe nicht darum, Menschen auszusortieren, die sich mal kritisch zur Corona-Politik geäußert hätten, sondern darum, Menschen zu identifizieren, die an Umsturzplänen beteiligt waren.
Das demokratische System habe aber nicht kurz davor gestanden, umgestürzt zu werden, räumte Klingbeil ein. „Das ist stabil“, betonte Klingbeil. Wie weit diese Netzwerke gediehen waren, müsse man nun aufklären.