Saturday, April 20, 2024

James Camerons „Avatar“-Sequel: Käpt’n Blaubär reitet wieder

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Vor der Vorabvorführung für die Journalisten, Blogger, Influencer und gewieften Zaungäste im IMAX-Saal des UCI-Kinos am Mercedes-Platz im Berliner Osten, nur einen Steinwurf von den Mauerresten der East Side Gallery entfernt, stoßen wie damals Systeme aufeinander, die gegensätzlich scheinen, aber eng miteinander verzahnt sind. Diesmal sind es nicht Kapitalismus und Kommunismus, sondern Imagination und Technologie. Eine Stuttgarter PR-Frau begrüßt das Publikum von der Leinwand, die genauso gebogen ist wie das Concept Car, das sie mit strahlendem Lächeln bewirbt – das VISION AVTR. Ursprünglich vorgestellt auf der CES 2020, weist die realisierte Studie bald den Weg in eine automobile Zukunft, die mit der kühlen Techno-Rationalität vergangener Utopien wie Bauhaus und Neuer Sachlichkeit nichts mehr zu tun hat. Der rechte Winkel hat ausgedient. Stattdessen dominiert das Fake-Organische. Die Räder sehen aus wie fluoreszente Quallen, die sich unter einer anbrandenden Welle gelassen pulsierend bewegen.

Beinahe beschämt berichtet die Mercedes-PR-Frau von der Vergangenheit des Product Placement, als schwere Jeeps durch die Dinosauriergehege von „Jurassic Park“ brausten. Längst stehen die Zeichen auf Nachhaltigkeit. Das submarine Batmobil mit dem Stern auf der Haube taucht in „Avatar: The Way of Water“ gar nicht auf. Seine Existenz ist nur ein Hutantippen, eine elektrisch sirrende Ehrenbezeigung angesichts der Vision des Regisseurs James Cameron. Wir können uns vorstellen, wie es weitab der Orte, die die 3D-Kameras einfangen und die Supercomputer simulieren, durch die Unterwasserwelt von Pandora taucht.

Dorthin geht es diesmal, 13 Jahre nach der Premiere auf dem Planeten, der von seltsamen Wesen bevölkert ist – halb Katzen, halb Blaubeeren, den beneidenswert ranken Na’vi –, die sich über ihre Rastafari-Zöpfe mit dem LAN des globalen Ökosystems verbinden. Damals, im Original-„Avatar“, war sehr viel Schauwert und wenig Geschichte, eine minimale Variation von „1492: Die Eroberung des Paradieses“, die altbekannte Mär, authentisch aufgeladen durch ihren historischen Wahrheitsgehalt, von der bösen Technik, die über die liebe Natur hereinbricht, sie plündert und vergewaltigt.

Ich glaub’, ich steh im Wald: Quaritch in „Avatar: The Way of Water“

Ich glaub’, ich steh im Wald: Quaritch in „Avatar: The Way of Water“
Quelle: Courtesy of 20th Century Studios

Der böse Quaritch (Stephen Lang) war scharf auf irgendwas, man hat es schon vergessen, jedenfalls ein Pendant zum Gold der Inka oder des Yukon, den Büffelfellen und dem Erdöl. Es kam zum Kampf, in dessen Zuge sich einige Eroberer besannen und zu den netten Hippies überliefen, die gleichwohl vor dem effektiven Einsatz von Pfeil und Bogen nicht zurückschreckten. Gefühlte Stunden stagnierte die Story. Cameron nahm die Zuschauer lieber bei der Hand, auf einen ausgedehnten Waldspaziergang, dessen Farbpracht vor den 3D-Brillen explodierte – blow ’em up in der Fridays-for-Future-Variante, lange vor deren Existenz. Eine Öko-Avantgarde, gemalt auf einer High-Tech-Staffelei, Frank-Frazetta-Fantasy aus einer digitalen Airbrush-Pistole.

Wer Cameron in den Neunzigern als Spielberg des Actionkinos wahrnahm, unterschätzte ihn noch. Als Schöpfer von „Terminator“, „Alien 2“ oder als Drehbuchautor von „Rambo 2“ war er ein kinetischer Intellektueller, der die Verschmelzung von Mensch und Maschine bedachte, genetische Manipulation, den Horror vacui des Weltalls und die Sturheit des einzelnen Menschen, sich gegen all das durchzusetzen.

Mit „The Abyss“ lotete er die entlegensten Abgründe der Fantasie aus. „Titanic“ nahm Cameron schon zum Anlass, mit dem Mini-U-Boot wahrhaftig hinabzugleiten in das einzige All, das ihm zugänglich war – die Tiefsee. Später ging es gar hinunter zum tiefsten Punkt der Erde, dem Marianengraben. Film und Technologie, seit Anbeginn enge Verwandte, verschmolzen unter seiner Ägide völlig, bis unklar war, was eigentlich dem anderen diente, die Technik dem Film oder umgekehrt. „Avatar“ schließlich war sein Meisterstück aus Hardware und Ideologie, ein Screensaver für die anbrechende Ära des Klimawandels.

„Die Eingeborenen befrieden“

Aber es war eben auch wahnsinnig langweilig, irgendwie seelenlos trotz oder wegen der eindringlichen Behauptung einer Welt, die nichts sein sollte als eine einzige große Seele. Man kann nun – wenn man aus den 192 Minuten der Fortsetzung herausgespült wird und sich ans gummierte Geländer der Rolltreppe hinaus in die Berliner Wintertristesse klammert wie ein gerade noch vor dem Ertrinken Geretteter ans felsige Gestade – festhalten, dass es diesmal besser klappt mit der Geschichte.

Wenn auch nicht viel besser. Gut und Böse sind weiterhin so klar geschieden wie Ozean und Atmosphäre. Die Überlänge rechtfertigt sich allein durch einen klapprigen Rache-Plot. Die überschaubare Order beschränkt sich nach wie vor auf den höhnischen Euphemismus „die feindlichen Eingeborenen befrieden“. Quaritch ist es gelungen, vor seinem Tod seine ganze Garstigkeit in einen geklonten Na’vi-Avatar zu transferieren. Der macht nun Jagd auf Jake Sully (Sam Worthington), den konvertierten Ex-Soldaten, der es zum Anführer eines Na’vi-Volkes, der Omaticaya, gebracht hat.

Bald erkennt er, dass er mitsamt seiner Familie fliehen muss, um seinen Stamm zu retten. Auf Flugsauriern in prächtigsten LGBTQI-Farben geht es hinaus übers Meer zu einem idyllischen Atoll, wo die Metkayina leben. Im Gegensatz zu den blauen Waldbewohnern sind die Insulaner-Na’vi grüner, haben flossenartige Hände und Schwänze, die sich besser zum Schwimmen eignen. Die Super-Hubschrauber der irdischen Eindringlinge, die mithilfe eines einzigen schmählichen Pfeilschusses anders als vom Erfinder vorgesehen in die Luft fliegen, sind erst mal passé.

Na’vi und Wal, Flosse in Flosse

Na’vi und Wal, Flosse in Flosse
Quelle: Courtesy of 20th Century Studios

Anstelle des Waldbadens im ersten Teil geht es auf ausführliche Tauchgänge, in denen alles fluoresziert, was nicht bei Drei auf dem Korallenriff ist. Possierliche Saurier fungieren als organische Jet-Skis. In diesem Südseeparadies bewundert man anders als dahergelaufene Pauschaltouristen keine Sonnenuntergänge, sondern eine tägliche Sonnenfinsternis. Walähnliche Wesen, intelligent und empathisch, durchpflügen das Wasser. Vor Urzeiten haben sie ihrer alten Identität als grausame Killer abgeschworen und tändeln nun mit ihren Seelenbrüdern und -schwestern unter den Metkayina.

Es dauert nicht lange, da kommen ihnen die rachsüchtigen Kolonisatoren auf die Schliche, ausgelöst durch einen medizinischen Notfall, den das Teenagermädchen Kiri erleidet. Die 73-jährige Sigourney Weaver spielt das junge Halbblut wie schon in „Avatar“ ihre Mutter, der Motion-Capture-Technik sei Dank. Die Bösen heuern auf einem fliegenden Hydrofoil-Walfänger an, der friedfertigen Riesenkälbern auflauert, um ihnen goldene Gehirnflüssigkeit abzuzapfen, die den Menschen ewige Jugend verspricht – eine unverhohlene Anspielung auf den mythischen Jungbrunnen von Eldorado. Es kommt zur finalen Schlacht, in der entscheidende strategische Vorteile durch den handfesten und sozusagen vorsintflutlichen Einsatz von Feuerlöschern errungen werden. Es folgen weitere Explosionen, Schiffsuntergänge, leuchtende Fische, bunte Flugsaurier, Pfeil und Bogen, Maschinengewehre und gebrüllte Befehle.

Ein wenig befremdlich ist es schon, dass auch die netten Indigenen ständig „Ja, Sir!“ rufen. Vermutlich eine alte Gewohnheit von Sully aus alten Tagen bei den Navy Seals. Es überwiegt patriarchaler Macho-Geist, auf beiden Seiten. „Der Vater beschützt die Familie“, behaupten die Guten, „das ist es, was ihm Bedeutung verleiht.“ Und wenn sich die Söhne prügeln – die Mädchen schauen kichernd zu –, bestraft der Vater nur zum Schein, freut sich aber über die Nachricht, dass die Kontrahenten aus der konkurrierenden Familie übler zerschunden sind.

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Den Bösen wiederum steht der Sinn nach lakonischerem Pathos. „Wir sind nicht mehr in Kansas“ heißt es bei ihnen hemdsärmelig, auch wenn die Oberkörper nichts beschwert als ein Patronengurt. Generell sind die Dialoge nicht auf der Höhe des Schauwerts: „Ihr stellt euch alle dieselbe Frage: Warum so blau?“, verspottet Quaritch per Videoaufzeichnung seine Klonkrieger. Und vor Wut und Trauer über das Dahinmetzeln ihrer Meeressäuger-Seelenverwandten kreischt eine Na’vi in unfreiwilliger Komik: „Sie war Komponistin von Liedern. Wir haben sie gemeinsam gesungen!“ Dann geht es zurück ins Ayurveda-Retreat. Währenddessen sieht das Hauptquartier der dunklen Seite der Macht aus wie Katar während der WM-Vorbereitung.

Die untergründige Botschaft des Films ist wie gemacht für Grüne und die „Letzte Generation“: Menschliche Spitzentechnologie und terraformerische Ambition muss sich tribalistischem Gemeinschaftsgeist und den Selbstheilungskräften der Natur notwendig geschlagen geben. Angesichts des enormen technischen Aufwands, der mal wieder Maßstäbe setzt, die selbst die Grafikrechenkünstler von Marvel vor Neid erblassen lassen dürften, und kolportierten Produktionskosten von 350 Millionen Dollar wirkt das etwas heuchlerisch.

„Alle Energie ist nur geborgt“, heißt es einmal, „eines Tages müssen wir sie zurückgeben.“ James Cameron nimmt erst mal weiter Kredite auf. „Avatar 3“ ist schon abgedreht und soll 2024 in die Kinos kommen. Ein vierter Teil ist geplant. Vielleicht schafft Mercedes bis dahin das nächste Concept Car, diesmal schwebend, allein getragen von Luft und Liebe.

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